Staatsepidemiologe erstmals selbstkritisch: Schweden hätte mehr Corona-Maßnahmen ergreifen sollen
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Der schwedische Staatsepidemiologe Anders Tegnell: "Ich glaube, dass es sicherlich Verbesserungspotenzial bei dem gibt, was wir in Schweden gemacht haben."
© Quelle: ---/Folkhälsomyndigheten/dpa
Stockholm. Schwedens Staatsepidemiologe Anders Tegnell hat sich erstmals selbstkritisch über den schwedischen Sonderweg in der Corona-Krise gezeigt. Schweden hätte schon von Beginn an mehr Maßnahmen im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus ergreifen sollen, sagte Tegnell in einem am Mittwoch veröffentlichten Interview mit dem schwedischen Radio.
“Ich glaube, dass es sicherlich Verbesserungspotenzial bei dem gibt, was wir in Schweden gemacht haben, klar. Und es wäre gut gewesen, wenn man exakter gewusst hätte, was man schließen soll, um die Infektionsausbreitung besser zu verhindern.” Zu viele Schweden seien zu früh gestorben.
Wirksamkeit einzelner Vorkehrungen unklar
Würde man mit dem heutigen Wissensstand auf dieselbe Erkrankung stoßen, läge der richtige Weg seiner Ansicht nach zwischen dem schwedischen und dem, den der Rest der Welt eingeschlagen habe, sagte Tegnell. Welche Vorkehrungen in anderen Ländern den größten Effekt gegen die Coronavirus-Pandemie gezeigt hätten, könne man jedoch nur schwer sagen, da diese Staaten viele Maßnahmen gleichzeitig ergriffen hätten.
Tegnell steht federführend hinter der schwedischen Strategie gegen die Pandemie. Das skandinavische EU-Land hatte deutlich freizügigere Maßnahmen ergriffen als etwa Deutschland oder der Rest Europas. Schulen, Restaurants oder Geschäfte wurden beispielsweise niemals geschlossen, das Versammlungsverbot liegt bei maximal 50 Teilnehmern, ein Einreiseverbot gilt lediglich für Menschen außerhalb der EU und der Europäischen Freihandelszone.
Infektionszahlen sind weiter hoch
Viele im Land hießen den eingeschlagenen Weg gut, nach und nach mehrte sich jedoch auch die Kritik – vor allem, weil die Infektions- und Todeszahlen pro Einwohner in Schweden im Vergleich zum restlichen Skandinavien und auch zu Deutschland weiter hoch sind. Bislang sind in dem Land mit seinen etwas mehr als zehn Millionen Einwohnern nach Angaben der Johns-Hopkins-Universität knapp 4500 Menschen mit Corona-Infektion gestorben, es gab bislang rund 38.600 positive Corona-Fälle.
RND/dpa