Wie gut schützt die Corona-Impfung ältere Menschen?
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Siegrid Becsei (84) bekommt als erste Bewohnerin vom Pflegeheim „Esther“ der Hoffnungstaler Stiftung Lobetal eine Corona-Schutzimpfung.
© Quelle: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/ZB
Berichte, wonach die Corona-Impfung von Astrazeneca in höheren Altersgruppen nur zu 8 Prozent wirksam sei, beruhen offenbar auf einem Missverständnis. Nicht nur bei den Vakzinen von Astrazeneca, auch bei anderen Impfungen gegen das Virus bleibt aber bisher unklar, wie gut sie die Hauptrisikogruppe der älteren Menschen wirklich vor einer Erkrankung schützen.
Dass Impfungen bei älteren Menschen weniger gut wirken, ist ein Problem, das auch von anderen Immunisierungen bekannt ist. So ist etwa die Wirkung der Grippeimpfung bei Älteren deutlich herabgesetzt. Laut Robert-Koch-Institut hat diese bei jüngeren Menschen eine Schutzwirkung von etwa 80 Prozent, in der Gruppe der über 60-Jährigen aber nur noch eine Schutzwirkung von etwa 50 Prozent. Dabei wird die Impfung vor allem für Senioren empfohlen: Wie auch beim Coronavirus drohen schwere Verläufe der Grippe und Komplikationen vor allem in der Gruppe der Hochbetagten.
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Immunsystem reagiert im Alter anders
Der Grund dafür, dass ältere Menschen schlechter auf Impfungen ansprechen und gleichzeitig anfälliger für viele Krankheiten sind, sind Veränderungen des Immunsystems. Mit zunehmendem Alter funktioniert die körpereigene Abwehr weniger gut. Einige Immunreaktionen fallen schwächer aus und es werden weniger Antikörper gegen unbekannte Erreger gebildet. Bei anderen Teilen des komplexen Immunsystems sind überschießende Reaktionen möglich, die nach einer Infektion Entzündungen und Komplikationen auslösen, auch bei älteren Patienten mit Covid-19 wurde das beobachtet.
Um Todesfälle zu verhindern, gilt es speziell die Gruppe der Älteren mit einer Impfung zu schützen, das mittlere Alter der an und mit Corona Verstorbenen liegt in Deutschland bei 84 Jahren. In die Zulassungsstudien der bisher eingesetzten Corona-Vakzine wurden aber so wenig Menschen in diesem Alter eingeschlossen, dass der zu erwartende Impfschutz bei ihnen nicht ermittelt werden konnte.
Mittleres Alter der Probanden lag bei 52 Jahren
So geben Biontech/Pfizer in den Zulassungsstudien zu ihrem mRNA-Impfstoff Comirnaty eine Wirkung von 95 Prozent für Personen „ab 16 Jahren oder älter“ an. Das mittlere Alter der Studienteilnehmer lag bei gerade einmal 52 Jahren. An der Studie hatten zwar auch ältere Menschen teilgenommen, ihre Anzahl war aber zu gering, um die Wirkung in höheren Altersgruppen statistisch signifikant zu bestimmen.
Zusätzliche Auswertungen würden darauf hindeuten, dass die Wirksamkeit in verschiedenen Altersgruppen „im Allgemeinen konstant sei“, heißt es in der Veröffentlichung. Die Wirksamkeit in verschiedenen Altersgruppen lasse sich anhand der Studie aber „nicht definitiv beurteilen“.
Moderna hingegen hatte in seiner Zulassungsstudie gezielt die Wirksamkeit seiner mRNA-Impfung in der Gruppe der über 65-Jährigen bestimmt. Im Vergleich zur Gesamtgruppe der Geimpften, in der ein Impfschutz von 94,5 Prozent erreicht wurde, sank die Wirksamkeit bei ihnen: Sie waren nur noch zu 86 Prozent geschützt. Wie stark die Wirksamkeit in noch höheren Altersgruppen abnimmt, wurde nicht bestimmt.
Hoher Schutz nur in der Gruppe der Jüngeren
Bei Astrazeneca machte nun die Falschmeldung von einer kaum vorhandenen Wirksamkeit in höheren Altersgruppen die Runde. Dabei hatte es sich offenbar um eine Verwechslung von Zahlen gehandelt. Richtig ist aber: Auch die Studiendaten von Astrazeneca lassen darauf schließen, dass die Wirkung der Impfung in höheren Altersgruppen niedriger ist.
So hatte der Konzern zwei verschiedene Angaben zur Wirksamkeit seines Vektorimpfstoffs veröffentlicht. In einer ersten Gruppe, die im Abstand mehrerer Wochen zwei volle Impfdosen erhalten hatte, lag diese bei 62 Prozent. In einer zweiten Gruppe, die versehentlich zunächst eine halbe und später eine ganze Impfdosis erhalten hatte, wurde eine Wirksamkeit von 90 Prozent erzielt. Das schien zunächst überraschend. Wie sich herausstellte, waren in der Gruppe mit 90 Prozent Wirksamkeit aber keine Probanden im Alter über 55 Jahre vertreten. Die Impfung könnte also auch deshalb deutlich besser gewirkt haben, weil die Probanden jünger waren. Dass in der Gruppe mit einem Anteil älterer Probanden die Wirksamkeit mit 62 Prozent weit niedriger lag, deutet auf einen geringeren Impfschutz bei dieser Personengruppe hin.
Astrazeneca könnte für ältere Menschen besser verträglich sein
Wenn die Impfung von Astrazeneca bei älteren Menschen unzureichend wirken sollte, wäre das eine schlechte Nachricht. Denn speziell der Vektorimpfstoff von Astrazeneca scheint bei ihnen nur selten Nebenwirkungen auszulösen, er könnte womöglich besser verträglich als die mRNA-Impfstoffe sein. So wird von den Gesundheitsbehörden in Norwegen bereits seit einigen Tagen empfohlen, die Nutzen und Risiken der mRNA-Impfungen bei älteren Menschen mit schweren Vorerkrankungen besser abzuwägen. Im Anschluss an die Impfungen waren dort 23 Todesfälle aufgetreten, und die Behörden hielten einen Zusammenhang in einigen Fällen für möglich. In Deutschland sollen Todesfälle im zeitlichen Zusammenhang mit den mRNA- Impfungen noch weiter beobachtet werden.
Mutationen könnten Impfschutz zusätzlich reduzieren
Um die Schutzwirkung von Corona-Impfungen in der Hauptrisikogruppe der älteren Menschen besser beurteilen zu können, wären weitere Studien nötig. Nur so wäre es möglich, für jede Altersgruppe die passende Impfempfehlung zu geben, wenn immer mehr Impfstoffe eine Zulassung erlangen. Die versprochenen Wirksamkeiten von über 90 Prozent werden sich aber wohl in der besonders gefährdeten höchsten Altersgruppen kaum erreichen lassen. Erst recht nicht, wenn Mutationen den Impfschutz weiter reduzieren. Die Impfungen können also dazu beitragen die Sterblichkeit und die Zahl der schweren Verläufe zu senken. Absolute Sicherheit werden sie aber speziell älteren Menschen wohl nicht bieten können.