Studie zu brasilianischer Corona-Variante: Was P.1 so gefährlich machen könnte

Brasilien bleibt Pandemie-Hotspot: Das Gesundheitssystem ist in der Amazonas-Metropole Manaus zusammengebrochen, insgesamt hat Corona bisher eine Viertelmillion Todesopfer gefordert.

Brasilien bleibt Pandemie-Hotspot: Das Gesundheitssystem ist in der Amazonas-Metropole Manaus zusammengebrochen, insgesamt hat Corona bisher eine Viertelmillion Todesopfer gefordert.

Während die Virusvariante B.1.1.7 in Europa eine dritte Infektionswelle im Frühjahr befürchten lässt, verbreitet sich von Brasilien aus zeitgleich eine weitere Corona-Mutante. Auch diese Variante, P.1 genannt, unterscheidet sich mit einer Reihe Mutationen vom Sars-CoV-2-Wildtyp. Forscher klassifizieren sie als besorgniserregend. Denn P.1 könnte übertragbarer sein und den Impfschutz verringern. Bereits mit dem Virus Infizierte könnten sich zudem erneut anstecken, weil der erworbene Immunschutz bei dieser Variante geringer ausfällt. Zu diesem Ergebnis kommt auch eine Ende Februar veröffentlichte neue Studie, die epidemiologische Daten zur Mortalität und Genomanalysen zusammenbringt.

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Ein interdisziplinäres Forscherteam brasilianischer und britischer Forscher resümiert in der bislang als noch zu begutachtendes Preprint veröffentlichten Analyse: Die Variante P.1 sei um den Faktor 1,4- bis 2,2-mal übertragbarer einzuschätzen. Und es sei zu 25 bis 61 Prozent wahrscheinlich, sich mit dieser mutierten Variante nach bereits überstandener Infektion mit dem Wildtyp von Sars-CoV-2 anzustecken. Denn P.1 besitzt wahrscheinlich die Fähigkeit, sich der schützenden Immunität durch eine frühere Corona-Infektion zu entziehen. Es brauche aber weitere Studien, um die Eigenschaften von P.1 näher bestimmen zu können, räumt das Team vom Centre for Arbovirus Discovery, Diagnostics, Genomics and Epidemiology ein.

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Manaus: Trugschluss Herdenimmunität

Aufmerksam wurden Wissenschaftler auf die neue Mutante, weil es in der brasilianischen Amazonas-Metropole Manaus Ende 2020 plötzlich sehr viele Neuinfizierte, Covid-19-Patienten und Tote gab. Das überraschte, denn zuvor gingen Forscher noch davon aus, dass in Manaus bereits eine natürlich Herdenimmunität entstanden sein könnte. Ein Großteil der Bevölkerung hatte sich bereits mit Sars-CoV-2 infiziert. Diese These galt mit der neuen Infektionswelle als widerlegt. Nach Weihnachten und Silvester brach das Gesundheitssystem wegen der enormen Zunahme Schwererkrankter zusammen.

Inzwischen kämpfen viele weitere Bundesstaaten in Brasilien mit wieder zunehmenden Infektionen und Erkrankten. Vielerorts wurden erneut Lockdown-Maßnahmen umgesetzt, Ausgangsbeschränkungen verhängt und Bars, Restaurants, Shoppingzentren und Schulen bis vorerst zum 15. März geschlossen. Am Donnerstag (25. Februar) hatte Brasilien als zweites Land der Welt die Schwelle von einer Viertelmillion Corona-Toten überschritten. In jeder der vorangegangenen fünf Wochen hatte das Land im Durchschnitt täglich mehr als 1000 Todesfälle verzeichnet.

Die Studienergebnisse lassen vermuten, dass die Mutation des Coronavirus diese neuen hohen Infektionszahlen verursacht hat. Die Forscher haben sich Genomproben aus Manaus vom November 2020 und Januar dieses Jahres angeschaut. Sie konnten zeigen, dass P.1 Anfang November entstanden ist und dem eine schnelle molekulare Evolution vorausging. Die Linie P.1 hat demzufolge 17 Mutationen erworben – was für Coronaviren vergleichsweise viel ist. „In den Wochen und Monaten seit der Entstehung hat sie sich auf mehrere andere Staaten in Brasilien ausgeweitet“, schreiben die Studienautoren. Die Muster der Verbreitung seien durch den Flugverkehr im Land nachzuvollziehen.

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Immunantwort und Transmission: Forscher schauen auf Mutationen im Spike-Protein

Relevant seien insbesondere drei festgestellte Mutationen im Spike-Protein. An diesem setzt auch die Technologie der zugelassenen Impfstoffe gegen Covid-19 an. Die Mutationen könnten mit einer erhöhten Bindung an den menschlichen ACE2-Rezeptor assoziiert werden, heißt es in der Studie. Sprich: Mit ihnen könnte eine höhere Übertragbarkeit (Transmission) zusammenhängen. Zwei dieser Mutationen wurden auch in anderswo in der Welt kursierenden Varianten festgestellt:

  • E484K: Diese Genveränderung wurde auch in der südafrikanischen Variante festgestellt und in einigen aufgespürten Fällen in Großbritannien. Sie steht im Verdacht, die Immunantwort durch schützende Antikörper zu verringern. Ein Immunschutz nach einer natürlichen Infektion oder auch nach einer Corona-Impfung könnte also bei einer Ansteckung mit den neuen Varianten geringer ausfallen. Aussagekräftige Studien dazu stehen aus.
  • N501Y: Diese Mutation wurde auch in der britischen und südafrikanischen Variante festgestellt. Sie steht im Verdacht, das Virus ansteckender zu machen, also die Übertragbarkeit zu erhöhen. Auch dies bedarf weiterer Untersuchungen.

Die brasilianische Variante verbreitet sich auch außerhalb der Landesgrenzen – bis nach Europa. In Großbritannien sind zuletzt weitere sechs Fälle der P.1-Variante entdeckt worden. Einer der Fälle betrifft eine Person, die bislang nicht aufgespürt wurde. Direktflüge zwischen Brasilien und Großbritannien sind ausgesetzt. Die neu entdeckten Fälle wurden auf Personen zurückgeführt, die Anfang Februar über andere europäische Staaten aus Brasilien nach Großbritannien gelangten. Nun soll mithilfe von Massentests herausgefunden werden, ob sich die Variante bereits verbreitet hat. In Deutschland ist die brasilianische Variante dem Robert Koch-Institut (RKI) zufolge nur vereinzelt mittels spezifischer PCR-Diagnostik nachgewiesen worden.

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