Virologin Ciesek warnt vor Omikron-Welle: „Jeder Tag zählt“
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Virologin Sandra Ciesek ist überzeugt, dass Omikron bald auch in Deutschland zur dominierenden Virusvariante wird.
© Quelle: Kay Nietfeld/dpa
In Großbritannien, Dänemark und in den USA explodieren die Corona-Fallzahlen. Schuld ist die deutlich ansteckendere Virusvariante Omikron, die sich in den Ländern rasant verbreitet und dafür sorgt, dass sich die Zahl der Neuinfektionen alle zwei bis drei Tage verdoppelt. Ähnliche Szenarien dürften sich bald auch hierzulande abspielen: „Mir fällt kein guter Grund ein, warum das in Deutschland anders sein sollte“, sagte Sandra Ciesek, Direktorin des Instituts für Medizinische Virologie am Universitätsklinikum Frankfurt, in der neuesten Folge des NDR-Podcasts „Coronavirus-Update“.
Sie verwies auf Modellierungen, wonach Omikron schon gegen Weihnachten die dominierende Virusvariante in Deutschland sein könnte. Bislang ist das noch die erstmals in Indien entdeckte Mutante Delta. Die Geschwindigkeit, mit der sich Omikron ausbreitet, mache schärfere Corona-Maßnahmen überfällig. „Es zählt eigentlich jeder Tag“, machte Ciesek deutlich.
Bund und Länder verabschieden Kontaktbeschränkungen
Angesichts der kommenden Omikron-Welle haben Bund und Länder bei einer gemeinsamen Konferenz am Dienstag beschlossen, dass spätestens ab dem 28. Dezember schärfere Kontaktbeschränkungen eingeführt werden sollen – auch für Geimpfte und Genesene. Private Zusammenkünfte sind ab dann nur noch mit maximal zehn Personen erlaubt. Clubs und Diskotheken müssen bundesweit geschlossen werden, Tanzveranstaltungen sind verboten. Überregionale Großveranstaltungen, darunter auch Fußballspiele, dürfen nicht mehr vor Zuschauerinnen und Zuschauern stattfinden.
Auch das Robert Koch-Institut hatte sich in einem am Dienstag veröffentlichten Strategiepapier für „maximale Kontaktbeschränkungen“ ausgesprochen. Diese sollten sofort beginnen und bis zunächst Mitte Januar gelten. Gleichzeitig empfahl die Behörde eine „Reduktion von Reisen auf das unbedingt Notwendige“ und eine „maximale Geschwindigkeit bei der Impfung der Bevölkerung“. Die Phase der Kontaktbeschränkungen bis Mitte Januar solle genutzt werden, um die Impfkampagne voranzubringen. Ebenso sollten 2G- und 3G-Konzepte nachgeschärft werden, so der Vorschlag des RKI.
Zahlen könnten über die Feiertage an Aussagekraft verlieren
Inzwischen ist klar, dass sich eine Omikron-Welle nicht mehr aufhalten, sondern nur noch abschwächen lässt. Wie stark sich die Virusvariante in den kommenden Tagen in Deutschland genau ausbreiten wird, ist noch nicht vorhersehbar. Ciesek warnte zudem vor einem bevorstehenden „Blindflug“. Weil an den Feiertagen weniger getestet wird und die Gesundheitsämter und Labore nicht so arbeiten wie an normalen Werktagen, würden die Zahlen „unsicherer“ werden und womöglich „eine falsche Sicherheit“ vermitteln. „Erst Anfang, Mitte Januar werden wir sehen, wie die Lage wirklich ist“, sagte die Frankfurter Virologin.
WHO: Omikron breitet sich aus und infiziert auch Geimpfte
In vielen Ländern ist Omikron auf dem Vormarsch. Auch die USA meldeten zuletzt, dass Omikron mittlerweile die vorherrschende Virusvariante ist.
© Quelle: Reuters
Bis dahin dürften sich sehr viele Menschen mit Omikron infiziert haben, auch weil eine doppelte Impfungen keinen ausreichenden Schutz bietet. Mehrere Labortests hatten gezeigt, dass eine zweifache Impfung zwar gut gegen Delta schützt, aber nicht gegen Omikron. Bei dieser Version des Coronavirus braucht es nach Einschätzung von Expertinnen und Experten eine dritte Impfung, eine sogenannte Boosterimpfung. Diese kann den Schutz vor symptomatischen Infektionen, aber auch schwerer Erkrankung und Tod noch einmal verstärken, wenngleich sie keinen hundertprozentigen Schutz bietet und mit der Zeit an Wirksamkeit verliert.
Ciesek: „Irgendwann werden wir alle auf dieses Virus treffen“
„Auch ein Booster wird wohl nicht dauerhaft vor einer Infektion schützen“, erklärte die Virologin, die selbst Laborversuche zur Wirksamkeit der Corona-Impfstoffe gegen Omikron durchgeführt hatte. Ihrer Ansicht nach braucht es nun eine langfristige Strategie. „Irgendwann werden wir wahrscheinlich alle auf dieses Virus treffen. Die Frage ist halt: Muss man jetzt alle drei bis sechs Monate boostern oder kann man eine Infektion irgendwann nicht mehr vermeiden?“
Um Ansteckungen in den kommenden Wochen zu verhindern, rät Ciesek, weiterhin die AHA+L-Regel (Abstand, Hygiene, Alltag mit Maske und Lüften) zu beachten. Auch regelmäßige Tests, etwa vor Besuchen in Alten- und Pflegeheimen, können gegen Omikron helfen – wenn auch nicht als alleiniges Mittel. „Wichtig ist, dass jeder für sich überprüft: Welche Kontakte sind essenziell? Und dass man auch das Reisen als potenzielle Infektionsquelle sieht und es reduziert“, so die Virologin. „Dass man zum Jahreswechsel einfach ein paar Gänge zurückschaltet.“