Corona-Vakzine: Darauf kommt es bei der Impfstoffproduktion an

In dieser Produktionsanlage im belgischen Puurs wird der Impfstoff von Biontech/Pfizer gegen Covid-19 produziert.

In dieser Produktionsanlage im belgischen Puurs wird der Impfstoff von Biontech/Pfizer gegen Covid-19 produziert.

Deutschland wartet auf den Piks. Ab 27. Dezember sollen so viele Menschen wie möglich geimpft werden. Um die dafür nötigen Mengen an Impfstoff herzustellen, produzieren Pharmakonzerne schon seit Längerem auf Hochtouren. Doch die Herstellung von Hunderten Millionen Dosen Impfstoff ist anspruchsvoll – und nicht immer läuft alles wie geplant.

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Bei den ersten Vakzinen, für die eine Zulassung in der Europäischen Union erwartet wird, handelt es sich um mRNA-Impfstoffe. In Deutschland sind die Unternehmen Biontech aus Mainz und Curevac aus Tübingen bereits besonders weit vorangeschritten in der Entwicklung. Der Impfstoff von Biontech war der erste, den die EU zu Beginn der Weihnachtswoche zugelassen hatte. mRNA-Impfstoffe enthalten genetische Informationen des Erregers, aus denen der Körper ein Viruseiweiß herstellt. Ziel der Impfung ist es, den Körper zur Bildung von Antikörpern gegen dieses Protein anzuregen, um dann bei einer späteren Infektion die Viren abzufangen, bevor sie in die Zellen eindringen und sich vermehren.

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Am Sonntag geht es los

Ab Sonntag, 27. Dezember, werden solche Impfstoffe in Deutschland gespritzt werden. Die Produktion findet unter anderem in Europa statt. So hat etwa der US-Hersteller Moderna dafür die Schweizer Firma Lonza und den spanischen Konzern Rovi angeheuert. Die Mainzer Firma Biontech, die mit dem US-Pharmariesen Pfizer zusammenarbeitet, hat Produktionsanlagen in Mainz und Idar-Oberstein. Eine dritte Anlage ist in Vorbereitung.

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Moderna plant, noch in diesem Jahr rund 20 Millionen Impfstoffdosen für den US-Markt zur Verfügung zu stellen, im kommenden Jahr sollen es weltweit bis zu eine Milliarde Dosen sein. Pfizer und Biontech hatten sich bis vor Kurzem noch als Ziel gesetzt, bis Ende 2020 bis zu 100 Millionen Dosen zu produzieren. Mittlerweile haben die Unternehmen die anvisierte Menge halbiert, was auch Folgen für die Verfügbarkeit des Präparats hierzulande haben dürfte.

Was war passiert? Unter anderem seien die klinischen Studien später fertig geworden, sagte Biontech-Mitgründer Ugur Sahin kürzlich der RTL/N-TV-Redaktion. Auch habe es Qualitätsprobleme bei den Rohmaterialien gegeben. „Diese mussten gelöst werden.“

Bislang gibt es vergleichsweise wenig Erfahrung mit der industriellen Produktion von mRNA-Impfstoffen. Schließlich wurde vor der Corona-Pandemie noch nie ein mRNA-Vakzin für den Menschen zugelassen. Entsprechend rar sind Experten dazu gesät. Weder der Verband Forschender Arzneimittelhersteller noch der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie haben dazu nach eigenen Angaben Fachleute. Auch zwei angefragte Unternehmen mit fortgeschrittenen Präparaten äußerten sich nicht zum Herstellungsprozess.

Ein Bauplan des Coronavirus

Grob gesagt erfolgt die Herstellung eines mRNA-Impfstoffs in zwei Schritten. Zunächst muss die mRNA erzeugt werden, also die Boten-RNA (m steht für Messenger, zu Deutsch: Bote). Sie stellt eine Art Bauplan für eine Oberflächenstruktur des Coronavirus Sars-CoV-2 dar. Körperzellen sollen nach der Impfung mithilfe dieses Bauplans das ungefährlich Teilstück des Virus herstellen. Das gaukelt dem Immunsystem einen Virenangriff vor. Als Folge wird die Körperabwehr scharfgemacht, im Idealfall ist der Körper dann vor einer Infektion mit dem Erreger geschützt.

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„Die Herstellung solcher mRNA ist lange bekannt und sehr etabliert“, sagt Thomas Frischmuth, der mit seiner Firma Baseclick selbst an einem mRNA-Impfstoff gegen das Coronavirus arbeitet. Das Verfahren gebe es seit mehr als 30 Jahren. Dabei würden in Bioreaktoren zunächst Bakterien gezüchtet, die ein sogenanntes Plasmid enthalten. Das ist eine Art DNA-Ring, der in diesem Fall bereits einen Teil des Virenbauplans in abgewandelter Form enthält.

Diese Bakteriensuppe wird dann aufgereinigt, sodass nur noch das Plasmid übrig bleibt. Auf dessen Basis stellt dann ein Enzym, eine sogenannte RNA-Polymerase, die mRNA her, die als Bauplan fungieren kann.

Der Knackpunkt ist die „Verpackung“ der mRNA

Kniffliger ist der zweite Schritt: Die mRNA muss in eine Art Hülle verpackt werden, damit sie ihren Weg in die Zellen findet. „Das ist der Knackpunkt“, sagt Frischmuth. Die Hülle, Fachleute sprechen von Lipid-Nanopartikeln, müsse eine bestimmte Größe und Struktur haben. Sie besteht grob aus winzigen Fettmolekülen, die sich um die RNA legen. Das sorgt zum einen dafür, dass die mRNA nicht zu schnell im Körper abgebaut wird. Gleichzeitig hilft die Hülle dabei, dass die mRNA überhaupt erst ins Innere der Zellen gelangen kann.

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Olivia Merkel vom Fachbereich Pharmazeutische Technologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München forscht selbst an solchen RNA-Hüllen. Pharmafirmen nutzen diese Hüllen ihr zufolge bereits, um andere Wirkstoffe zu verpacken. „Neu ist die Kombination mit mRNA“, sagt Merkel.

Minikapseln müssen exakt die richtige Zusammensetzung und Größe haben

Kleinste Mengen der mRNA und Fettmoleküle werden gemischt, erklärt die Expertin. Über zwei Kanäle treffen die beiden Stoffe aufeinander und bilden dann Kapseln, in denen jeweils einige mRNAs verpackt sind, wie Merkel sagt. Dieser Schritt sei entscheidend, damit die Kapseln die richtige Zusammensetzung und Größe haben. „Sind die mRNA-Lipid-Partikel zu groß, werden sie eher von der körpereigenen Müllabfuhr beseitigt“, erklärt Merkel. Sind sie zu klein, kann nicht ausreichend mRNA verpackt werden.

Die Hülle um die mRNA ist laut Merkel auch ein Grund dafür, dass die Impfstoffe zum Teil gekühlt werden müssen. Sind die Partikel längere Zeit bei Raumtemperatur, können sie miteinander verschmelzen. Das kann dazu führen, dass der Impfstoff seine Wirkung verliert. Im schlimmsten Fall bilde sich im Muskel eine Art Ölpropfen, sagt Merkel. Die seien eigentlich für den Körper kein Problem. Da aber für die mRNA-Kapseln synthetische Fettmoleküle verwendet werden, sei noch unklar, ob solche Aggregate immunologische Nebenwirkungen verursachen können.

Im Fall der neuen mRNA-Impfstoffe wurde innerhalb kürzester Zeit die Produktion im industriellen Maßstab hochgefahren. Das wirft Fragen nach der Sicherheit auf. Schließlich können bei pharmazeutischen Mitteln nicht nur Nebenwirkungen auftreten, also unerwünschte Reaktionen des Körpers auf das Präparat. Auch Verunreinigungen können Folgen haben. So gab es 2018 einen Skandal, weil ein weit verbreiteter Blutdrucksenker eines chinesischen Herstellers mit einem Stoff verunreinigt war, der als potenziell krebserregend gilt.

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Bestimmte Sicherheitsvorkehrungen sollen so etwas verhindern. So benötigt jede Impfstoffcharge, die in Deutschland auf den Markt kommt, die Freigabe des für die Sicherheit zuständigen Paul-Ehrlich-Instituts (PEI). „Wir bekommen dann die Herstellungsdokumentation und Prüfmuster, da wir auch experimentell prüfen“, teilt das PEI auf Anfrage mit. Zudem würden die Herstellungsstätten „überwacht und inspiziert“.

Jedem Zwischenschritt in der Produktion folgt eine Analyse

Theo Dingermann, ehemaliger Präsident der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft, hat großes Vertrauen, dass der Herstellungsprozess ausreichend kontrolliert wird. „Die einzelnen Schritte sind bis ins kleinste Detail festgelegt.“ Es könnte zwar Qualitätsprobleme geben. „Aber dann steht die Produktion sofort still.“ Baseclick-Chef Frischmuth betont, dass jeder Zwischenschritt von Analysen begleitet wird. „Das führt dazu, dass man auch Ausschuss hat.“

Beide, Dingermann und Frischmuth, werten es als beruhigendes Zeichen, dass Pfizer und Biontech wegen Problemen ihr Produktionsziel für dieses Jahr verringert haben. Das zeige, dass trotz des großen Drucks, schnell viel Impfstoff heranzuschaffen, sauber gearbeitet werde und dass die Kontrollmechanismen funktionierten. „Minderwertiger Impfstoff wird vermieden“, sagt Dingermann.

RND/Valentin Frimmer, dpa

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