Neue Omikron-Variante aufgetaucht: Was bislang über den Subtyp BA.2 bekannt ist
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Zahlreiche Menschen mit Mund-Nasen-Schutz sind auf der Einkaufsmeile Tauentzienstraße in Berlin unterwegs.
© Quelle: Christophe Gateau/dpa
Es ist die große Hoffnung: Mit der Virusvariante Omikron könnte eine endemische Phase für Deutschland in greifbare Nähe rücken, die akute Gesundheitskrise bald wirklich enden. Wäre da nicht das eine große Fragezeichen: Kursiert gerade tatsächlich die letzte problematische Virusvariante? Oder kommen neue Varianten, die sich noch schneller verbreiten oder die Immunantwort von Geimpften und Genesenen noch schneller umgehen?
Seit einigen Tagen beunruhigt eine Unterlinie von Omikron Gesundheitsexperten und Expertinnen in Dänemark. Auch anderswo in Europa macht sich der Subtyp, BA.2 genannt, verstärkt bemerkbar und ersetzt die bisher dominante Linie. Inwiefern die weitere Ausbreitung problematisch werden könnte, ist noch unklar. Erste Hinweise gibt es aber.
Wie verbreitet ist der Omikron-Subtyp BA.2?
Drei Untervarianten von Omikron haben Forschende bislang ausgemacht: BA.1, BA.2 und BA.3. Die meisten bestätigten Fälle fallen im Moment weltweit auf BA.1. Vor allem in Dänemark kursiert nun aber seit einigen Wochen verstärkt die Schwesternlinie BA.2. In Zahlen heißt das: Waren es in der Woche nach Weihnachten 20 Prozent aller Fälle, sind es in der zweiten Januarwoche bereits 45 Prozent gewesen – also fast die Hälfte aller bestätigten Corona-Infektionen im Land. „Im gleichen Zeitraum ist die relative Häufigkeit von BA.1 gesunken“, schreibt das Statens Serum Institut, das zentrale Labor des dänischen Gesundheitsdienstes, in einer Mitteilung vom vergangenen Donnerstag. Es sieht also so aus, dass BA.2 die bisherige Omikron-Linie verdrängt.
Auch wenn Dänemark im internationalen Vergleich die meisten Fälle ausmacht, ist bislang unklar, wo der Subtyp als Erstes aufgetaucht sein könnte. Es sind, wie die Sequenzierungsdatenbank Gisaid festhält, auch vermehrt Fälle in Indien, Singapur, den Philippinen und Einzelfälle aus den USA bekannt. Auch andere europäische Länder verzeichnen einen Anstieg der BA.2-Fälle unter den untersuchten Proben: Schweden, Norwegen und Großbritannien etwa. Der Anstieg in den Fallzahlen zeigt sich dort allerdings noch nicht ganz so stark wie in Dänemark. Die britische Gesundheitsbehörde hat BA.2 trotzdem als „Variante unter Beobachtung“ eingestuft. 426 Fälle von BA.2 sind dort inzwischen bekannt.
Hierzulande werden bislang „fast alle bisher in Deutschland nachgewiesenen Infektionen mit Omikron der Sublinie BA.1 zugeordnet“, heißt es im Wochenbericht des Robert Koch-Instituts vom 20. Januar. Trotzdem beginnt sich der Subtyp auch in Deutschland zu verbreiten – wenn auch langsamer als in Dänemark. Anfang Januar ist BA.2 in einer Stichprobe 38-mal nachgewiesen worden. Das RKI ist noch entspannt. „Weiterhin ist bisher keine starke Zunahme des Anteils von BA.2 unter allen Omikron-Nachweisen, wie in anderen Ländern geschehen, zu beobachten“, heißt es im aktuellen Bericht.
Wie viele Fälle von BA.2 es weltweit wirklich gibt, ist schwer zu beziffern. Die Länder untersuchen unterschiedlich häufig positive PCR-Proben mithilfe eines aufwendigen und zeitintensiven Verfahrens: der Sequenzierung. Dabei werden die Bausteine der Erbsubstanz im Genom des Virus entschlüsselt. Zum Vergleich: Während deutsche Labore bei über 70.000 Neuinfektionen rund 5 Prozent des Genommaterials aus Sars-CoV-2 positiven Proben untersuchen, schauen die dänischen auf rund 42 Prozent.
Wieso beobachten die Behörden BA.2 vermehrt?
Weil sich die Untervariante so schnell ausbreitet, könnte das ein Hinweis darauf sein, dass sie einen evolutionären Vorteil gegenüber der bisherigen Omikron-Variante hat. BA.1 und BA.2 haben unterschiedliche Mutationen „in den wichtigen Bereichen“, schreibt das dänische Labor. „Tatsächlich ist der Unterschied zwischen BA.1 und BA.2 größer als der Unterschied zwischen dem Ursprungsvirus und der Alpha-Variante“, heißt es. Auch das RKI spricht davon, dass sich die Subtypen in mehreren Aminosäurepositionen unterscheiden.
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© Quelle: dpa
Die offene Frage ist allerdings noch, ob die unterschiedlichen Mutationen die Eigenschaften des Virus so stark verändern, dass das Folgen für das Pandemiegeschehen hätte. Bisher ist noch unklar, ob BA.2 infektiöser ist, die Impfstoffe weniger wirksam mache oder zu schwereren Covid-19-Verläufen führen könnte. Es fehlen aussagekräftige Daten. Eine erste Analyse des Statens Serum Institut in Dänemark zeigte keine Unterschiede bei Hospitalisierten im Vergleich zu BA.1. Die Behörde geht bislang auch davon aus, dass die Impfstoffe gegen einen schweren Covid-19-Verlauf bei diesem Subtyp wirken. Wie genau Impfungen und Booster gegen BA.2 wirken, ist aber noch nicht klar.
Allerdings verdichten sich die Hinweise, dass BA.2 noch leichter übertragbar sein könnte als die bisherige Omikron-Variante. „Wir sehen an den Übertragungen in Haushalten, dass BA.2 infektiöser ist als BA.1″, sagte der dänische Virologe Anders Fomsgaard gegenüber dem „Spiegel“. „Wir versuchen nun, das Virus im Labor zu kultivieren, um die Immunresistenz von BA.2 im Vergleich zu BA.1 zu testen.“ Eines sei bereits klar: Beide Sublinien könnten als Reinfektionen auftreten. Das heißt also: Wer sich mit BA.1 angesteckt hat, kann sich später auch noch mit BA.2 infizieren – also quasi zweimal hintereinander mit Omikron.
Wie bewerten internationale Forschende die Omikron-Variante BA.2?
Forschende aus den USA verfolgen die Entwicklungen in Dänemark ebenfalls mit Interesse. „Ich bin besorgt über die neue Untervariante BA.2 von Omikron“ schrieb etwa der US-Epidemiologe Eric Feigl-Ding in seinem Twitter-Account. Dass dieser Virustyp den anderen so sehr verdränge, lasse zwei Schlussfolgerungen zu: „Entweder ist es eine viel schnellere Übertragung oder er entzieht sich der Immunität noch mehr.“ Zudem gebe es ein weiteres Problem: BA.2 sei weniger einfach mittels PCR zu entdecken als die bislang dominante Omikron-Variante, weil ihm eine Mutation fehlt. Es braucht deshalb aufwendigere und zeitintensivere Sequenzierungen im Speziallabor.
Weniger alarmiert zeigt sich hingegen der britische Virologe Tom Peacock vom Imperial College London. BA.2 solle auf jeden Fall mittels Sequenzierungen im Auge behalten werden. Er sei sich aber nicht sicher, ob BA.2 einen wesentlichen Einfluss auf die aktuelle Omikron-Welle haben werde, schrieb der Wissenschaftler in seinem Twitter-Account. „Etliche Länder haben den Höhepunkt der BA.1-Welle erreicht oder bereits überschritten. „Ich wäre sehr überrascht, wenn BA.2 an dieser Stelle eine zweite Welle auslösen würde.“ Einig ist man sich also unter Forschenden noch nicht, wie der Subtyp zu bewerten ist. Weitere Daten müssen noch ausgewertet werden.