Weltweite Impfkampagne: Corona-Vakzine könnten ärmere Länder erst 2023 erreichen
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Mitarbeiter des Gesundheitswesens in Johannesburg bereiten sich auf die Untersuchung von Patienten auf Corona in den Lancet Laboratories vor.
© Quelle: Denis Farrell/AP/dpa
Der Kampf gegen die Corona-Pandemie dauert an. Ärmere Länder müssen voraussichtlich weitere zwei Jahre auf dringend benötigte Impfstoffe warten. Davon gehen Expertinnen und Experten laut „Nature“ aus. Besonders afrikanische Staaten haben derzeit nicht genug Vakzine, um gegen die sich ausbreitende Delta-Variante anzuimpfen.
Brennpunkt der neuen Welle sei Südafrika, wo sich die Fallzahlen alle drei Wochen verdoppelten, teilte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) am Freitag mit. Die Delta-Mutante sei dort inzwischen der vorherrschende Virustyp, auf den mehr als die Hälfte der Neuinfektionen entfielen. „Aber auch in einigen Teilen Brasiliens und ländlichen Gebieten Indiens ist die Situation weiterhin kritisch“, sagt Elisabeth Massute, Politische Referentin bei der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Pläne der Weltgemeinschaft nicht ausreichend
Vergangene Woche hatte die WHO mitgeteilt, dass rund elf Milliarden Impfdosen nötig seien, um die Welt zu immunisieren. Etwa drei Milliarden wurden verteilt. Bis Ende des Jahres könnte die Anzahl auf sechs Milliarden steigen, heißt es in „Nature“ unter Berufung auf eine Studie des Internationalen Währungsfonds.
WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus warnte Anfang Juli, dass ärmere Länder immer noch nicht genügend Impfstoff hätten, um wenigstens 10 Prozent ihrer Bevölkerung bis Ende September zu impfen, während reiche Länder schon deutlich weiter seien. So seien etwa von den geplanten 700 Millionen Dosen erst 65 Millionen auf dem afrikanischen Kontinent eingetroffen. Bisher haben, laut Our World in Data, erst 2,76 Prozent der Menschen in Afrika mindestens eine Impfung erhalten (Stand: 5. Juli). Der Corona-Sonderbeauftragte der Afrikanischen Union (AU), Strive Masiyiwa, kritisiert Anfang Juli, dass keine einzige Dosis die Produktionsstätten in der EU verlassen hat, die nach Afrika ging.
Ab August wird ein Pharmakonzern in Südafrika ein Jahr lang insgesamt 400 Millionen Dosen des Impfstoffs Johnson & Johnson herstellen und auf dem Kontinent sowie an Karibik-Staaten ausliefern. Bis 2022 wollen die G7-Staaten 2,3 Milliarden Dosen an sogenannte Entwicklungsländer verteilen. Die Forscherin Andrea Taylor sagte jedoch gegenüber „Nature“, sie glaube nicht, dass die Versprechen ausreichen, um schneller mehr Vakzine in die ärmsten Länder der Welt abzugeben.
Die Pandemie ist erst vorbei, „wenn sie für alle vorbei ist“
Kurzfristig müssten Impfstoffdosen von reichen Ländern, die zu viel eingekauft hätten, „über Covax abgegeben werden und das so schnell wie möglich“, fordert Elisabeth Massute. Das Covax-Programm will einen weltweit gleichmäßigen und gerechten Zugang zu Covid-19-Impfstoffen gewährleisten. „Leider wurde der Plan dadurch unterminiert, dass einige Länder, auch die USA, Großbritannien und die EU, bilaterale Vorabverträge mit einzelnen Herstellern abgeschlossen haben“, sagt Massute.
Außerdem müsste die Weltgemeinschaft alle möglichen Maßnahmen für eine globale Ausweitung der Impfstoffproduktion unterstützen, fordert die Expertin. Dazu würden neben einer zeitlich begrenzten Patentaussetzung auch ein schnellerer Technologietransfer für die Impfstoffproduktion zählen. Sorge machen die Corona-Varianten. „Es ist in Zukunft nicht ausgeschlossen, dass eine Variation den bisherigen Impfschutz schlimmstenfalls zurückdreht“, sagte Massute. Die Pandemie sei erst vorbei, „wenn sie für alle vorbei ist“.