Biontech, Moderna, Astrazeneca: Keine Wahlfreiheit bei den Corona-Impfstoffen
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Fläschchen mit dem Corona-Impfstoff von Biontech/Pfizer, Moderna und Astrazeneca.
© Quelle: Jessica Hill;Liam Mcburney/AP/PA
Das Robert-Koch-Institut empfiehlt die neu zugelassene Impfung von Astrazeneca nur für jüngere Altersgruppen, die Immunisierung soll nur Personen unter 64 Jahren angeboten werden. Doch auch die Impfungen von Biontech/Pfizer und Moderna sind nicht für alle Risikogruppen gleich gut geeignet. Trotzdem dürfen Impfwillige in Deutschland nicht selbst entscheiden, welches Präparat sie erhalten.
Die Impfverordnung des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) räumt Risikogruppen zwar das Recht auf eine Impfung ein. Sie sieht aber kein Mitspracherecht bei der Wahl der jeweiligen Vakzine vor. Dabei gibt es durchaus Unterschiede zwischen den Impfstoffen, die bisher verfügbar sind. Das gilt auch für die beiden in Deutschland eingesetzten mRNA-Impfungen von Biontech/Pfizer und Moderna.
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Allergische Reaktionen nach Impfung von Biontech/Pfizer häufiger
So ist bei der Impfung von Biontech und Pfizer im Vergleich zu anderen Impfungen das Risiko für anaphylaktische Reaktionen deutlich erhöht. Es handelt sich dabei um schwere allergische Reaktionen mit Symptomen wie Atemnot, Herzrasen, Hautausschlag am ganzen Körper oder Kreislaufproblemen, die im schlimmsten Fall lebensgefährlich sein können. Daten des Paul-Ehrlich-Instituts zufolge (Stand 24. Januar 2021) kam es in Deutschland bereits bei 34 Personen zu anaphylaktischen Reaktionen, nachdem sie den Impfstoff von Biontech/Pfizer erhalten hatten, was etwa 19 Fällen auf eine Million Impfungen entspricht.
Für die Impfung von Moderna liegen umfangreiche Daten erst aus den USA vor: Laut der amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA kommen hierbei nur 0,25 Fälle anaphylaktischer Reaktionen auf 100.000 Impfungen. Für Menschen, die ohnehin bereits zu starken allergischen Reaktionen neigen, könnte also die Impfung von Moderna womöglich besser geeignet sein. Bei unklarem Verdacht und sehr vielen möglichen Allergien sowie bei Allergien gegen Medikamente und Kosmetika sollte deshalb vor der anstehenden Corona-Impfung der Facharzt aufgesucht werden, rät Ludger Klimek, Vorsitzender des Ärzteverbandes Deutscher Allergologen. Dem Arzt im Impfzentrum sollte mitgeteilt werden, wenn es bekannte Allergien gibt oder einen begründeten Verdacht.
Bessere Daten zur Sicherheit in höheren Altersgruppen
Bei der Wirksamkeit scheinen sich bisher wiederum keine großen Unterschiede zu zeigen. Biontech/Pfizer gibt eine Wirksamkeit von 95 Prozent, Moderna eine Wirksamkeit von rund 94 Prozent an, die jeweils bei Impfprobanden mit einem mittleren Alter von 51 bis 52 Jahren erzielt wurde. In den höheren Altersgruppen ist bei beiden Vakzinen mit einer abnehmenden Wirksamkeit zu rechnen. Vor allem für die Risikogruppe der Menschen über 70 oder 80 Jahre fehlen zudem bei beiden Impfstoffherstellern verlässliche Daten.
Beim Astrazeneca-Impfstoff geht die Europäische Arzneimittelbehörde von einer Wirksamkeit von rund 60 Prozent aus. Allerdings fehlen Daten zur Wirksamkeit bei Senioren. Das ist auch der Grund dafür, dass das RKI die Astrazeneca-Impfung nur unter 65-Jährigen anbieten möchte. Allerdings stellt sich auch hier die Frage, ob man Impfwilligen nicht selbst die Wahl überlassen könnte. So liegen zwar für den Vektorimpfstoff von Astrazeneca tatsächlich besonders wenige Daten über die Schutzwirkung in höheren Altersgruppen vor. Dafür gibt es aber bessere Daten speziell zur Verträglichkeit in dieser Altersgruppe.
Risiken und Nutzen der mRNA-Impfungen besser abwägen
Bei den beiden mRNA-Impfungen hingegen sind aus Norwegen Fälle bekannt, in denen sie zum Tod alter, schwer vorerkrankter Menschen beigetragen haben könnten. Norwegische Behörden hatten daher bereits zu einer gründlicheren Nutzen-Risiko-Abwägung der mRNA-Impfungen bei alten und schwer erkrankten Personen geraten. Auch das RKI hat nun empfohlen, „bei sehr alten Menschen“ oder Menschen mit fortschreitenden Krankheiten, die sich in einem schlechten Allgemeinzustand befinden, ärztlich zu prüfen, ob eine Impfung sinnvoll sei. Gleichzeitig will es älteren Menschen die womöglich besser verträgliche Impfung von Astrazeneca aber vorenthalten. Dabei würden einige von ihnen vielleicht lieber einen weniger gut wirksamen Impfstoff erhalten, wenn dafür weniger Nebenwirkungen zu erwarten sind.
Für andere Gruppen könnten hingegen gerade die mRNA-Impfungen besser geeignet sein, etwa für Menschen mit chronischen Darmleiden. Die verfügbaren mRNA-Impfstoffe seien für solche Patienten wohl „unkritisch“, heißt es in einer Stellungnahme des Kompetenznetzes Darmerkrankungen. Ob aber auch vektorbasierte Impfstoffe wie der Impfstoff von Astrazeneca sicher bei ihnen angewendet werden könnten, sei „zum jetzigen Zeitpunkt noch unklar“.
Nicht zuletzt könnte es auch grundsätzlich Impfbereite geben, die aber skeptisch gegenüber allen drei bisher verfügbaren Impfungen sind. Denn es handelt sich um neuartige Gen-Impfstoffe, bei denen Erbinformationen des Virus entweder in Form von mRNA oder in Form von Viren-DNA in menschliche Zellen eingeschleust werden. Es gibt daher weniger Erkenntnisse zu Langzeitrisiken als bei bereits etablierteren Impfstofftypen.
Anspruch auf eine Impfung verfällt nicht
Wer lieber warten möchte, bis eine Impfung nach einem schon länger erprobten Wirkprinzip verfügbar wird, dessen Anspruch verfällt zumindest nicht, wie eine Mitarbeiterin der bundesweiten Informationshotline zur Corona-Impfung bestätigt. Falls jemand jetzt schon impfberechtigt sei, aber noch abwarten will, bis weitere Impfstoffe auf den Markt kommen und er frei wählen kann, solle er einfach noch keinen Termin vereinbaren. Man könne zudem vorab bei der telefonischen Terminvergabe erfragen, welcher Impfstoff im jeweiligen Impfzentrum angewendet wird. Allerdings sind die Impfzentren oft dem Wohnort zugeordnet, sodass selbst auf diese Weise meist keine Wahl des Impfzentrums und damit das Impfstoffs möglich ist.
Sobald mehr Impfdosen verfügbar sind, wird sich das vermutlich ändern. Warum aber räumt das Bundesgesundheitsministerium (BMG) nicht jetzt schon Wahlfreiheit bei den Impfstoffen ein – zumindest, wenn zum Beispiel der Hausarzt einen bestimmten Impfstoff empfiehlt? Das BMG nimmt dazu auch auf Nachfrage hin nicht genauer Stellung. Stattdessen bestätigt es lediglich: „Aufgrund der gerade in der Anfangsphase des Impfens sehr knappen Verfügbarkeit des Impfstoffs“ könne „keine Wahlmöglichkeit eingeräumt werden“.