Impfstoff im Eilverfahren: Wie sicher sind die neuen Corona-Vakzine?

Impfstoff in der Schnellentwicklung: Wie sicher und wirksam ist das Vakzin?

Impfstoff in der Schnellentwicklung: Wie sicher und wirksam ist das Vakzin?

Hannover. Das Mainzer Unternehmen Biontech und der US-Konzern Pfizer dürfen ihren gemeinsam entwickelten Corona-Impfstoff ab sofort in Deutschland an Menschen testen, das hat das Paul-Ehrlich-Institut genehmigt. Es handelt sich hierbei um die letzten Testphasen vor der der Zulassung – in einem absoluten Eilverfahren. Normalerweise würden solche Studien erst nach mehreren Jahren Forschung stattfinden. Erst wenn umfangreiche Daten zu einem neu entwickelten Wirkstoff vorliegen, wird er an einer großen Anzahl von Menschen getestet. Und nur wenn sich dabei zeigt, dass er gut verträglich und wirksam ist, ist die Zulassung möglich. Doch um einen Corona-Impfstoff ist ein weltweites Wettrennen entbrannt. Jeder will möglichst der Erste auf dem Markt sein. Aber wie gut lassen sich Sicherheit und Wirksamkeit auf die Schnelle belegen?

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Nach zahlreichen Erfolgsmeldungen gab es nun auch den ersten kleineren Rückschlag. Pharmakonzern AstraZeneca stoppte die letzte Testphase seines Corona-Impfstoffs. Einer der Probanden ist offenbar erkrankt. Der Konzern spricht jedoch von einer Routinemaßnahme wegen “einer potenziell ungeklärten Krankheit”.

Sars-CoV-2 ist ein neuartiges Virus und längst nicht vollständig erforscht. Was die Immunantwort des Körpers betrifft, gibt es noch viele offene Fragen. Die Entwicklung einer wirksamen Vakzine ist daher alles andere als einfach. Noch dazu funktionieren viele Impfstoffkandidaten nach einem völlig neuartigen Prinzip: Es handelt sich um sogenannte Gen-Impfstoffe. Diese enthalten keine abgeschwächten oder abgetöteten Viren wie andere Impfungen und auch keine Virenbestandteile. Stattdessen werden Virusgene verimpft. Der Körper produziert daraufhin selbst einzelne Bauteile des Erregers, was die Reaktion des Immunsystems auslöst.

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Der Pharmakonzern AstraZeneca hat die sogenannte Phase-III-Studie mit Tausenden Versuchspersonen vorerst gestoppt.

Virusgene sind für die DNA nicht ungefährlich

Gen-Impfstoffe sind nicht unumstritten. Vor allem, wenn die Virusgene dabei in Form von DNA eingeschleust werden, besteht theoretisch die Gefahr, dass diese in die DNA in menschlichen Zellkernen aufgenommen werden, sagt Carlos A. Guzman, Professor am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig (HZI). Befürchtet wird, dass DNA-Impfstoffe dadurch die Entstehung von Tumoren begünstigen oder Autoimmunkrankheiten auslösen könnten. Laut Paul Ehrlich Institut sind DNA-Impfstoffe bisher nur bei Pferden und Lachsen zugelassen.

Weniger bedenklich sind nach Guzmans Einschätzung Impfstoffe, die die Erbinformation der Viren in Form von mRNA enthalten. “Das Risiko einer Impfung mit RNA wird gering eingeschätzt, denn sie gelangt nicht in den Zellkern und wird relativ schnell abgebaut”, sagt der Impfstoffexperte. Zur Gruppe der mRNA gehören unter anderem der Kandidat von Biontech und Pfizer, eine Entwicklung des Tübinger Herstellers Cure Vac und ein Impfstoff des US-Unternehmens Moderna. Nebenwirkungen sind bei mRNA-Impfstoffen aber auch andere möglich. So hatte Moderna bereits im Frühjahr damit begonnen, seinen mRNA-Impfstoff an Menschen zu testen. Wie aus einer Veröffentlichung im “New England Journal of Medicine” hervorgeht, traten damals bei drei von 15 Probanden, die die höchste Dosierung erhielten, schwere systemische Nebenwirkungen auf. Ein 29-jähriger Versuchsteilnehmer aus Seattle berichtete dem amerikanischen Wissenschaftsmagazin “Stat”, dass er mit hohem Fieber die Notaufnahme aufsuchen musste und später zu Hause ohnmächtig zusammenbrach. Moderna senkte nach diesen Vorfällen die Dosis und testet aktuell mit einer größeren Anzahl Versuchsteilnehmer weiter.

Wirksamkeit lässt sich nur schwer abschätzen

Zur Wirksamkeit der neuen mRNA-Impfungen, aber auch aller anderen möglichen Impfstoffe gilt: Sie lässt sich nur schwer abschätzen. Vor allem dann, wenn im Schnelldurchgang getestet wird. Denn in den Studien wird nur geprüft, ob eine Impfung die Produktion von Antikörpern anregen kann. Nicht klar ist aber, wie hoch der Gehalt an Antikörpern im Blut sein muss, um eine Ansteckung mit dem Virus sicher zu verhindern. Der Antikörperspiegel soll nach der Impfung mit dem Wirkstoff von Biontech und Pfizer höher als bei Infizierten liegen – bei denen man von einem zumindest vorübergehenden Immunschutz ausgeht. Allerdings wurde beobachtet, dass der Antikörperspiegel bei ehemals Infizierten sehr schnell wieder abfällt. Wie lange Antikörper nach einer Impfung im Blut erhalten bleiben, müsste über einen längeren Zeitraum beobachtet werden. Doch dafür sind offenbar keine Studien vor der Zulassung vorgesehen. So kündigten Biontech und Pfizer an, schon im Oktober eine Zulassung ihres Wirkstoffs beantragen zu wollen.

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Zudem spielen bei der Abwehr von Coronaviren nicht nur Antikörper, sondern auch bestimmte Zellen des Immunsystems eine wichtige Rolle: die T-Lymphozyten, kurz T-Zellen. Laut Biontech soll der entwickelte Impfstoff zwar auch die T-Zellen-Bildung anregen. Aber hierbei ist ebenfalls nicht genau bekannt, wie stark diese für einen guten Immunschutz ausfallen muss. Ein gestörte und überschießende T-Zellen-Reaktion soll außerdem an schweren Verläufen von Covid-19 beteiligt sein, was bei möglichen Nebenwirkungen zu berücksichtigen ist.

Das Virus kann sich verändern

Noch dazu vergehen vom Beginn der Entwicklung an bis zur Marktreife selbst im Eilverfahren mehrere Monate. In dieser Zeit kann sich das Virus verändern. Mutationen wurden bereits an den Spike-Proteinen der Coronaviren beobachtet, die wie Stacheln auf dessen Oberfläche sitzen und mit deren Hilfe diese an menschliche Zellen andocken können. Ausgerechnet gegen das Spike-Protein richten sich aber viele der geplanten Impfstoffe.

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Wie hoch der Nutzen eines Impfstoffs ist, dürfte sich tatsächlich erst lange nach seiner Zulassung zeigen: Erst dann lässt sich vergleichen, wie oft Geimpfte im Vergleich zu nicht Geimpften schwer erkranken. Vor allem bei jüngeren Menschen gilt es daher, mögliche Risiken im Eilverfahren zugelassener Impfungen gegen das nur geringe Risiko schwerer Krankheitsverläufe abzuwägen.

Zulassung: Einigen Forschern geht es nicht schnell genug

Einigen Forscher gehen übrigens selbst die weltweit beschleunigten Zulassungsverfahren nicht schnell genug: So hatte der amerikanischer Biologe Preston Estep einen von ihm entwickelten Impfstoff an sich selbst und seiner Familie getestet, bevor Laborstudien oder Tierversuche unternommen wurden. Und ein Schweizer Forscher hatte bereits im März ein Video veröffentlicht, indem er sich einen selbst entwickelten Impfstoff injiziert, ohne ihn vorher zu testen.

Damit sind beide Wissenschaftler zwar ein hohes Risiko eingegangen – die Sicherheit oder Wirksamkeit einer Impfung können solche Selbstversuche allerdings nicht belegen. Tatsächlich haben es beide Impfungen auch noch nicht zur Marktreife geschafft.

RND/dpa

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