Corona-Herbst: Simple Selbstbau-Abluftanlage für Schulen gefragt

Riesige Schirme an der Decke über den Sitzplätzen, Plastikrohre und Ventilatoren: Die rund ein Jahr alte Erfindung aus Mainz für bessere Luft und geringere Infektionsgefahr in den Schulen ist vor dem zweiten Corona-Herbst erneut gefragt.

Riesige Schirme an der Decke über den Sitzplätzen, Plastikrohre und Ventilatoren: Die rund ein Jahr alte Erfindung aus Mainz für bessere Luft und geringere Infektionsgefahr in den Schulen ist vor dem zweiten Corona-Herbst erneut gefragt.

Mainz. Riesige Schirme an der Decke über den Sitzplätzen, Plastikrohre und Ventilatoren: Die rund ein Jahr alte Erfindung aus Mainz für bessere Luft und geringere Infektionsgefahr in den Schulen ist vor dem zweiten Corona-Herbst erneut gefragt. Ausgedacht haben sich die preiswerte Abluftanlage zum Selbstbau Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Max-Planck-Institut für Chemie (MPI). Die Stadt Mainz hat inzwischen rund 75 Prozent aller Klassenräume mit Lüftungsgeräten ausgestattet, davon die allermeisten mit den MPI-Systemen, wie Schuldezernent Eckart Lensch (SPD) sagt.

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Dazu kämen etwa 500 Anlagen in Landau, sowie einige Hundert in verschiedenen anderen Städten, berichtet Frank Helleis, einer der Väter der Anlage und Physiker beim MPI. Aus Bayern gebe es aktuell auch Anfragen.

Wie funktionieren die Anlagen?

Das System sammle in den Schirmen verbrauchte Luft direkt über den Schülerinnen und Schülern, und zwar bevor sich die Luft im Raum verteile, erläutert Helleis. In der Anlage werde diese Luft dann durch die Rohre über ein Fenster nach draußen transportiert und durch frische Luft ersetzt, die über ein anderes Fenster nachströme.

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Dazu werde die nach oben strömende warme Luft genutzt, die durch die Körpertemperatur der Schüler selbst entstehe, erläutert der Physiker. Zusammen mit der ausgeatmeten Luft würden auch CO₂ und die Aerosole mit nach oben getragen. „An der Lüftungsanlage angekommen, wird die verbrauchte Luft, wie bei einer Dunstabzugshaube, zielgerichtet abgesaugt und über ein Rohrsystem nach draußen geleitet“, heißt es in der Beschreibung.

„Ganzen Winter durch gemessen”: Studien belegen Wirksamkeit

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können inzwischen dazu auch auf ihre Studienergebnisse verweisen. „Wir haben den ganzen Winter durch gemessen“, sagt Helleis. Das Fazit: „Der wissenschaftliche Vergleich zeigt, dass ventilatorgestütztes Fensterlüften wirksamer gegen die Aerosolübertragung von Covid-19 und zur Verbesserung der Luftqualität in Schulklassen eingesetzt werden kann, als aufwendigere Lüftungs- und Luftreinigungsgeräte.“

Dieser Prüfbericht bestätigt aus der Sicht des Umweltbundesamts (UBA), „dass die Anlagen geeignet sind, verbrauchte – und möglicherweise virenbelastete – Luft aus Schulräumen abzuführen und die Zufuhr von frischer Außenluft zu bewirken“, wie eine Sprecherin in Berlin auf Anfrage mitteilte. „Wir empfehlen diesen Anlagentyp nicht ausdrücklich, weil möglicherweise nicht an allen Schulen die notwendigen Voraussetzungen für ihre Installation und ihren Betrieb gegeben sind.“ Dies bedeute jedoch nicht, „dass die Anlagen nicht wirksam wären und wir sie nicht für sinnvoll halten würden“.

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Aerosol-Simulation zeigt mangelhafte Wirkung von Luftreinigern

Die Simulation des HRI zeigt ein Klassenzimmer mit 24 Schülern und einem Lehrer. Vorne am Lehrerpult ist ein mobiler Luftreiniger mit HEPA-Filtern platziert.

Die Installation der Anlagen erforderte unter anderem „engagiertes technisches Personal vor Ort“ oder eine Fachfirma, heißt es beim UBA. „Es muss sich jemand für das so entstandene System verantwortlich fühlen.“ Wenn auch die baulichen Voraussetzungen gegeben seien, die Selbstbauanlage gewartet werde und die elektrische und mechanische Sicherheit im Klassenraum stimme, „können solche Systeme einen wirksamen Beitrag zur Bekämpfung der Pandemie leisten“.

Gebäudewirtschaft Mainz stellt Mitarbeiterin

In Mainz sind die ersten Anlagen vor rund einem Jahr installiert worden, der Leiter der Vorreiterschule wurde deshalb sogar zum Fest des Bundespräsidenten für Menschen eingeladen, die sich in der Pandemie mit besonderen Ideen hervor getan haben, wie Dezernent Lensch berichtet. „Für die Anlagen spricht, dass sie schnell und von Laien eingebaut werden können.“

Bei der Gebäudewirtschaft Mainz (GWM) gebe es eine Mitarbeiterin, die die Anleitung des Einbaus übernehme. „Die Materialien stammen mehr oder weniger aus dem Baumarkt.“ Der Eigenbetrieb GWM sei grundsätzlich auch für die Wartung zuständig. „Und selbst wenn ein Teil der Anlage mal runter fällt, segelt es leise zu Boden. Das ist ganz leicht.“

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Ministerpräsidentin schließt Kauf nicht aus

Die Materialkosten pro Klassenraum beziffert Helleis auf ungefähr 300 bis 1000 Euro. „Das hängt von den Ventilatoren ab.“ Das sei aber immer noch deutlich preiswerter als Standardgeräte, die rund 4000 Euro kosteten.

Die Landesregierung hat ein zweites – mit zwölf Millionen Euro ausgestattetes Programm – zur Luftreinigung für Schulen aufgelegt. Davon könnten auch die Geräte vom MPI gekauft werden, sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD). Das erste umfasste sechs Millionen Euro. Dazu kommen jetzt noch 9,6 Millionen Euro aus dem 200 Millionen Euro Programm des Bundes für mobile Luftreiniger für Schulen und Kitas.

RND/dpa

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