Sinkende Inzidenzen, neue Regeln: Wird bis Weihnachten alles besser?

Weihnachtsmarkt auf dem Kennedyplatz in Essen während der Corona-Krise, im Dezember 2021.

Weihnachtsmarkt auf dem Kennedyplatz in Essen während der Corona-Krise, im Dezember 2021.

Ist das etwa schon der heiß ersehnte Abwärtstrend? Der Anstieg der Fallzahlen hat sich in dieser Woche zumindest nicht fortgesetzt. Drei Tage in Folge ist die Sieben-Tage-Inzidenz leicht zurückgegangen. Auch der R-Wert ist leicht unter die kritische Marke von Eins gerutscht – ein Hinweis auf weniger Ansteckungen mit dem Coronavirus. Dies könne „ein erster Hinweis auf eine sich leicht abschwächende Dynamik im Transmissionsgeschehen aufgrund der deutlich intensivierten Maßnahmen zur Kontaktreduzierung sein“, heißt es im Wochenbericht des Robert Koch-Instituts vom Donnerstag. Es gibt also ein erstes Signal der Hoffnung, dass der Verzicht auf Kontakte wirkt.

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Eine Trendwende ist das aber noch nicht. Der Rückgang der Zahlen könnte sogar regional eher auf die zunehmend überlasteten Kapazitäten im öffentlichen Gesundheitsdienst und die erschöpften Laborkapazitäten zurückzuführen sein, erklärt das RKI. Heißt: Die Infektionen werden nicht weniger, sie werden nur nicht mehr so zuverlässig gemeldet. So oder so: „Die Fallzahlen sind nach wie vor viel zu hoch“, sagte RKI-Präsident Lothar Wieler am Freitag. Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz sei „auf einem sehr hohen Plateau“.

Hohe Zahl an PCR-Tests: Labore kommen an ihre Grenzen
02.12.2021, Schweiz, Kloten: Ein Labor-Mitarbeiter verarbeitet Corona-Proben in einem Labor am Flughafen Z��rich. Das neu er��ffnete Flyender Labor bietet nach eigenen Angaben die schnellsten RT PCR-Tests in der Schweiz mit Testresultaten nach drei bis f��nf Stunden an. Foto: Michael Buholzer/KEYSTONE/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Es sind einfach zu viele Infizierte: Labore und Gesundheitsämter kommen an ihre Grenzen. Das macht auch dem RKI Probleme bei der Beurteilung der Corona-Lage.

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Corona-Lage ist noch lange nicht unter Kontrolle

Ein genauer Blick auf die Zahlen zeigt, wie die aktuelle Corona-Lage derzeit ist: In 407 von 411 – also fast allen – Stadt- und Landkreisen liegt die Sieben-Tage-Inzidenz derzeit über 100. In Bayern, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen hat der überwiegende Teil der Landkreise eine Inzidenz von über 500, auch die Anzahl der Kreise mit Inzidenzen über 1000 ist in der vergangenen Woche gestiegen. „Hierbei sind insbesondere Landkreise im Osten Deutschlands betroffen“, heißt es im Bericht. Es gibt auch wieder vermehrt Ausbrüche in Krankenhäusern und Pflegeheimen sowie in Schulen und Kitas.

Am häufigsten schwer erkranken derzeit Menschen mit einem größeren Krankheitsrisiko und Ältere. Doch das Risiko einer schweren Erkrankung steigt laut RKI auch bei den über 50-Jährigen deutlich an. Impfdurchbrüche würden bei hoher Inzidenz ebenfalls wahrscheinlicher – auch hier sind vor allem ältere Menschen betroffen. Zudem nimmt die Zahl der gemeldeten Todesfälle seit Mitte Oktober kontinuierlich zu: Allein in der letzten Novemberwoche gab es 1294 Covid-Tote. 102.568 Menschen sind seit Beginn der Pandemie gestorben. 85 Prozent davon waren älter als 70 Jahre alt.

Die aktuelle Entwicklung ist sehr besorgniserregend.

Aus dem RKI-Wochenbericht

Für nicht oder nur einmal Geimpfte ist das Gesundheitsrisiko laut RKI insgesamt sehr hoch, für vollständig Geimpfte wird die Gefährdung als moderat angesehen. Aber auch bei Menschen mit Immunschutz steige das Risiko mit zunehmenden Infektionszahlen. „Die aktuelle Entwicklung ist sehr besorgniserregend“, fasst das RKI zusammen. Es sei zu befürchten, dass wieder mehr Menschen erkranken oder sterben und die Behandlungskapazitäten der Intensivstationen überschritten werden.

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Die Kliniken selbst geben ebenfalls keine Entwarnung. Schon vor Weihnachten sei mit bis zu 6000 Corona-Erkrankten auf den Intensivstationen zu rechnen, betont die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi). Die Lage sei noch nie so bedrohlich und ernst gewesen wie im Moment. Aktuell liegen laut Divi-Intensivregister 4793 Patienten und Patientinnen mit Covid auf einer Intensivstation, rund die Hälfte von diesen wird beatmet. Rund 84 Prozent der Erkrankten sind über 50 Jahre alt.

„FDP hat den weitesten Weg“: Impfpflicht wird nach Bund-Länder-Runde wahrscheinlicher

Nach der Corona-MPK steht fest, dass es immer mehr Einschränkungen für Ungeimpfte geben wird. Kommt dann noch die Impfpflicht? Eine Analyse von Markus Decker.

Corona-Experten kritisieren: Keine Kontaktbeschränkungen für Geimpfte

Das weiß auch die Politik. „Das Niveau ist immer noch viel zu hoch“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel nach dem Treffen mit Bund und Ländern am Donnerstag. „Die vierte Welle muss gebrochen werden.“ Der beschlossene politische Winterfahrplan sieht daher noch einmal deutlich verschärfte Corona-Regeln vor: 2G kommt flächendeckend in Kultur, Freizeit und Einzelhandel. Es gibt Besucherlimits für Großveranstaltungen, Partys, Bars und Clubs. Ungeimpfte müssen auch im Privaten ihre Kontakte beschränken.

Dass es keine Möglichkeit gibt, Kontaktbeschränkungen für Geimpfte zu verhängen, halte ich für äußerst problematisch.

Klaus Überla

Virologe

Doch reichen die Maßnahmen für eine Trendwende aus? Der pauschale Lockdown für alle ist vorerst ausgeblieben. Die neuen Regeln betreffen vor allem Menschen ohne Immunschutz. Fachleute sehen genau darin eine Schwachstelle. „Dass es keine Möglichkeit gibt, Kontaktbeschränkungen für Geimpfte zu verhängen, halte ich für äußerst problematisch“, sagte der Virologe Klaus Überla dem RND. Man sehe inzwischen, dass die Geimpften eine beträchtliche Rolle bei der Ausbreitung des Virus spielten.

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Divi-Präsident Gernot Marx hat ebenfalls seine Zweifel, ob die Maßnahmen ausreichen, um die Infektionszahlen stark nach unten zu drücken. „Wir brauchen deutliche Kontaktbeschränkungen, aktuell tatsächlich am besten für alle“, sagte er dem RND. Die vergangenen Monate hätten gezeigt, dass einheitliche Maßnahmen am effektivsten wirken.

Um die Welle zu brechen, empfiehlt auch das RKI, dass ab sofort „jeder Bürger und jede Bürgerin möglichst alle anwendbaren Maßnahmen“ umsetzt. „Grundsätzlich sollten alle nicht notwendigen Kontakte reduziert werden“, heißt es im Wochenbericht. Sofern Kontakte nicht gemieden werden können, sollten Masken getragen und Mindestabstände eingehalten werden. „Alle diese Empfehlungen gelten auch für Geimpfte und Genesene“, stellt die Gesundheitsbehörde klar.

Impfen und Boostern - der Schlüssel zum Ende der Pandemie

Aktuelle Daten zu Impfdurchbrüchen zeigen: Geimpfte erkranken zwar selten schwer an Covid-19, infizieren sich aber inzwischen immer häufiger mit dem Coronavirus und werden auch krank. Laut RKI-Bericht lag die geschätzte Impfeffektivität gegenüber einer symptomatischen Covid-19-Erkrankung für die vergangenen vier Wochen in der Altersgruppe der 18- bis 59-Jährigen im Schnitt bei rund 67 Prozent. Bei den über 60-Jährigen waren es rund 66 Prozent.

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Weil der Impfschutz vor einer Infektion mit der Zeit abnimmt, setzen Bund und Länder zudem verstärkt auf die Booster-Kampagne. Durch eine erneute Impfung erhöht sich der Schutz vor Infektion und Erkrankung noch einmal deutlich.

Tempo bis Weihnachten

Um bis Weihnachten die Trendwende zu schaffen, braucht es aber Tempo. 30 Millionen Auffrischimpfungen bis Weihnachten soll es geben – ein ehrgeiziges Ziel. Der Bund will dafür mehr Impfdosen organisieren. Auch Apothekerinnen, Apotheker und Pflegefachkräfte in Heimen sollen kurzfristig mitimpfen dürfen. Bislang haben laut Impfquotenmonitoring rund 15 Prozent der Bevölkerung die Boosterdosis erhalten, also rund zwölf Millionen Menschen.

Große Sprünge bei den Erstimpfungen sind in den vergangenen Wochen ausgeblieben. Rund 72 Prozent der Bevölkerung sind inzwischen grundimmunisiert. Bund und Länder wollen deshalb eine einrichtungsbezogene Impfpflicht für Beschäftigte in der Altenpflege und in Krankenhäusern auf den Weg bringen. Der Deutsche Bundestag werde zudem zeitnah über eine allgemeine Impfpflicht entscheiden. In der akuten vierten Welle bis vor Weihnachten wird das aber nicht mehr helfen.

Wann ist die vierte Welle vorbei?

Den Menschen in Deutschland stehen nach Ansicht von Biontech-Chef Ugur Sahin noch „harte vier, fünf Monate“ bevor. Aufgrund der kalten Jahreszeit und dem häufigeren Aufenthalt in Räumen sei die Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus höher. Wichtig sei es jetzt, Geduld zu haben, die Corona-Verhaltensregeln zu beachten und sich impfen oder boostern zu lassen. Dann werde sich die Situation bis zum Frühjahr deutlich entspannen.

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Doch da gibt es noch eine andere große Unbekannte: die Virusvariante Omikron. Inwiefern sie die Infektionsdynamik beeinflussen könnte, ist noch unklar. Noch ist unklar, ob Omikron ansteckender als Delta ist und inwieweit die Variante den Immunschutz umgehen kann. Verbreitet hat sie sich allerdings schon weltweit. Bis Mitte der Woche wurde Omikron bereits in mindestens 23 Ländern entdeckt. Laut RKI sind in Deutschland bislang vier Fälle bestätigt. Bei acht weiteren besteht ein Verdacht, die Laboranalyse steht aber noch aus.

„Wenn sich die Befürchtungen bestätigen, haben wir ein sehr leicht übertragbares Virus, das auch unter Geimpften vermehrt zirkulieren kann“, sagte der Virologe Jörg Timm vom Universitätsklinikum Düsseldorf dem RND. „Das Infektionsgeschehen könnte sich trotz der Impfungen beschleunigen, sodass Kontaktbeschränkungen wieder an Bedeutung gewinnen.“

Unter Fachleuten glaube im Moment aber niemand, dass die Impfung plötzlich komplett nutzlos wird. Ein Basisschutz sei immer gegeben, auch wenn die Impfung weniger wirksam werde. „Man ist wirklich gut beraten, das Immunsystem einmal zu trainieren, bevor man auf das Virus trifft“, betonte Timm. Sollte das Worst-Case-Szenario eintreten, werde schon jetzt an Lösungen gearbeitet. Moderna und Biontech hatten bereits angekündigt, Auffrischimpfungen zu entwickeln, die speziell auf Omikron gepolt sind.

Mit Material von dpa

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