Intensivmediziner fordern Lockdown: „Die Lage ist wirklich dramatisch“

Ein Intensivpfleger arbeitet auf einer Intensivstation an einem Covid-19-Patienten.

Ein Intensivpfleger arbeitet auf einer Intensivstation an einem Covid-19-Patienten.

Der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), Prof. Gernot Marx, zeigte sich enttäuscht über die Entscheidung von Bund und Ländern, den für Montag geplanten Corona-Gipfel abzusagen. „Ich kann nur hoffen, im Sinne der Versorgung der Bürgerinnen und Bürger und auch insbesondere für die Intensivmedizin, dass stattdessen entsprechende Entscheidungen gefällt werden – und zwar sehr zeitnah“, mahnte er am Freitag. „Wir brauchen jetzt Entscheidungen von den politisch Verantwortlichen.“

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Marx forderte erneut einen harten und sofortigen Lockdown für zwei bis drei Wochen sowie ein „bundeseinheitliches Vorgehen“. Angesichts eines ungebremsten und dramatischen Anstiegs von Covid-19-Patienten sei „keine Zeit für Öffnungsmodelle“. „Es brennt. Die Lage ist wirklich dramatisch. Jeder Tag zählt“, warnte er.

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Bettenkapazitäten könnten in zehn Tagen erschöpft sein

Am Donnerstag verzeichnete die Divi 4474 Corona-Patienten, die in 1280 Kliniken intensivmedizinisch behandelt werden müssen. 57 Prozent von ihnen werden künstlich beatmet. Die Zahl der freien Intensivbetten bezifferte der Verband mit knapp 3000, rund 20.800 Betten sind derzeit belegt. Laut Divi könnten die noch freien Intensivbetten in zehn Tagen erschöpft sein, wenn sich das Infektionsgeschehen derart fortsetzt. Es gebe zwar bundesweit eine Notfallreserve von rund 10.000 Betten, allerdings könnten diese nicht in den Intensivstationen und auch nicht mit Intensivpflegepersonal betreut werden.

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Sollten keine weiteren Maßnahmen ergriffen werden, um das Infektionsgeschehen unter Kontrolle zu bringen, droht die dritte Corona-Welle über die zweite hinauszuwachsen. „Die Lage spitzt sich zu, die Zeit drängt“, sagte Marx. Die Divi rechnet damit, dass Ende April bereits mehr als 5000 Covid-19-Patienten auf den Intensivstationen behandelt werden müssen. Rund 500 Kliniken würden schon jetzt keine Covid-19-Patienten mehr aufnehmen, berichtete Prof. Christian Karagiannidis, medizinisch-wissenschaftlicher Leiter des Divi-Intensivregisters.

Zunehmend jüngere Covid-19-Patienten auf Intensivstationen

Um die Versorgung der intensivpflichtigen Corona-Patienten aufrechtzuerhalten, müssen einige Kliniken zudem wieder planbare Eingriffe reduzieren. Zu diesem Vorgehen ist auch die Berliner Charité ab kommender Woche gezwungen. Dort behandeln Ärzte zunehmend jüngere Patienten. 30 Prozent der Covid-19-Patienten auf den Intensivstationen seien zwischen 35 und 59 Jahre alt, sagte Prof. Steffen Weber-Carstens, medizinisch-wissenschaftlicher Leiter des Divi-Intensivregisters und Intensivmediziner an der Charité.

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Intensivmediziner Marx kritisiert Absage von Corona-Gipfel: „Die Zeit drängt.“

Gernot Marx, Chef der deutschen Intensivmediziner, kritisiert im Videointerview die Absage des Corona-Gipfels und legt die aktuellen Probleme offen.

Diese Beobachtung hat auch Divi-Präsident Marx gemacht. Er führt diese Entwicklung auf die fortschreitenden Impfungen zurück. Während die Mehrheit der über 80-Jährigen bereits vollständig immunisiert ist, wartet eine Vielzahl der 40- bis 70-Jährigen noch auf eine Corona-Impfung. Dadurch haben sie ein höheres Risiko, sich mit Sars-CoV-2 zu infizieren und schwer zu erkranken. Marx’ Appell: „Wir brauchen mehr Zeit fürs Impfen. Wir müssen die Infektionszahlen nach unten drücken.“

Corona-Intensivpatienten müssen länger behandelt werden

Dass sich jetzt vor allem jüngere Menschen mit dem Coronavirus infizieren, ist unter anderem der britischen Coronavirus-Variante B.1.1.7 geschuldet. Diese ist nach bisherigen Erkenntnissen nicht nur leichter übertragbar, sondern geht auch mit einem höheren Hospitalisierungs- und Sterberisiko einher. Dadurch müssten Covid-19-Patienten mittlerweile länger intensivmedizinisch behandelt werden, sagte der Berliner Intensivmediziner Weber-Carstens.

Nicht nur die Auslastung der Intensivstationen bereitet den Medizinern Sorge, sondern auch die steigenden Corona-Fallzahlen. 1,4 bis 3 Prozent der Infizierten müssten später intensivmedizinisch behandelt werden, erläuterte der ehemalige Divi-Präsident, Prof. Uwe Janssens. Alleine am Freitag hat das Robert-Koch-Institut mehr als 25.000 Neuinfektionen gemeldet. Diese Fallzahlen würden rund zwei Wochen später zu etwa 350 bis 750 neuen Intensivpatienten mit Covid-19 führen. Eine Auslastung der Intensivbetten müsse jetzt „mit allen Mitteln verhindert werden“, so Janssens.

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