Düstere RKI-Prognose für den Herbst: „Herdenimmunität nicht realistisch“

Getragene Schutzmaske liegt auf dem Boden zwischen Herbstlaub.

Getragene Schutzmaske liegt auf dem Boden zwischen Herbstlaub.

Berlin. Die Prognose des Robert Koch-Instituts (RKI) zur Corona-Lage im Herbst und Winter ist wenig ermutigend. Die Behörde geht auf der Basis von Modellierungen davon aus, dass die Zahl der Hospitalisierungen und Corona-Intensivpatienten sowie die Sieben-Tage-Inzidenz bis Oktober langsam steigen und danns chneller steigen werde. Im Januar und Februar sei schließlich bei allen Indikatoren mit Höchstwerten zu rechnen, ehe das Infektionsgeschehen wieder abflauen könnte.

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„Aufgrund eines wahrscheinlichen Anstiegs der Fallzahlen sollte die aktuell entspannte Infektionslage jetzt genutzt werden, um präventive Maßnahmen für den Herbst und Winter vorzubereiten, sodass die Anzahl schwerer Krankheitsverläufe, Todesfälle und die Belastung für das Gesundheitswesen klein gehalten und bevölkerungsbezogene Maßnahmen minimiert werden können“, heißt es in einem zehnseitigen Leitfaden, der am Donnerstag auf der Internetseite des RKI veröffentlicht wurde.

Impfquote noch zu gering für Herdenimmunität im Herbst

Die Vorstellung, bis zum Herbst eine Herdenimmunität zu erreichen, sei nicht mehr realistisch. Dafür würde die Impfquote bei den Erwachsenen noch nicht ausreichen. Bisher sind 60,4 Prozent der Deutschen mindestens einmal geimpft worden, rund 48 Prozent haben bereits zwei Impfdosen erhalten. Um eine vierte Corona-Welle im Herbst zu verhindern, müssten nach Schätzungen des RKI aber mindestens 85 Prozent der Zwölf- bis 59-Jährigen und 90 Prozent der Senioren ab 60 Jahren vollständig geimpft sein.

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Ein vollständiger Impfschutz ist auch angesichts der noch ansteckenderen Delta-Variante, die in Deutschland momentan vorherrschend ist, von großer Bedeutung. Studien zeigen, dass das Immunsystem erst nach der zweiten Impfung einen ausreichenden Schutz gegen die Mutante aufbaut. Weil bisher nur knapp jeder Zweite vollständig geimpft ist, rechnet die Berliner Behörde im Herbst mit vermehrten Infektionen, vor allem in den Altersgruppen der 18- bis 59-Jährigen sowie bei Kindern unter zwölf Jahren.

Impfdurchbrüche bei Hochbetagten möglich

Besonders gefährdet könnten auch vulnerable Gruppen wie Bewohnerinnen und Bewohner in Pflege- und Altenheimen sein. „Ein denkbares Szenario ist, dass bei hochbetagten Menschen mit zunehmendem zeitlichem Abstand zur Impfung vermehrt Impfdurchbrüche auftreten können, sodass es in Pflegeheimen zu schweren Covid-19-Ausbrüchen kommen kann“, schreibt das RKI.

Spahn warnt vor Corona-Inzidenz von mehr als 800 im Oktober
BERLIN, GERMANY - JULY 21: Jens Spahn, Federal Minister of Health, at the presentation of the National Reserve Health Protection in the federal press conference on July 21, 2021 in Berlin, Germany. (Photo by Andreas Gora - Pool/Getty Images)

Gesundheitsminister Jens Spahn hat vor einem drastischen Anstieg der Sieben-Tage-Inzidenz in Deutschland gewarnt.

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Inzwischen wissen Expertinnen und Experten, dass die Konzentration neutralisierender Antikörper bei Geimpften mit der Zeit sinkt. Das heißt, der Schutz der Impfung lässt etwas nach, aber es sind noch T- und B-Zellen vorhanden, die Teil des Immungedächtnisses sind. Weil ältere Menschen gleich zu Beginn der Impfkampagne geimpft wurden, ist davon auszugehen, dass auch bei ihnen inzwischen geringere Antikörpertiter vorhanden sind.

„Wir müssen die nächste Phase beim Impfen jetzt schon andenken“, sagte Prof. Leif Erik Sander, Infektionsimmunologe an der Berliner Charité, Ende Juni. Er riet dazu, Hochbetagte und Menschen mit einem geschwächten Immunsystem im Herbst ein drittes Mal zu impfen. Ähnlich äußert sich jetzt auch das RKI zu den sogenannten Booster-Impfungen. Diese sollten bereits geplant und vorbereitet werden, um zeitnah auf den sinkenden Impfschutz reagieren zu können. Außerdem sollten in den Regionen, in denen erhöhte Ausbruchsgeschehen zu erwarten sind, „Schwerpunktimpfungen“ beziehungsweise örtliche Impfkampagnen vorbereitet werden.

AHA+A+L-Regel bis Frühjahr 2022 beibehalten

Zusätzlich zu den Impfungen seien im Kampf gegen die vierte Welle ein verantwortungsvolles Verhalten sowie individuelle Schutzmaßnahmen unerlässlich. Steigen die Inzidenzen weiter an, müssten auch zielgerichtete, schrittweise Corona-Maßnahmen in Erwägung gezogen werden. „Die Zahl der infektiösen Kontakte sollte durch organisatorische Maßnahmen weiterhin reduziert werden (wie zum Beispiel durch die Möglichkeit des mobilen Arbeitens, Beschränkung von Teilnehmerzahlen an Veranstaltungen, sorgfältige Prüfung der räumlichen Voraussetzungen etc.)“, heißt es im Leitfaden des RKI.

Die AHA+A+L-Regel (also Abstand, Hygiene, Alltag mit Maske, Corona-Warn App, Lüften) bleibe auch im Herbst ein wichtiger Bestandteil der Corona-Prävention – und solle bis zum Frühjahr kommenden Jahres weiter eingehalten werden.

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PCR-Pooltestungen in Schulen anwenden

Auch in den Schulen und Kitas müsse die AHA+A+L-Regel weiterhin beherzigt werden. Denn Kinder und Jugendliche dürften nach Einschätzung des RKI im Herbst eine stärkere Rolle für das Infektionsgeschehen spielen, weil sie bis dahin mehrheitlich nicht vollständig geimpft sein werden. Um asymptomatische Infektionen in den Einrichtungen schnell detektieren zu können, rät die Behörde zu einer seriellen, systematischen Teststrategie, zum Beispiel mittels PCR-Pooltestungen.

„Da PCR-Kapazitäten in Deutschland limitiert sind, sollten prioritär für jüngere Kinder unter zwölf Jahren in Kindertagesstätten und Grundschulen diese möglichst mittels PCR-Pooltestungen erfolgen; für Schulkinder über zwölf Jahren kann bei nicht ausreichender PCR-Testkapazität alternativ die Frequenz von präventiven Testungen mittels Antigentests von zweimal auf dreimal wöchentlich erhöht werden.“ Zudem sollten kontinuierliche Bildungs- und Betreuungsangebote für Kinder und Jugendliche eingerichtet und „digitale Möglichkeiten“ ausgebaut werden.

Von der Pandemie zur Endemie

Das grundsätzliche Ziel im Herbst/Winter müsse sein, schwere Krankheitsverläufe zu verhindern. „Hierfür ist wichtig, die Infektionszahlen nachhaltig niedrig zu halten“, schreibt das RKI – und weist darauf hin, dass es sich bei den Szenarien in den Modellrechnungen nicht um direkte Vorhersagen handele. „Durch Verhaltensänderungen in der Bevölkerung und Basismaßnahmen kann der Verlauf des Infektionsgeschehens weiter positiv beeinflusst werden.“

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Derzeit befinde sich Deutschland in einer Übergangsphase – von der Pandemie zur Endemie. Bei einem endemischen Infektionsgeschehen zirkuliert das Virus weiterhin, würde aber nur noch saisonale Ausbrüche verursachen, ähnlich wie bei anderen saisonalen Atemwegsinfektionen, zum Beispiel der Grippe. Dieser Verlauf ist jedoch noch mit Unsicherheiten behaftet, teilt das RKI mit: „Wann dieser Übergang abgeschlossen sein wird, hängt von vielen Faktoren ab und kann aktuell nicht mit Bestimmtheit vorausgesagt werden.“

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