Wenn Krisen Krisen verdrängen
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Demonstranten zeigen ihre Solidarität mit der Ukraine vor dem Brandenburger Tor.
© Quelle: imago images/photothek
Liebe Leserinnen und Leser,
eine Krise löst zurzeit die andere ab: Bis vor Kurzem waren es noch die aktuellen Corona-Fallzahlen, die ich morgens zuerst in den Radionachrichten gehört habe, jetzt sind es die neuesten Entwicklungen zum Krieg gegen die Ukraine. Dass die Pandemie in der Öffentlichkeit in den Hintergrund rückt, ist verständlich. Nach zwei Jahren sind die meisten Menschen des Themas Corona ohnehin überdrüssig, und noch dazu scheint sich die Lage bislang tagtäglich zu bessern. Die Inzidenzen sinken, Lockerungen sind in Sicht, neue Impfstoffe und Medikamente kommen hinzu.
Was jetzt aber nicht passieren darf, ist, dass wir die Pandemie komplett aus den Augen verlieren. Die aktuelle Situation weckt alte Erinnerungen: Schon im vergangenen Frühjahr hatte sich das Infektionsgeschehen nach der überstandenen Winterwelle sichtlich entspannt, es folgte ein unbeschwerter Sommer, in dem Deutschland aber verpasste, sich rechtzeitig auf die Infektionswelle im Herbst vorzubereiten. Diesen Fehler muss die Politik dieses Mal vermeiden. Es braucht einen frühzeitigen, verlässlichen Plan für die kommenden Monate.
Auch muss weiterhin klar kommuniziert werden: Die Pandemie ist trotz der vielen Lockerungen noch nicht vorbei. Modelliererinnen und Modellierer der Technischen Universität Berlin erwarten sogar, dass die Omikron-Schwestervariante BA.2 die Infektionszahlen ab Ende Februar wieder steigen lässt. Wie dieser Anstieg verläuft, hänge zum einen davon ab, wie gut man nach einer durchgemachten Infektion mit der aktuell dominierenden Omikron-Variante vor BA.2 geschützt ist, erklärten die Forschenden. Daten aus Dänemark deuten darauf hin, dass es durchaus möglich ist, sich mit beiden Virusvarianten nacheinander zu infizieren. Zum anderen spielen die Freizeitaktivitäten der Menschen eine wichtige Rolle, also die Zahl der Kontakte und die Mobilität. Wir haben es am Ende also wieder selbst in der Hand, ob und wie wir zumindest diese Krise bewältigen können.
Bleiben Sie zuversichtlich!
Ihre Laura Beigel
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Erkenntnis der Woche
Der Anteil der Omikron-Schwestervariante BA.2 in Deutschland wächst. Meine Kollegin Saskia Heinze hat einmal zusammengeschrieben, was inzwischen über diese Virusvariante bekannt ist – und was nicht. Sie schreibt, dass sich die Wissenschaft zumindest in einer Sache sicher ist: BA.2 hat einen „Fitnessvorteil“ gegenüber der aktuell dominierenden Omikron-Variante BA.1. Das heißt, sie ist leichter übertragbar. Und sie kann gleichermaßen die Immunantworten von Geimpften und Genesenen umgehen. Expertinnen und Experten gehen deshalb davon aus, dass sie zu einem erneuten Anstieg der Infektionszahlen führen wird. Unklar ist hingegen noch, ob BA.2 leichtere oder schwerere Krankheitsverläufe als BA.1 verursacht. Internationale Studien aus Japan, Südafrika und Dänemark sind hier zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen.
Ebenso ist noch nicht ganz geklärt, ob die Corona-Schnelltests eine Omikron-Infektion erkennen können. Ein Forscherteam um den Münchner Virologen Oliver Keppler von der Ludwig-Maximilians-Universität hatte jüngst herausgefunden, dass acht der vom Paul-Ehrlich-Institut (PEI) für frühere Virusvarianten geprüften Tests eine Infektion mit Omikron schlechter nachweisen als eine Infektion mit der Delta-Variante – und zwar selbst bei einer hohen Viruslast. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte das PEI aufgefordert, eine Positivliste für Corona-Schnelltests zu erstellen, die die Omikron-Variante erkennen können. Mit den Ergebnissen der Behörde wird in den kommenden Tagen gerechnet.
Pandemie in Zahlen
Alltagswissen
Infizieren sich Kinder mit dem Coronavirus, kann es bei ihnen in seltenen Fällen zum sogenannten Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome, kurz PIMS, kommen. Es handelt sich dabei um eine Entzündungskrankheit verschiedener Organe. Erste Symptome treten in der Regel etwa zwei bis sechs Wochen nach der Corona-Infektion auf. Achtgeben sollten Eltern zum Beispiel auf Fieber, eines der häufigsten PIMS-Symptome. Hält dieses länger an, sollte ein Kinderarzt oder eine Kinderärztin aufgesucht werden. Gleiches gilt, wenn sich noch andere für PIMS typische Symptome wie Hautausschläge, beidseitige, nicht eitrige Bindehautentzündungen oder Magen-Darm-Probleme zeigen.
Beim Arztbesuch sollten Eltern unbedingt darauf hinweisen, dass ihr Kind vor Kurzem mit dem Coronavirus infiziert gewesen ist. Sollte sich der Gesundheitszustand rasch verschlechtern und die Kinderärztin oder der Kinderarzt nicht erreichbar sein, ist es sinnvoll, direkt in die Kindernotaufnahme der nächstgelegenen Klinik zu fahren. Vor allem dann, wenn Symptome wie Atemprobleme und Schmerzen oder ein Druckgefühl in der Brust auftreten. Ist eine Fahrt zum Krankenhaus selbst nicht möglich, sollte über die kostenlose Notrufnummer 112 die Notrufzentrale beziehungsweise Rettungsleitstelle kontaktiert werden.
Zitat der Woche
Es heißt jetzt zwar, die Inzidenzen gehen runter. Eine Entlastung spüren wir bei uns aber noch nicht. (…) Die Teams sind erschöpft. Sie bräuchten jetzt endlich eine längere Pause.
Nicola Buhlinger-Göpfarth,
Hausärztin in Pforzheim, erzählt im RND-Protokoll, zu welcher außerordentlichen Belastung die Pandemie in ihrer Praxis geführt hat.
Forschungsfortschritt
Mehr als 121.000 Menschen sind seit Beginn der Pandemie im Zusammenhang mit dem Coronavirus verstorben. Bei der überwiegenden Mehrzahl der Toten war der Erreger nicht nur eine Begleiterkrankung, sondern die Todesursache, wie der erste Bericht des deutschen Covid-19-Autopsieregisters zeigt. Die Pathologinnen und Pathologen hatten rund 19.000 Bioproben von 1129 Menschen, die zwischen Anfang März 2020 und Ende September 2021 gestorben waren, genauer untersucht.
Die Analysen ergaben, dass 86 Prozent der Autopsiefälle „an“ und 14 Prozent „mit“ Covid-19 als Begleiterkrankung verstorben waren. Bei Letzteren war die häufigste unmittelbare Todesursache eine diffuse Alveolarschädigung, also eine akute Lungenerkrankung, dicht gefolgt von Multiorganversagen. Bei Covid-19-Verstorbenen stellten die Forschenden zudem eine relativ kurze Erkrankungsdauer fest: In den meisten Fällen dauerte es vom Auftreten der ersten Symptome oder einem positiven Corona-Test bis zum Tod weniger als zwei Wochen.
Pandemie im Ausland
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Gerade erst ebbt die Omikron-Welle in Großbritannien ab, da will Premierminister Boris Johnson schon alle Corona-Maßnahmen abschaffen.
© Quelle: Han Yan/XinHua/dpa
Wenn es um Lockerungen der Corona-Maßnahmen geht, ist Großbritannien bisher immer mit schnellem Tempo vorangegangen. Auch jetzt, wo der Höhepunkt der Omikron-Welle scheinbar überschritten ist, will das Land wieder rasch in die Normalität zurückkehren. Mit Corona leben lernen, Eigenverantwortung statt Einschränkungen – das ist die neue Strategie des britischen Premierministers Boris Johnson. Konkret bedeutet das: Ab heute müssen sich positiv Getestete nicht mehr zu Hause isolieren. Geimpfte Kontakte brauchen sich nicht mehr eine Woche lang täglich auf das Coronavirus zu testen, und auch ungeimpfte Kontakte müssen nicht mehr in Quarantäne. Im nächsten Schritt sollen dann ab dem 1. April die kostenlosen Schnelltests wegfallen.
Für führende Corona-Expertinnen und -Experten in Großbritannien sind diese Schritte zu voreilig, berichtet meine Kollegin Susanne Ebner. Sie zitiert den Vorsitzenden der britischen Ärzteorganisation British Medical Association, Chaand Nagpaul: „Die Regierung versucht, so zu tun, als ob Covid nicht mehr existiert.“ Seiner Ansicht nach müssten die Infektionszahlen noch weiter zurückgehen, um solche Öffnungsschritte wagen zu können. Wes Streeting, Experte für Gesundheitspolitik der Labour-Partei, sieht vor allem das Ende der kostenlosen Schnelltests kritisch. Schließlich sei man „noch nicht über den Berg“.
Was kommt
Ab der kommenden Woche sollen Impfungen mit dem Corona-Impfstoff Nuvaxovid des US-amerikanischen Pharmaunternehmens Novavax in Deutschland möglich sein. Das teilte das Bundesgesundheitsministerium auf Anfrage des RedaktionNetzwerks Deutschland mit. Zuletzt hatten sich die Impfstofflieferungen immer wieder verzögert. Wie genau die Vakzine schließlich verteilt werden, darüber herrscht bis heute noch Unklarheit. Einig sind sich die Gesundheitsministerinnen und Gesundheitsminister der Länder zumindest darin, dass die Vakzine vorrangig an die noch nicht geimpften und geboosterten Beschäftigten im Gesundheitswesen gehen sollen.
Die Ständige Impfkommission hatte den Einsatz von Nuvaxovid bei Personen ab 18 Jahren empfohlen – mit zwei Dosen im Abstand von mindestens drei Wochen. Es handelt sich um einen sogenannten Proteinimpfstoff, der – anders als die bisher zugelassen Corona-Vakzine – nicht den Bauplan des Spikeproteins enthält, sondern das fertige Protein in Form von Nanopartikeln.
Was die Pandemie leichter macht
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Ziele erreichen und zuversichtlicher werden – dabei hilft die Woop-Methode.
© Quelle: Nathan Dumlao/Unsplash
Die Corona-Pandemie ist ein wahrer Kraftakt. Nach zwei Jahren des Auf und Abs fällt es oftmals schwer, zuversichtlich in die Zukunft zu blicken. Psychologieprofessorin und Zukunftsforscherin Gabriele Oettingen von der Universität Hamburg verrät im RND-Interview, wie man wieder optimistischer wird. Sie hat die sogenannte Woop-Methode entwickelt, die dabei helfen soll, eigene Wünsche zu finden und umzusetzen. Die Abkürzung Woop steht dabei für Wish, Outcome, Obstacle und Plan (auf Deutsch: Wunsch, Ergebnis, Hindernis und Plan).
Die Methode funktioniert wie folgt: Zuerst sollten Sie einen machbaren Wunsch identifizieren. Malen Sie sich aus, was das beste Ergebnis dabei wäre. Meist folgt als Nächstes ein inneres Hindernis, das bei der Umsetzung des Wunsches im Weg steht. „Das Hindernis steckt meistens in uns selbst“, erklärt Oettingen. „Oder wir haben unrealistische Erwartungen.“ Um dieses Hemmnis zu überwinden, sollten Sie es sich zunächst einmal vorstellen oder formulieren. Der letzte Schritt ist dann, sich einen Plan zu überlegen, wie Sie diese Hürde bewältigen wollen. Am besten sei es, einen Wunsch für die nächsten vier Wochen oder 24 Stunden zu finden. „Dann kommt man sofort ins Handeln“, so die Zukunftsforscherin. „Und wenn ich auf dem Weg zur Wunscherfüllung bin, werde ich auch zuversichtlicher.“
Was sonst noch wichtig ist
Das Bundesgesundheitsministerium hat einen Versorgungsmangel beim Krebsmedikament Tamoxifen bekannt gegeben. Das Arzneimittel wird zur Behandlung von Frauen, die an Brustkrebs erkrankt sind oder waren, eingesetzt. Rund 130.000 Bürgerinnen in Deutschland sind auf das Präparat angewiesen. Eine alternative gleichwertige Arzneimitteltherapie stehe nicht zur Verfügung, heißt es vonseiten des Bundesgesundheitsministeriums. Apothekerverbände berichten, dass der Versorgungsengpass schon seit einigen Wochen bestehe und Tamoxifen über den Großhandelsweg kaum mehr zu bestellen sei. Wie es zu dem Engpass kommen konnte, ist noch unklar. Unternehmerseitig seien aber bereits Produktionen weiterer Chargen initiiert worden und man könne etwa ab Ende April 2022 von neuen Verfügbarkeiten ausgehen, teilte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte mit.
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