Mutiertes Coronavirus aus Südafrika: Wie gefährlich ist die Variante?

Erstmals ist die Südafrika-Variante B.1.351 (auch: 501Y.V2) des Coronavirus in Deutschland nachgewiesen worden.

Erstmals ist die Südafrika-Variante B.1.351 (auch: 501Y.V2) des Coronavirus in Deutschland nachgewiesen worden.

Die in Südafrika entdeckte Coronavirus-Variante ist nun auch erstmals in Deutschland bestätigt worden. Eine Infektion mit der mutierten Variante B.1.351 – auch bekannt unter den Namen 501Y.V2 – wurde bislang bei sechs Personen in Baden-Württemberg nachgewiesen. Zuvor wurde auch die in Großbritannien entdeckte Variante in Deutschland nachgewiesen. Die Virusvariante B.1.351 wurde erstmals im Dezember in Südafrika nachgewiesen und hat seitdem bereits andere Länder verschiedener Kontinente erreicht. Die Südafrika-Variante wirft viele Fragen auf.

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Um was für eine Variante handelt es sich bei dem mutierten Coronavirus aus Südafrika?

Am 18. Dezember 2020 wurde erstmals über eine neue Virusvariante aus Südafrika berichtet. Die Variante B.1.351 trägt ebenso wie die kurz zuvor in Großbritannien entdeckte Variante die N501Y-Mutation – und ist deshalb auch unter den Namen 501Y.V2 bekannt. Richard Neher vom Biozentrum der Universität Basel sagte, dass es bei der Variante eine „bemerkenswerte Konstellation vieler Mutationen“ gebe. Die Virusvariante weist unter anderem Veränderungen an ihren charakteristischen Spikeproteinen auf. Die Spikeproteine sind sozusagen die „Greifarme“ des Virus, die es Sars-CoV-2 ermöglichen, in menschliche Körperzellen einzudringen. Neher betonte, dass die Virusvarianten aus Großbritannien und Südafrika unabhängig voneinander und schon vor längerer Zeit entstanden sind.

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In welchen Ländern ist B.1.351 bereits nachgewiesen worden?

Nach der Entdeckung in Südafrika wurde die Virusvariante noch im Dezember in mehreren Ländern verschiedener Kontinente nachgewiesen, unter anderem im Vereinigten Königreich, Japan und Australien. Im Januar erreichte das mutierte Virus auch Südkorea, Botswana, Brasilien und Neuseeland. Schließlich wurde 501Y.V2 am 12. Januar auch in Deutschland nachgewiesen.

Dass die neuen Virusvarianten in Großbritannien und Südafrika entdeckt wurden, heißt nicht automatisch, dass sie auch in den jeweiligen Ländern entstanden sind. Es ist auch denkbar, dass die mutierten Viren woanders entstanden sind, aber in den beiden betroffenen Ländern zuerst nachgewiesen wurden. Dass sie ausgerechnet in Großbritannien und Südafrika bemerkt wurden, ist nicht überraschend: Beide Ländern sequenzieren vergleichsweise viel – und darum sei dort aufgefallen, dass der Anteil dieser Varianten plötzlich sehr stark anstieg und diese das Infektionsgeschehen zu dominieren begannen, erklärte Isabella Eckerle von der Abteilung für Infektionskrankheiten der Universität Genf.

Wird sich das mutierte Virus auch in Deutschland ausbreiten?

Bislang sind Corona-Infektionen mit B.1.351 bei sechs Personen aus drei Haushalten nachgewiesen worden. Betroffen war zunächst eine erkrankte Person aus Baden-Württemberg. Sie sei mit ihrer Familie von einem längeren Aufenthalt in Südafrika zurückgekehrt, alle hätten sich fünf Tage später testen lassen, teilte das Sozialministerium Baden-Württemberg mit. „Diese Tests fielen negativ aus“, hieß es. Eine Woche später hätten erste Familienmitglieder milde Krankheitssymptome entwickelt.

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Der Virologe Christian Drosten ging im NDR-Podcast vom 5. Januar zunächst nicht davon aus, dass Deutschland in naher Zukunft ein großes Problem mit den Corona-Varianten aus England und Südafrika bekommen werde. Denn Deutschland habe mit dem Lockdown und anderen Maßnahmen bereits Interventionen am Werk. Allerdings gibt er zu bedenken, dass Südafrika über Weihnachten ein beliebtes Reiseziel war und noch immer Leute aus dem Land einreisen. Seiner Ansicht nach ist es wichtig, rechtzeitig gegen die Varianten vorzugehen: „[…] Ich denke, es wäre jetzt eine Gelegenheit, die man nutzen sollte, zu verhindern, dass noch mehr dieser im Moment etwas unklaren Mutanten hier bei uns Fuß fassen“, sagte er.

Wie ist die Mutation entstanden?

Mutationen bei Viren sind Forschern zufolge nicht ungewöhnlich. Dabei handelt es sich um zufällige Veränderungen im Erbgut der Erreger. Wie die südafrikanische Variante genau entstehen konnte, ist noch nicht geklärt. Allerdings gibt es einige Hypothesen, die die Entstehung erklären könnten – darunter die sogenannte „Immunescape“-Theorie. In Südafrika habe es beispielsweise in deren Winter, also dem Sommer in Deutschland, mehrere große Ausbrüche gegeben. Gerade aufgrund der sogenannten Townships, in denen viele arme Menschen sehr dicht zusammenleben, haben 40 Prozent und bald 50 Prozent nachweislich Antikörper gegen Sars-CoV-2, was fast schon einer Herdenimmunität entspreche, erklärt Drosten im NDR-Podcast: „Das ist etwas, wo das Virus gegen Antikörper kämpfen muss, wenn es wieder neue Leute infizieren will, wenn es eine Zweitinfektion setzen will, beispielsweise.“ Ein Virus verteidige sich möglicherweise mit einer Mutation gegen diesen Immundruck, so der Virologe.

Auch bei der in England entdeckten Virusvariante ist die „Immunescape“-Theorie eine mögliche Erklärung für ihre Entstehung: Dabei könnte ein Patient, der etwa einen Immundefekt hatte, das Coronavirus sehr lange in seinem Körper getragen haben. Trotz des Immundefekts könnten wenige Antikörper in dem Patient entstanden sein. „Diese Antikörper haben das Virus in Verlegenheit gebracht, und das Virus musste sich Ausweichmutationen aneignen, um diesem Immundruck zu entgehen“, erklärt Drosten. Eine andere Theorie sei, dass ein Arzt diesem Patienten Antikörper künstlich gegeben habe, wie man es in der Plasmatherapie mache. Dadurch könne das Virus künstlich unter Druck geraten sein, sich zu verändern.

Auch denkbar sei, dass das Virus in einen anderen Wirt gekommen – beispielsweise wie bei den Nerzen in Dänemark – und dort einige Monate geblieben sei, bevor es dann wieder vom Menschen akquiriert worden sei, so der Virologe. Jedoch glaube Drosten nicht, dass die Mutationen etwas mit dem Nerzvirus zu tun haben.

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Ist das mutierte Virus ansteckender und gefährlicher als die Ursprungsvariante?

Bisherigen Erkenntnissen von Wissenschaftlern zufolge ist die Virusvariante aus Südafrika ansteckender. Dafür sprechen unter anderem die Mutationen des Spikeproteins: Das Virus könnte sich in dem Sinne optimiert haben, dass es nun besser an menschliche Körperzellen andockt. Laut Drosten könnte das auch heißen, dass die Variante auch ansteckender ist. Die südafrikanische Regierung hatte über eine rasche Zunahme der Infektionen mit der Variante berichtet.

Noch ist jedoch unklar, wie viel ansteckender die englische und südafrikanische Variante ist. Die britische Regierung teilte zwar zunächst mit, dass das mutierte Virus B.1.1.7 bis zu 70 Prozent ansteckender sei. Virologe Drosten stufte dies jedoch als „Schätzwert“ ein. Menschen scheinen nach bisherigen Beobachtungen bei einer Infektion mit B.1.1.7 mehr Viren zu produzieren. Dies könnte theoretisch eine Ansteckung erleichtern.

Aktuell gibt es jedoch noch keine Anhaltspunkte dafür, dass das mutierte Virus aus Südafrika gefährlicher sein könnte und etwa einen schwereren Covid-19-Krankheitsverlauf verursacht. Wolfgang Preiser, Abteilungsleiter der Virologie an der Universität Stellenbosch in Südafrika sagte gegenüber der „Tagesschau“, dass bislang auch noch nicht bekannt sei, ob das mutierte Virus „dem Immunsystem besonders ausweicht und bereits früher infizierte Leute noch mal infizieren könne“. Nach Angaben der WHO haben sich sowohl diese als auch die in England entdeckte Variante des Virus im Hinblick auf Ansteckungswege oder Schwere der Erkrankung kaum oder gar nicht anders verhalten als das zuerst identifizierte Virus.

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Wirken die Corona-Impfstoffe auch gegen das südafrikanische Virus?

Theoretisch wäre es denkbar, dass Veränderungen am Spikeprotein von Sars-CoV-2 dazu führen, dass die gebildeten Antikörper nicht mehr binden können. Der Impfstoff wäre damit unwirksam. Simon Clarke, Professor für Mikrobiologie an der University of Reading befürchtete etwa, dass die Mutationen das Virus „weniger anfällig für die von den Impfstoffen ausgelöste Immunreaktion machen“ könnten, sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. Doch bislang gibt es noch keine Hinweise darauf. Forscher sind optimistisch, dass das auch so bleibt. Denn der Immunantwort eines Geimpften ist gar nicht so leicht zu entkommen.

Das liegt unter anderem daran, dass Menschen nach der Corona-Impfung nicht nur eine einzelne Art schützender Antikörper gegen das Spikeprotein herstellen, sondern viele verschiedene, wie Drosten im NDR-Podcast erklärte. Fachleute sprechen von polyklonalen Antikörpern. Dieser Antikörpermix kann an einer Vielzahl von Bindestellen am Spikeprotein angreifen. Deshalb dürften einzelne Veränderungen an diesem Protein erst einmal wenig Auswirkungen haben.

Sehr viel spreche dafür, „dass die Veränderungen bisher bei Weitem nicht so substanziell sind, dass die jetzt kommenden Impfstoffe nicht wirken“, sagt auch Hajo Zeeb, Leiter der Abteilung Prävention und Evaluation am Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie in Bremen. Zudem gebe es durchaus Limits, wie stark sich das Spikeprotein verändern kann, erklärte Adam Lauring, Experte für die Evolution von RNA-Viren an der US-amerikanischen Universität Michigan, kürzlich in einem Podcast: „Es hat nicht unbegrenzt viele Möglichkeiten, durch Veränderungen den Antikörpern zu entkommen, weil es ja immer noch seine Aufgabe erfüllen muss.“ Dazu gehört es, sich an Körperzellen zu binden und dem Virus das Eindringen zu ermöglichen.

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Drosten betont noch einen weiteren Aspekt: „Die Immunität läuft nicht nur über Antikörper.“ Sogenannte T-Zellen, die ebenfalls Teil des menschlichen Immunsystems sind, hätten andere Bindestellen als Antikörper. Die Bindestellen der T-Zellen seien am Anfang einer Epidemie oft noch gar nicht von solchen Mutationen betroffen. Die meisten Impfstoffe riefen wohl auch eine ganz gute T-Zell-Immunität hervor, so Drosten.

Biontech-Chef Ugur Sahin und der Professor für Medizin an der University of Oxford, John Bell, sagten gegenüber Reuters, dass sie Tests mit den Virusvarianten 501.V2 und B.1.1.7 durchführten. Demnach könnten sie die Vakzine – falls notwendig – in etwa sechs Wochen optimieren, um die Wirksamkeit der Impfstoffe gegen die Virusmutation zu verbessern.

RND/bk mit Material von dpa

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