Corona-Lage auf dem Balkan: Serbiens gute Versorgung lockt Zehntausende Impftouristen an
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In Serbien ist die Impfkampagne gut angelaufen. Der Balkanstaat nutzt den chinesischen Impfstoff Sinopharm (Symbolbild).
© Quelle: imago images/Xinhua
Sie waren kurz entschlossen. Als Boris M. hörte, dass ein paar Amerikaner, die in Sarajevo leben, am Wochenende zum Impfen nach Belgrad fahren, plante auch er sein Wochenende um. Mit zwei Freunden fuhr er nach Belgrad. Denn vor zwei Wochen war bekannt geworden, dass eine Lieferung des Astrazeneca-Impfstoffs ablaufen würde, wenn er nicht schnell verimpft wird. In Serbien gibt es nämlich wenig Lagermöglichkeiten und die interne Nachfrage nach den Impfungen ist zuletzt abgeflaut.
Besonders aus den Nachbarstaaten Bosnien-Herzegowina, Montenegro und Nordmazedonien reisen und reisten in den vergangenen Wochen viele Menschen in die serbische Hauptstadt, um sich immunisieren zu lassen. Denn während es in Serbien sehr einfach ist, eine Impfung zu bekommen, ist das in den Nachbarstaaten, die sich auf das Covax-Beschaffungssystem der WHO verlassen haben, kaum möglich.
In Bosnien-Herzegowina etwa, sind erst so wenig Menschen geimpft worden, dass dies noch nicht einmal in der Statistik erscheint. Die serbische Regierung hingegen hat ein sehr effizientes und leicht zugängliches Impfmanagement aufgebaut. Auf dem Messegelände in Belgrad ist die größte Impfstraße. Wegen des Massenansturms muss man zuweilen ein paar Stunden warten. Doch obwohl Boris M. und seine Freunde erst am Nachmittag eintrafen, hatten sie Glück, denn als Vorangemeldete waren sie schnell an der Reihe.
Bis zum Ende der vorigen Woche haben 39.000 Ausländer in Serbien eine Impfung bekommen, die meisten von ihnen kommen aus den Nachbarstaaten, doch es reisen auch Leute aus den Niederlanden, Österreich und Italien an. Viele melden sich auf der Homepage an, um sich vormerken zu lassen. Da es notwendig ist, dort eine serbische Telefonnummer anzugeben, greifen viele auf Telefonnummern von Freunden in Serbien zurück. Die Rückmeldung auf die Anmeldung erfolgt jedoch ohnehin per E-Mail. Deshalb ist die Telefonnummer nicht so wichtig.
Zuletzt war es auch möglich, dass Leute, die sich nicht vorangemeldet haben, einen Termin bekommen. Es gab aber auch bereits Zeiten, in denen der Zugang nur jenen gewährt wurde, die eine Aufenthaltserlaubnis in Serbien haben. Vor Ort auf dem Messegelände werden nach einem Aufklärungsgespräch und einer kurzen Anamnese die Daten aufgenommen. Man muss einen Pass vorzeigen und danach erfolgt bereits die Impfung.
Die Corona-Lage in Serbien ist dennoch angespannt
Serbien hat sehr großzügig Impfstoff beschafft – mehr als eine Millionen Vakzine des chinesischen Herstellers Sinopharm wurden bereits verimpft, weitere zwei Millionen sind bestellt. Aber auch jeweils über 100.000 Dosen des russischen Produkts Sputnik V, Biontech/Pfizer und von Astrazeneca wurden bereits an Impfwillige vergeben. Nicht alle können sich aussuchen, welche Vakzine sie bevorzugen, den meisten Serben wird Sinopharm gegeben, in den großen Städten ist die Auswahl größer.
Die Infektionslage ist in dem kleinen südosteuropäischen Staat mit sieben Millionen Einwohnern allerdings schlecht. Bislang haben zwar bereits 25 Prozent der serbischen Staatsbürger – viel mehr als im EU-Schnitt – mindestens eine Teilimpfung bekommen, aber eine Herdenimmunität ist noch lange nicht in Sicht. Im Gegenteil: Die Infektionsrate ist sehr hoch. Serbien liegt derzeit europaweit an fünfter Stelle, das Nachbarland Montenegro an der ersten.
Die serbische Regierung, die ab Herbst auch im eigenen Land den chinesischen Impfstoff Sinopharm herstellen lassen will, überlegt, ob den Bürgern, die bereits zwei Impfungen mit dem Stoff bekommen haben, noch eine dritte verabreicht werden könnte. Schließlich gibt es Zweifel an der Wirksamkeit dieses Impfstoffs. Offen ist auch, ob Sinopharm von der Europäischen Arzneimittelbehörde zugelassen wird und die Sinopharm-Geimpften in Europa reisen können.