„Ich sterbe lieber ohne Impfung“: Falschinformationen bremsen Kampf gegen Corona in Peru

Eine Gesundheitshelferin verabreicht Justina Diaz eine Dosis des Corona-Impfstoffs Sinopharm.

Eine Gesundheitshelferin verabreicht Justina Diaz eine Dosis des Corona-Impfstoffs Sinopharm.

Lima. Infos zur Corona-Impfung? Für Maribel Vilca kam nicht einmal die Veranstaltung in ihrer indigenen Dorfgemeinschaft dazu infrage. Die 38-jährige Peruanerin weigerte sich hinzugehen, so verwurzelt sind Misstrauen und Angst. „Was passiert, wenn ich nach der Impfung sterbe? Ich habe kleine Kinder“, umreißt Vilca ihre Ablehnung. Das Vertrauen in das Gesundheitssystem ihres Landes ist bei der Frau aus der Nähe des Titicacasees nicht groß, damit hat sie in zwei Schwangerschaften keine guten Erfahrungen gemacht.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Mit ihrer Impf-Skepsis ist Vilca bei den Indigenen in Peru in bester Gesellschaft. Die indianischen Volksgruppen machen rund ein Viertel der 33 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner aus, und während insgesamt gut 55 Prozent der Peruanerinnen und Peruaner mindestens eine Corona-Impfung erhalten haben, sind es bei den Indigenen gerade einmal 25 Prozent.

Schwierige Verteilung und tiefsitzendes Misstrauen

Das liegt zwar nach Angaben der Behörden auch an der schwierigen Verteilung des Impfstoffs in abgelegenen Regionen in den Anden oder am Amazonas, wo viele der Ureinwohnerinnen und Ureinwohner leben. Vertretende der Indigenen beklagen zudem eine mangelnde Koordinierung seitens der Regierung.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Doch dass auch ein grundlegendes Misstrauen gegenüber den staatlichen Behörden den Impffortschritt bremst, ist nicht zu leugnen. Die Vergangenheit hat viele Ureinwohnende Wachsamkeit gelehrt: Sie erinnern sich etwa an ein Regierungsprojekt, bei dem unter der Präsidentschaft von Alberto Fujimori zwischen 1990 und 2000 rund 273.000 indigene Frauen sterilisiert wurden.

Verschwörungstheorien unter den Indigenen

Die tiefsitzende Skepsis öffnet nun Gerüchten und Verschwörungsfantasien über die Vakzine Tür und Tor. Diese verbreiten sich in den sozialen Medien, im örtlichen Radio oder von Mund zu Mund. Von Mikrochips, die beim Spritzen eingepflanzt werden, ist ebenso die Rede wie von furchtbaren Nebenwirkungen.

Am häufigsten höre er Warnungen vor Mikrochips und dass die Vakzine Frauen unfruchtbar machen, die Manneskraft schwächen oder zu einem frühen Tod führen würden, sagt Julio Mendigure, der im Gesundheitsministerium für indigene Angelegenheiten zuständig ist. Andere glaubten, dass die Impfstoffe ein Magnetfeld aufbauten, das Metall anziehe oder Telefonsignale verstärke, berichtet Krankenschwester Marina Checalla.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Rotes Kreuz konnte einige Indigene zur Impfung überzeugen

Um das Schild des Misstrauens zu durchbrechen, hat die Regierung umgerechnet mehr als fünf Millionen Euro für eine Aufklärungs- und Werbekampagne in den Amazonas-Gebieten freigegeben. Und sie hat sich Hilfe beim Roten Kreuz geholt, das von seinem guten Ruf in den ländlichen Regionen profitiert. Seit August wurden so Rot-Kreuz-Mitarbeitende und freiwillige Helferinnen und Helfer in gut 60 Gemeinden geschickt, um sich den Fragen der Menschen in den jeweiligen Sprachen zu stellen.

Von 1777 Männern und Frauen, mit denen sie sprechen konnten, hätten sich 70 Prozent schließlich impfen lassen, sagt Rot-Kreuz-Koordinator Paul Acosta. Doch der Erfolg ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Und eben bei weitem nicht alle konnten die Helferinnen und Helfer überzeugen.

Von Manipulation durch Reiche bis hin zu Zombies

„Ich sterbe lieber ohne Impfung“, hielt etwa Josefa Espinoza aus Santa Cruz de Mijani in der Region Puno den Rot-Kreuz-Mitarbeitenden entgegen. Denn sie habe gehört, dass es neben guten Impfstoffen auch tödliche gebe. Sie glaube, dass das Virus „von reichen Ländern“ in einem Labor geschaffen worden sei, sagt die 54-Jährige. Eine neue Variante könnte dann von Flöhen, Bienen und Schlangen übertragen werden, fürchtet sie. „Die Reichen werden uns manipulieren und das macht mir Angst“, erklärt sie.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

In San Antonio de Putina berichtet Alicia Chura, dass sie im Lokalradio gehört habe, die Impfstoffe würden älteren Menschen gespritzt, um sie zu töten, weil sich das Land fülle. Und Bootsmann Joal Huilca vom Titicacasee kennt die Warnungen vor Mikrochips: „Sie sagen, es macht dich zu einem Zombie“, erklärt er zu den Impfungen. „Sie setzen einen Chip ein und wissen, wohin du gehst und was du machst.“

200.000 Corona-Tote in Peru

Für Krankenschwester Marina Checalla, die in den Dörfern gegen Fehlinformationen und Gerüchte kämpft, ist das frustrierend. Zu ihrer Informationsveranstaltung in Jochi San Francisco – dem Treffen, zu dem sich Maribel Vilca nicht gewinnen ließ – kamen etwa 70 Menschen. Nur 30 von ihnen ließen sich danach eine Spritze geben. Die Gerüchte versperrten einfach den Weg zu den Leuten, beklagt Checalla.

Mehr als 200.000 Corona-Tote hat Peru bislang insgesamt gemeldet – im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung steht es damit weltweit ganz vorne in der traurigen Statistik. Die offiziellen Zahlen zu Infektionen und Todesfällen bei der indigenen Bevölkerung liegen jedoch weit unter dem Landesdurchschnitt. Vielleicht auch deshalb lassen sich viele nicht von der Dringlichkeit einer Impfung überzeugen.

RND/AP

Mehr aus Gesundheit

 
 
 
 
 
Anzeige
Anzeige
Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Outbrain UK Ltd, der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.

 

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.

Verwandte Themen

Letzte Meldungen

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Spiele entdecken