Curevac strebt Zulassung für Corona-Impfstoff an – was bedeutet das?
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Curevac will mit der Produktion seines Corona-Impfstoffs im ersten Halbjahr 2021 beginnen.
© Quelle: Christoph Schmidt/dpa
Tübingen. Die Entwicklung eines Corona-Impfstoffs schreitet auch im baden-württembergischen Tübingen voran: Das Biotech-Unternehmen Curevac gab am Montag bekannt, dass es für seinen Impfstoffkandidaten CVnCoV eine Zulassung in der Europäischen Union (EU) und in Lateinamerika beantragen will.
Bis dahin dürfte allerdings noch etwas Zeit vergehen. Denn die entscheidende klinische Phase-III-Studie mit bis zu 30.000 Teilnehmern steht noch aus. Vorher kann Curevac keinen Zulassungsantrag stellen – so das Prozedere bei der Impfstoffentwicklung. Zurzeit warte man darauf, dass die Behörden für die letzte Etappe grünes Licht geben. „Wir von uns aus sind bereit“, sagte Franz-Werner Haas, Vorstandsvorsitzender von Curevac der dpa. Bis Ende des Jahres soll die Phase-III-Studie eingeleitet werden.
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Dann könnte es noch mehrere Monate dauern, bis das Biotech-Unternehmen einen Zulassungsantrag stellen kann. Zum Vergleich: Die Mainzer Firma Biontech und der US-Pharmariese Pfizer hatten am 27. Juli 2020 mit der klinischen Phase-III-Studie zu ihrem Corona-Impfstoff BNT162b2 begonnen. Am 30. November 2020 hatten sie bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur (Ema) die Zulassung ihres Vakzins beantragt. Genau die gleiche Zeitspanne zeigte sich auch bei der Entwicklung des Corona-Impfstoffs mRNA-1273 des US-Pharmakonzerns Moderna.
Zulassung in den USA erst später geplant
Mehrheitseigner von Curevac ist Dietmar Hopp. Der Milliardär und Hoffenheim-Mäzen gehört zu den wenigen Biotech-Investoren in Deutschland. Hopp hat in den vergangenen Jahren bereits mehr als 1,4 Milliarden Euro in den Sektor gepumpt. Bisher ohne nennenswerte Erfolge. Die stellen sich nun ein und die nächsten Monate werden wohl äußerst gewinnbringend für Hopp. Denn er hat nicht nur in Curevac investiert sondern auch in Biontech. Doch darum würde es ihm gar nicht gehen. Hopp betont stets, dass seine Investments nicht auf finanziellen Profit abzielen würden. „Ich empfinde Freude, pure Freude, und das nicht etwa, weil sich die Geschäfte rechnen, sondern vor allem, weil wir mit unserer Arbeit den Menschen helfen können“, erklärte er dem „Handelsblatt“.
Und auch dass Curevac zeitlich hinter anderen Impfstoffherstellern hinterherhinkt, ist nicht unbedingt ein Hindernis. Denn vermutlich wird es mehrere Corona-Vakzine brauchen, um die Weltbevölkerung zu impfen. Zusammen mit dem Spezialchemiekonzern Wacker will Curevac am Standort Amsterdam pro Jahr mehr als 100 Millionen Impfstoffdosen herstellen. Schon im ersten Halbjahr 2021 soll – wenn alles nach Plan klappt – mit der Produktion begonnen werden. Die EU-Kommission hat mit dem deutschen Biotech-Unternehmen bereits einen Vertrag über den Kauf von bis zu 405 Millionen Dosen vereinbart.
Wie entsteht ein Impfstoff?
Nach einem Impfstoff gegen Covid-19 wird unnachgiebig geforscht. Innerhalb von nur einem Jahr war bereits der erste Kandidat in der Zulassungsphase.
Doch warum will Curevac seinen Impfstoff zuerst in der EU und in Lateinamerika zulassen? Der Grund ist naheliegend: Dort seien schließlich auch die Impfstoffstudien durchgeführt worden, sagte ein Unternehmenssprecher gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Weil in den Vereinigten Staaten von Amerika schon jetzt viele Wettbewerber den Markt adressieren, „werden die USA nicht in der ersten Runde der Regionen sein, in denen wir eine Zulassung beantragen“. Das werde erst zu einem späteren Zeitpunkt folgen. „Generell beabsichtigen wir, unseren Impfstoff global zu vertreiben.“
Ähnlich äußerte sich auch Curevac-Vorstandsvorsitzender Haas: „Nordamerika ist für uns noch kein Markt. Die jetzige Administration hat sehr schnell und sehr viele Dosen vorbestellt und reserviert, von Johnson&Johnson, AstraZeneca und Sanofi-GSK, Moderna und auch Biontech/Pfizer.“
Curevac hat Impfstudien in Peru und Panama durchgeführt
Bei dem Impfstoff von Curevac handelt es sich – ähnlich wie bei Biontech und Pfizer sowie Moderna – um einen mRNA-Impfstoff. Diese Vakzine enthalten virales Erbgut in Form von Boten-RNA, auch messenger RNA genannt, das unter anderem zur Bildung von Spike-Proteinen des Coronavirus beiträgt und Körperzellen zur Produktion von Eiweißstoffen des Coronavirus anregen kann. Das Immunsystem reagiert auf diese Proteine mit der Bildung von Antikörpern, die als Schutz vor dem Virus dienen.
Im Juni 2020 hatte Curevac mit der klinischen Phase-I-Studie zu seinem Impfstoffkandidaten in Deutschland und Belgien begonnen. Ende September 2020 folgte die klinische Phase-2a-Studie in Peru und Panama. Dort waren die Untersuchungen auf ältere Menschen und auf Regionen mit hoher Inzidenz von Corona-Infektionen ausgedehnt worden.
Keine schwerwiegenden Nebenwirkungen festgestellt
Anfang November hatte das Unternehmen dann erste Daten seiner klinischen Phase-I-Studie präsentiert. Damals war von einer „allgemein guten Verträglichkeit“ die Rede. „Die Interimsdaten der Phase 1 sind sehr ermutigend“, hatte Curevac-Vorstandsvorsitzender Haas mitgeteilt. „Sie stellen einen entscheidenden Meilenstein in unserem Covid-19-Impfstoffprogramm dar und unterstützen nachdrücklich die Weiterentwicklung unseres Impfstoffkandidaten.“
Rund 250 gesunde Probanden im Alter zwischen 18 und 60 Jahren hatten an der Phase-I-Studie teilgenommen. Schwerwiegende Nebenwirkungen seien nicht beobachtet worden. Bei einer Dosis von zwölf Mikrogramm seien milde Symptome wie Müdigkeit, Kopfschmerzen, Schüttelfrost, Muskelschmerzen und in geringem Maße Fieber beobachtet worden. Diese Auffälligkeiten seien jedoch nur vorübergehend gewesen und innerhalb von 24 bis 48 Stunden abgeklungen, hatte Curevac berichtet.
Curevac-Impfstoff ist bei Kühlschrank-Temperatur lagerbar
Im Vergleich zu den Impfstoffen von Biontech und Pfizer bietet CVnCoV ferner einen logistischen Vorteil. Der Tübinger Impfstoffkandidat ist laut eigenen Angaben bei Kühlschranktemperaturen von plus fünf Grad mindestens drei Monate lang haltbar. Zudem bleibt das Vakzin bei Raumtemperatur bis zu 24 Stunden als gebrauchsfertiger Impfstoff stabil.
„Das dürfte eine dezentrale Aufbewahrung des Impfstoffes erleichtern und breit angelegte Impfanstrengungen in der aktuellen Pandemie unterstützen“, sagte Florian von der Mülbe, Chief Production Officer von Curevac. Zum Vergleich: Der Impfstoff von Biontech und Pfizer erfordert beispielsweise einen höheren logistischen Aufwand. Das Mittel kann nur bei einer Temperatur von minus 70 Grad mit speziellen Kühlsystemen dauerhaft gelagert werden, muss in Kühlboxen geliefert und mit Trockeneis bis zu 30 Tage oder bis zu fünf Tage in einem handelsüblichen Kühlschrank (zwei bis vier Grad) im jeweiligen Impfzentrum gekühlt werden.
mit dpa