Corona-Infektion oder Impfung: Was schützt besser vor der Delta-Variante?

Sowohl eine Corona-Impfung als auch eine Infektion kann eine Immunität im Körper aufbauen.

Sowohl eine Corona-Impfung als auch eine Infektion kann eine Immunität im Körper aufbauen.

Tausende Menschen weltweit infizieren sich aktuell mit dem Coronavirus. Teilweise tun sie dies sogar absichtlich, wie ein Fall aus Österreich zeigt. Dort habe ein Mann aus dem Steirischen Ennstal an einer Corona-Ansteckungsparty teilgenommen, weil er glaubte, dass eine Infektion besser vor dem Virus schützt als eine Impfung, berichtete am vergangenen Donnerstag die „Bild“-Zeitung. Diese Idee kostete dem Mann das Leben.

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Es ist ein weiteres Beispiel dafür, dass eine Infektion mit dem Coronavirus unberechenbar ist. Während einige Infizierte, vor allem Kinder und Jugendliche, oftmals nur milde oder asymptomatisch bei Kontakt mit dem Erreger erkranken, entwickeln andere schwere Krankheitsverläufe, sodass sie im Krankenhaus behandelt werden müssen oder sogar versterben. Wie genau sich eine Infektion auf den Körper auswirkt, lässt sich im Vorfeld nicht sagen.

Doch was ist dran an der Behauptung, dass eine Ansteckung mit dem Coronavirus für eine stärkere Immunität sorgt als eine Impfung?

Gesellschaft für Virologie: Genesene noch nach einem Jahr gut geschützt

Auch bei einer Infektion entsteht ein Schutz vor dem Coroanvirus. Dringt der Krankheitserreger in den menschlichen Körper ein, reagiert das Immunsystem mit der Bildung von Antikörpern, die später vor erneuten Infektionen mit dem Erreger schützen. Diesen Schutz bezeichnen Medizinerinnen und Mediziner als natürliche Immunität. Diese scheint auch gegen die in Deutschland vorherrschende Delta-Variante hochwirksam zu sein.

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Die Deutsche Gesellschaft für Virologie (GfV) kommt in einer Stellungnahme von Ende September zu dem Schluss, dass Genesene – also Menschen, die eine Infektion durchgemacht haben – in den ersten sechs Monaten mindestens genauso gut vor einer erneuten Ansteckung mit dem Coronavirus geschützt sind wie vollständig Geimpfte. Die Fachgesellschaft beruft sich dabei auf internationale Studien. Diese hätten zudem gezeigt, dass Genesene selbst nach einem Jahr noch einen ausreichenden Schutz vor Infektionen und einem schweren Krankheitsverlauf haben.

Studie untersucht Immunität von Genesenen und Geimpften

Eine Studie aus Israel, die Ende August auf dem Preprint-Server medRXiv erschienen ist, legt nahe, dass jemand, der sich mit dem Virus angesteckt hat, sogar besser vor der Delta-Mutante geschützt ist als jemand, der zwei Dosen des Corona-Impfstoffs von Biontech/Pfizer erhalten hat – also vollständig geimpft ist. Bei der Interpretation dieser Daten ist jedoch Vorsicht geboten, weil sie noch nicht von einem unabhängigen Expertengremium überprüft wurden.

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Bei der Untersuchung wertete ein Team aus Forschenden um den Immunologen Sivan Gazit Daten der israelischen Krankenkasse Maccabi Healthcare Services (MHS) von Zehntausenden Menschen aus. Diese wurden zwischen dem 1. Juni und 14. August 2021 gesammelt, also zu einem Zeitpunkt, zu dem sich die Delta-Variante bereits im Land ausgebreitet hatte.

Biontech-Deckelung: Hausärzte schlagen Alarm
ARCHIV - 28.01.2019, Sachsen, Hartha: Ein Hausarzt sitzt w��hrend einer Videosprechstunde in seiner Praxis vor einem Laptop. (zu dpa: Studie: Digitalisierung des Gesundheitssystems nimmt Fahrt auf) Foto: Monika Skolimowska/ZB/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Spahn hatte gesagt, er wolle zunächst den auf Lager liegenden Impfstoff des Unternehmens Moderna verimpfen lassen, weil dieser Gefahr laufe, zu verfallen.

Die Forschenden verglichen drei Gruppen miteinander:

  1. Personen, die vollständig mit dem Impfstoff von Biontech/Pfizer geimpft wurden und sich zuvor nicht mit dem Coronavirus infiziert hatten.
  2. Personen, die sich bereits mit dem Coronavirus angesteckt haben und nicht geimpft waren.
  3. Personen, die sich mit dem Coronavirus infiziert und eine einzelne Dosis des Biontech/Pfizer-Vakzins erhalten haben.

Infektionsrisiko bei Geimpften größer als bei Genesenen

Zunächst untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, wie gut vollständig Geimpfte im Vergleich zu Genesenen ohne einmalige Impfung vor Delta geschützt sind. Beide Gruppen umfassten 16.215 Personen, die sich vom Altersdurchschnitt und von der Geschlechterverteilung ähnelten.

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Insgesamt traten 257 Corona-Infektionen in beiden Gruppen auf. 238 entfielen auf die vollständig Geimpften (Durchbruchsinfektionen) und 19 auf die Genesenen (Reinfektionen). Das Risiko, sich trotz der Impfung zu infizieren, war laut Studienautorinnen und Studienautoren somit 13-mal höher als das Risiko, sich nach einer überstandenen Infektion erneut mit dem Virus anzustecken.

Keine Aussagen zu Hospitalisierungs- und Sterberisiko möglich

Noch größer ist der Unterschied zwischen Geimpften und Genesenen bei symptomatischen Infektionen – also Ansteckungen, die mit Symptomen wie Husten, Schnupfen oder Fieber einhergehen. Insgesamt 199 Fälle wurden im Zeitraum von Juni bis August registriert: 191 in der Gruppe der vollständig Geimpften und nur acht bei den zuvor Infizierten. Das Risiko einer symptomatischen Durchbruchsinfektion war 27-mal höher als das Risiko für eine symptomatische Reinfektion.

Aussagen über das Risiko für eine Krankenhauseinweisung lassen sich anhand der Studie nur bedingt treffen. Denn die Fallzahlen sind zu gering: Acht Fälle von Covid-19 bedingten Klinikaufenthalten traten unter Geimpften auf, einer in der Gruppe der Genesenen. Einen Todesfall, der im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion steht, gab es nicht.

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„Diese Analyse zeigt, dass die natürliche Immunität einen länger anhaltenden und stärkeren Schutz vor einer Infektion, symptomatischen Erkrankungen und Krankenhausaufenthalten aufgrund der Delta-Variante von Sars-CoV-2 bietet als die durch den BNT162b2-Zweidosenimpfstoff (Impfstoff von Biontech/Pfizer, Anm. d. Red.) induzierte Immunität“, schreiben die Studienautorinnen und Studienautoren.

Impfungen sind nicht unwirksam

Als die Ergebnisse der israelischen Studie online erschienen sind, haben sie sofort die Aufmerksamkeit von anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auf sich gezogen. Diese warnten zum Teil davor, die Aussagen als unzureichende Wirksamkeit der Corona-Impfungen zu interpretieren.

„Wir wollen nicht, dass die Leute sagen: ‚Na gut, ich sollte rausgehen und mich anstecken, ich sollte eine Infektionsparty veranstalten‘“, sagte etwa Michel Nussenzweig, Immunologe an der Rockefeller University, gegenüber dem „Science“-Magazin. Marion Pepper, Immunologin an der University of Washington, fügte hinzu: Die Studie zeige zwar die Vorteile einer natürlichen Immunität auf, „berücksichtigt aber nicht, was das Virus dem Körper antut, um diesen Punkt zu erreichen“.

Natürliche Immunität ist mit Risiken verbunden

Hier kommt die Unberechenbarkeit des Virus ins Spiel. Nicht nur schwere bis tödliche Verläufe können Infizierten mitunter drohen, sondern auch Langzeitfolgen – auch bekannt als Long Covid. Die Symptome sind meist unspezifisch, können von Kopfschmerzen bis Konzentrationsstörungen reichen und halten zum Teil mehrere Wochen bis Monate an. Wie häufig Spätfolgen nach Infektionen auftreten und welche Risikofaktoren es gibt, ist noch nicht abschließend geklärt.

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Auch konnte eine Ende August im „The New England Journal of Medicine“ veröffentlichte Auswertung aus Israel zeigen, dass schwerwiegende gesundheitliche Komplikationen wie Herzrhythmusstörungen oder eine tiefe Venenthrombose viel häufiger nach einer Infektion auftreten als nach einer Impfung mit dem Vakzin von Biontech/Pfizer. Einzige Ausnahme bei den Nebenwirkungen war die Myokarditis, also eine Entzündung des Herzmuskels, die häufiger nach der Impfung diagnostiziert wurde.

So hoch ist die Impfeffektivität

Expertinnen und Experten sind sich einige, dass der risikoärmere Weg zu einer Immunität gegen das Coronavirus über eine Impfung führt. Im Fall der Delta-Variante scheint vor allem eine vollständige Impfung wichtig zu sein. Das heißt: Um sich vor der Mutante zu schützen, braucht es zwei Impfungen. Das gilt auch für den Corona-Impfstoff von Johnson & Johnson, bei dem bislang nur eine Dosis notwendig war. Anfang Oktober hatte sich die Ständige Impfkommission dafür ausgesprochen, dass Johnson-&-Johnson-Geimpfte eine zusätzliche Impfung mit einem mRNA-Vakzin erhalten sollen, um ihren Schutz zu erhöhen.

Spahn: Impfen allein reicht nicht mehr

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sieht Deutschland in einer "nationalen Notlage". Impfen alleine reiche nicht, um die vierte Corona-Welle zu brechen.

Wie wirksam die Corona-Impfstoffe sind, hat das Robert Koch-Institut (RKI) ausgerechnet. Die Behörde schätzt die Effektivität gegen symptomatische Infektionen im Zeitraum vom 18. Oktober bis 14. November auf circa 70 Prozent in der Altersgruppe der 18- bis 59-Jährigen, wie aus ihrem Wochenbericht vom 18. November hervorgeht. Bei den über 60‑Jährigen sind es rund 67 Prozent. Der Schutz vor einer Krankenhauseinweisung lag in beiden Altersgruppen bei mehr als 80 Prozent.

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Auch vor der Behandlung auf einer Intensivstation oder einem tödlichen Krankheitsverlauf schützen die Impfstoffe „weiterhin sehr gut“, schreibt das RKI. Wenngleich der Schutz mit der Zeit etwas nachgelassen hat, wie die im Wochenbericht aufgeführten Grafiken verdeutlichen. Die Daten zur Impfeffektivität müssen jedoch mit Vorsicht interpretiert werden, weil sie zum Teil unvollständig sind und somit die Wirksamkeit der Vakzine eher überschätzen.

Einmalige Impfung erhöht Schutz von Genesenen

Obwohl Genesene eine robuste natürliche Immunität aufweisen, scheint jedoch bei ihnen ebenfalls eine Impfung ratsam zu sein. Die Forscherinnen und Forscher der israelischen Preprint-Studie hatten den Schutz vor der Delta-Variante bei Genesenen ohne Impfung und Genesenen mit einmaliger Impfung miteinander verglichen. Das Risiko für eine erneute Infektion war bei denjenigen, die sich impfen lassen hatten, leicht reduziert: In der Gruppe der Genesenen ohne Impfung traten 37 Fälle auf, bei den einmal Geimpften waren es 20 Fälle.

Ähnlich verhielt es sich mit symptomatischen Infektionen. Bei den Genesenen mit einmaliger Impfung wurden 16 Fälle nachgewiesen, bei den ungeimpften Genesenen 23. In der letzteren Gruppe musste eine Person zudem aufgrund von Covid-19 im Krankenhaus behandelt werden. Es gab keine Todesfälle. Die Forscherinnen und Forscher schlussfolgern daraus: „Personen, die bereits mit Sars-CoV-2 infiziert waren, scheinen einen zusätzlichen Schutz durch eine anschließende Einmalimpfung zu erhalten.“

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Eine einmalige Impfung für Genesene empfiehlt auch die Ständige Impfkommission (Stiko). Eine zweite Dosis sei bei jemandem, der bereits mit dem Coronavirus infiziert gewesen ist, nicht notwendig, „da sich durch eine einmalige Impfung bereits hohe Antikörperkonzentrationen erzielen lassen, die durch eine zweite Impfstoffdosis nicht weiter gesteigert werden“, heißt es in der Corona-Impfempfehlung des Expertengremiums. „Ob und wann später eine zweite Covid-19-Impfung notwendig ist, lässt sich gegenwärtig nicht sagen.“ Bei Personen mit einer Immunschwäche muss hingegen im Einzelfall entschieden werden, ob nicht doch noch eine weitere Dosis notwendig ist.

Wir haben diesen Artikel am 22. November 2021 umfassend aktualisiert.

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