Schnelltests sind häufig falsch positiv
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Hessen, Groß-Gerau: Ein Schüler der Abschlussklasse führt an der Prälat-Diehl-Schule einen Tag vor den Abiturprüfungen einen Schnelltest durch.
© Quelle: Sebastian Gollnow/dpa
Berlin. Als der Lolli-Schnelltest von Marcel Spielers einjähriger Tochter ein positives Ergebnis anzeigte, waren seine Frau und er nicht allzu alarmiert. „Wir hatten vorher zu Abend gegessen und vielleicht die vorgegebene halbe Stunde Abstand zum Test nicht ganz eingehalten“, vermutet der 30-Jährige. Solche Anwendungsfehler, die das Testergebnis verfälschen können, kommen laut Robert Koch-Institut (RKI) regelmäßig vor.
Laut RKI kann aber auch die zu geringe Spezifität eines Schnelltests zu falsch-positiven Ergebnissen führen. Die Spezifität ist die Fähigkeit eines Tests, Gesunde richtig als gesund zu erkennen. Woran es bei Spielers Tochter lag, dass auch der zweite Schnelltest eben das nicht vermochte? Unklar. Die Beunruhigung der Familie hingegen: völlig klar. Es folgte ein Anruf beim Kinderarzt und ein PCR-Test, wenige Stunden nach dem zweiten positiven Schnelltest.
Ein positives Ergebnis bei einem offiziellen Schnelltest muss laut RKI an das Gesundheitsamt gemeldet werden. Allein bei Unsicherheiten, ob der Test korrekt durchgeführt wurde, könne das Testzentrum entscheiden, ob ein zweiter Schnelltest gemacht werde. Nach einem positiven Ergebnis kann dort oft auch der Abstrich für den viel zuverlässigeren PCR-Test folgen.
40 bis 50 Prozent der positiven Testergebnisse sind falsch
Dieser bestätigt dann laut RKI nur in durchschnittlich 50 bis 60 Prozent der Fälle das Schnelltest-Ergebnis. 40 bis 50 Prozent der Schnelltests, die einen positiven Befund anzeigen, sind also falsch-positiv. Das RKI stützt sich dabei auf die Ergebnisse einer Sonderbefragung von Laboren. Die Akkreditierten Labore in der Medizin (ALM) nennen ähnliche Zahlen: Ihr Vorstandschef Michael Müller sprach jüngst von einem Anteil von 30 bis 50 Prozent falsch-positiver Schnelltests.
Die Zahl stamme aus ersten Auswertungen einzelner Labore und Meldedaten, teilen die ALM auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. Sie schwanke allerdings und sei abhängig von der Qualität der verwendeten Tests und der Probenentnahme, von der Testsituation (Testzentrum, Arztpraxis, Apotheke oder Pflegeheim) sowie davon, ob Menschen mit oder ohne Symptome getestet würden. Fakt ist: Relativ viele Menschen stellen sich trotz eines positiven Schnelltests beim genaueren PCR-Test als nicht infiziert heraus.
Der Abstrich für den nötigen PCR-Test beim Kinderarzt sei „kein schönes Erlebnis, aber notwendiges Übel“ gewesen, sagt Marcel Spieler. Bis zu dessen Ergebnis waren die Spielers wie vorgegeben in Quarantäne. „Wir mussten unsere beiden Hunde von Bekannten abholen lassen, weil man ja gar nicht raus darf. Ich habe den Luxus, im Homeoffice arbeiten zu können. Aber bei meiner Frau geht das nicht. Sie konnte die zwei Tage nicht arbeiten.“
So wartete die Familie knapp 36 Stunden auf das Ergebnis aus dem Labor – das schlussendlich negativ ausfiel. Das Ganze inklusive Quarantäne sei für sie „ärgerlich, aber verkraftbar“ gewesen. Und nachvollziehbar, so Spieler. Schließlich sei das Risiko hoch, andere Menschen anzustecken.
RKI verweist auf Gefahr falsch negativer Testergebnisse
Was das angeht, sieht das RKI eine größere Gefahr von falsch-negativen Tests ausgehen. „Es werden immer wieder Infektionsketten bekannt, die auf Treffen zurückgehen, bei denen alle im Schnell- oder Selbsttest zuvor negativ getestet waren. Deshalb ist ganz wichtig: Ein negatives Testergebnis gibt keine absolute Sicherheit.“
Virologen weisen seit Längerem auf diese Grenzen bei den Schnelltests hin, so auch Christian Drosten von der Berliner Charité. Beim Test eines Infizierten direkt zu Symptombeginn gebe es eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass der Antigen-Schnelltest noch nicht positiv sei, so der Virologe Mitte April im Podcast „Coronavirus-Update“ von NDR Info. Man dürfe sich nach einem negativen Schnelltest nicht in falscher Sicherheit wiegen. Der Einsatz von Schnelltests bei Menschen mit Symptomen und die regelmäßige Anwendung etwa in Schulklassen und am Arbeitsplatz seien dennoch sinnvoll.
Auch das RKI betont, dass man sich nicht „freitesten“ könne. Man solle unbedingt immer die anderen schützende Verhaltensweisen beibehalten: Abstand, Handhygiene, Maske tragen, lüften. Das helfe auch dabei, sich nicht selbst anzustecken.
dpa/RND