Dosierungsfehler? Corona-Impfstoff von AstraZeneca wirft Fragen auf
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Der Corona-Impfstoff von AstraZeneca beruht auf der abgeschwächten Version eines Erkältungsvirus von Schimpansen.
© Quelle: imago images/MiS
Mit einem 70-prozentigen Schutz vor Covid-19 hat am Montag der britisch-schwedische Pharmakonzern AstraZeneca für seinen Impfstoffkandidaten AZD1222 geworben. Das von der Universität Oxford mitentwickelte Vakzin wirkt ersten Studiendaten zufolge sogar noch effektiver, wenn den Probanden zuerst eine halbe Impfdosis statt einer ganzen verabreicht wird. Jetzt geraten die Studien laut einem Bericht der „New York Times“ jedoch in die Kritik, denn bei der Entwicklung des Corona-Impfstoffs ist ein Dosierungsfehler aufgetreten.
„Der Grund, warum wir die halbe Dosierung genommen haben, ist ein glücklicher Zufall“, sagte Mene Pangalos, Chef der nicht krebsbezogenen Forschung und Entwicklung bei AstraZeneca, der Nachrichtenagentur Reuters. Bei Tests in Großbritannien war aufgefallen, dass Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Kopf- oder Armschmerzen milder auftraten als erwartet. Anschließende Kontrollen zeigten, dass die Dosierung halb so hoch wie vorgesehen war. Anstatt die Tests abzubrechen, wurde den Probanden nachträglich eine zweite Impfung mit voller Dosis verabreicht.
Kritik am AstraZeneca-Impfstoff wächst
Der Pharmakonzern habe auf Basis völlig unterschiedlicher Studienverläufe Aussagen über die Wirksamkeit ihres Impfstoffes getroffen.
© Quelle: Reuters
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Pressemitteilung von AstraZeneca sorgt für Verwirrung
Dass das als „glücklicher Zufall“ betitelte Dosierungsschema eigentlich auf einem Fehler basiert, wurde in der von AstraZeneca veröffentlichten Pressemitteilung nicht erwähnt. Stattdessen teilte das Unternehmen mit, dass weniger als 2800 Studienteilnehmer zuerst eine halbe und dann eine volle Impfdosis erhalten haben. Knapp 8900 Probanden wurden hingegen zwei volle Impfdosen verabreicht.
„Die Pressemitteilung warf mehr Fragen auf, als sie beantwortete“, sagte John Moore, Professor für Mikrobiologie und Immunologie am Weill Cornell Medical College, der „New York Times“. Für Verwirrungen sorgte auch, dass AstraZeneca die Ergebnisse zweier unterschiedlich gestalteter klinischer Studien in Großbritannien und Brasilien zusammenfasste.
Wie entsteht ein Impfstoff?
Nach einem Impfstoff gegen Covid-19 wird unnachgiebig geforscht. Innerhalb von nur einem Jahr war bereits der erste Kandidat in der Zulassungsphase.
Kleines Dosierungsschema nicht bei älteren Menschen getestet
Kritik am Vorgehen des Pharmakonzerns äußert auch Natalie Dean, Biostatistikerin und Expertin für das Design von Impfstoffstudien an der Universität von Florida. Auf Twitter schrieb sie: „AstraZeneca/Oxford erhalten eine schlechte Note für Transparenz und Genauigkeit, wenn es um die von ihnen berichteten Ergebnisse von Impfstoffstudien geht.“
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Im Gespräch mit Medienvertretern gab der Immunologe und Berater der US-Regierung Moncef Slaoui ferner zu bedenken, dass die Teilnehmer, die das kleinere Dosierungsschema erhielten, womöglich 55 Jahre alt oder jünger gewesen seien. Pangalos bestätigte dies. Somit wurde die möglicherweise effektivere, halbe Impfdosis nicht an älteren Menschen getestet. Diese sind grundsätzlich jedoch anfälliger für Covid-19.
Impfstudien zwischenzeitlich unterbrochen
Bei dem Corona-Impfstoff von AstraZeneca handelt es sich um einen Vektorimpfstoff. Dieses Vakzin enthält Proteine oder Erbmaterial von Sars-CoV-2, die mithilfe eines für den Menschen harmlosen Virus (Vektor) in die menschlichen Körperzellen eingeschleust werden. Im Fall von AZD1222 ist der Vektor die abgeschwächte Version eines Erkältungsvirus von Schimpansen.
AstraZeneca hatte seine klinischen Impfstoffstudien zwischen Anfang September und Ende Oktober unterbrechen müssen, weil bei einem Teilnehmer aus Großbritannien gesundheitliche Probleme aufgetreten waren. Berichte der Nachrichten-Website Statnews legten nahe, dass dies nicht die erste Unterbrechung war. Schon im Juli sollen die Studien pausiert haben, nachdem ein Proband neurologische Symptome gezeigt hatte.
Deutschland hat bereits 50 Millionen Dosen bestellt
Weltweit wurden bereits mehrere Milliarden Dosen des Corona-Impfstoffs in Auftrag gegeben. Allein die EU bestellte vorab bis zu 300 Millionen Dosen. 50 Millionen sollen nach Deutschland gehen. Bis 2021 sollen drei Milliarden Impfdosen zur Verfügung stehen, teilte der Pharmakonzern mit. Ob der Dosierungsfehler Auswirkungen auf die Zulassungschancen des Impfstoffs hat, ist bislang unklar. Eine Sprecherin der US-Arzneimittelbehörde FDA wollte sich nach Angaben der „New York Times“ nicht äußern.