WHO-Epidemiologin warnt: „Erst mit der Impfung jüngerer Menschen werden die Fallzahlen abnehmen“

Maria Van Kerkhove ist die technische Leiterin des WHO-Programms für gesundheitliche Notfälle.

Maria Van Kerkhove ist die technische Leiterin des WHO-Programms für gesundheitliche Notfälle.

Hannover. Maria van Kerkhove ist technische Leiterin des Covid-19-Teams bei der Weltgesundheitsorganisation WHO in Genf – und eine führende Kraft im Kampf gegen das Coronavirus. Im Interview mit dem „Spiegel“ erinnert sich die 43-Jährige, dass sie am 1. Januar 2020 das erste Mal von einer neuartigen Lungenkrankheit aus Wuhan hörte – im Weihnachtsurlaub erhielt sie eine Mail ihres Arbeitgebers. „(...) In diesem Fall dachte ich sofort, dass es etwas Ernstes ist”, erzählt die Corona-Expertin im Interview.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige
Der Corona Newsletter "Die Pandemie und wir" vom RND.

Die Pandemie und wir

Der neue Alltag mit Corona: In unserem Newsletter ordnen wir die Nachrichten der Woche, erklären die Wissenschaft und geben Tipps für das Leben in der Krise – jeden Donnerstag.

Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der Werbevereinbarung zu.

Erst jüngere Menschen impfen

Seither ist viel passiert, Forschung im Zeitraffer quasi – auch Van Kerkhofe hat seit jenem 1. Januar kaum noch Zeit zu Hause verbracht. Die ersten Länder haben nun bereits mit Massenimpfungen begonnen. In Deutschland hofft Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, im Januar einen Impfstoff unter die Menschen bringen zu können. Der eigentliche Plan lautet dabei stets: alte Menschen und Risikopatienten zuerst. Doch Expertin Van Kerkhove schlägt einen anderen Weg vor – da eher jüngere Menschen das Virus weitergeben, sollten sie auch zuerst geimpft werden: „Es ist richtig, sie [ältere Menschen] vor der Krankheit zu schützen, dadurch wird die Zahl der Todesfälle hoffentlich stark zurückgehen; andererseits verbreiten sie [ältere Menschen] das Virus nicht so stark wie Jüngere. Erst mit der Impfung jüngerer Menschen werden die Fallzahlen abnehmen.“

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Viel zu viele Menschen haben sich so verhalten, als ob die Pandemie bereits vorbei wäre. Die Chance, die Seuche unter Kontrolle zu bringen, wurde nicht ergriffen.

Maria Van Kerkhove

Darüber hinaus glaubt Van Kerkhove, dass die Fallzahlen durch eine Impfung erst in der zweiten Jahreshälfte 2021 spürbar sinken werden. Bis auf Weiteres sei die Impfung nur eine weitere Waffe in „unserem“ Arsenal, aber kein Allheilmittel. „Wir werden die Kontaktbeschränkungen leider noch lange durchhalten müssen“, mahnt die Epidemiologin.

Auch in Bezug auf die anstehenden Weihnachtstage, warnt Van Kerkhove: „Jetzt ist nicht die richtige Zeit für große Feiern. Das können wir machen, wenn die Pandemie vorbei ist.“

Es geht noch mal nach Wuhan

Aktuell startet die WHO eine weitere Mission nach China, die den Ursprung der Seuche ergründen soll. Für die US-amerikanische Epidemiologin eine langfristige Zusammenarbeit. „Das Virus stammt wahrscheinlich aus einer Fledermaus. Aber es tatsächlich zu finden kann Jahre dauern. Wichtig ist, erst einmal herauszufinden, welche Tiere als Zwischenwirt zwischen Fledermäusen und Menschen fungieren könnten.“ Die Suche nach dem Ursprung der Pandemie werde „natürlich“ in Wuhan beginnen. Das WHO-Team wolle dazu auch die allerersten Corona-Patienten untersuchen und nach Hinweisen und Spuren suchen.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Währen des Aufenthalts wird sich die Gesundheitsorganisation auch mit Wissenschaftlern des Forschungslabors des Wuhan Institute of Virology treffen. Von dort, so ein immer wieder geäußerter Verdacht, könnte die Seuche möglicherweise ihren Ausgang genommen haben. „Ich denke, dass sie sich gut verstehen werden. Wir sind doch alle Nerds!“, sagt Van Kerkhove zur anstehenden Zusammenarbeit mit den chinesischen Forschern.

Ich kann Ihnen nicht genau sagen, wann das sein wird, aber es wird diesen Tag des Sieges geben. Und dann hoffe ich, dass die ganze Welt gemeinsam eine große Party feiert!

Maria Van Kerkhove

Im Sommer wurden die Chancen nicht genutzt

In Deutschland sieht es derzeit dramatisch schlecht aus, die Corona-Neuinfektionen steigen rasant an, die Regierung entschied sich daher am Sonntag für einen weiteren harten Lockdown ab dem 16. Dezember. Für Van Kerkhove liegt der rasante Anstieg zum Teil an den „harten Wintern“ in Europa – vor allem hätte die EU aber „aggressiver“ reagieren können, wie es beispielsweise in Asien der Fall war. „Im Sommer hätte Europa die Chance gehabt, einen solchen stabilen Zustand ebenfalls zu erreichen. Aber viel zu viele Menschen haben sich so verhalten, als ob die Pandemie bereits vorbei wäre. Die Chance, die Seuche unter Kontrolle zu bringen, wurde nicht ergriffen“, erklärt die Epidemiologin.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Nichtsdestotrotz ist sich Van Kerkhove sicher, dass die Seuche eines Tages als besiegt gilt. „Ich kann Ihnen nicht genau sagen, wann das sein wird, aber es wird diesen Tag des Sieges geben. Und dann hoffe ich, dass die ganze Welt gemeinsam eine große Party feiert!“, so die Expertin.

Mehr aus Gesundheit

 
 
 
 
 
Anzeige
Anzeige

Verwandte Themen

Letzte Meldungen

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Spiele entdecken