Grafiken zeigen: Arme Länder bekommen kaum Impfstoffe
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Indien impft noch vergleichsweise viel: Jeder Vierte dort hat bereits mindestens eine Injektion erhalten.
© Quelle: Sri Loganathan/ZUMA Wire/dpa
Die Weltbank teilt die Länder der Welt in vier Einkommensgruppen ein. Ein hohes Einkommen beginnt demnach ab einem durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen von mehr als 12.696 Dollar pro Jahr. Viele europäischen Länder liegen deutlich darüber, außerdem die USA, Kanada, Japan, Südkorea, Chile und einige mehr. Insgesamt leben in diesen Ländern etwa 15,7 Prozent der Weltbevölkerung.
Das RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) hat die Daten zu den weltweiten Impfungen von der Website ourworldindata.org mit den Einwohnerzahlen der Staaten in den vier Einkommensgruppen nach Definition der Weltbank verglichen. Dabei zeigt sich, dass die höchsten Einkommen einen doppelt so hohen Anteil ihrer Bürger und Bürgerinnen geimpft haben wie es ihrem Bevölkerungsanteil entspricht: 31,1 Prozent der weltweit mindestens einmal Geimpften kommen aus den reichen Ländern. Das entspricht etwa 650 Millionen Menschen. Ginge die Verteilung der Impfstoffe streng nach Einwohnerzahl, hätten die reichen Länder also nur halb so viele Menschen impfen können.
Tatsächlich spielt die Kaufkraft eine weit wichtigere Rolle als die Einwohnerzahl – und da haben die einkommensstarken Länder naturgemäß einen Vorteil. Insbesondere die USA, aber auch Großbritannien, Israel und die Vereinigten Arabischen Emirate haben bereits in einer frühen Phase der Pandemie horrende Preise bezahlt, um für die eigene Bevölkerung Impfstoffe zu beschaffen. Die Europäische Union hatte im Vergleich dazu zögerlich eingekauft und damit den Unmut vieler Deutscher auf sich gezogen, weil die Impfkampagne Anfang des Jahres zunächst keine Fahrt aufnehmen wollte.
Viele Länder haben noch gar nicht richtig mit dem Impfen angefangen
Im Vergleich mit vielen Ländern in Asien und Afrika wirken die Einkäufe der EU allerdings fast schon verschwenderisch. Betrachtet man nur die Länder mit mittleren bis niedrigen Einkommen von durchschnittlich weniger als 4095 Euro pro Einwohner und Jahr, so zeigt sich eine weit schlechtere Versorgung. In Ländern wie Indien, Indonesien und den Philippinen lief die Impfkampagne deutlich später und langsamer an als in Europa. Das Ergebnis: Insgesamt lebt in der einkommensschwächeren Hälfte der Weltbevölkerung nur etwa ein Viertel der weltweit Geimpften.
Ein Teil dieser ärmeren Hälfte hat besonders wenig Mittel zur Verfügung. Dementsprechend haben die ärmsten Länder mit einem jährlichen Pro-Kopf-Einkommen von weniger als 1045 Dollar mit der Immunisierung noch gar nicht richtig angefangen. Die Staaten mit den niedrigsten Einkommen stellen einen Bevölkerungsanteil von 8,1 Prozent, aber nur 0,4 Prozent der Geimpften.
Die folgende Grafik zeigt, welche Staaten einen großen Teil der Impfstoffe abbekommen haben und welche weitgehend leer ausgingen. Bedienen Sie die Pfeile oben rechts, um zwischen der Zahl der Geimpften und der Einwohnerzahl hin- und herzuspringen. Berühren Sie den inneren Ring, um sich eine Staatengruppe genauer anzusehen.
Das Land mit den absolut meisten Geimpften ist mit Abstand China. Insgesamt haben mehr als 622 Millionen Chinesen und Chinesinnen mindestens eine Injektion erhalten. Diese Zahl stammt vom 10. Juni und dürfte mittlerweile deutlich höher liegen. Selbst gemessen an der immensen Einwohnerzahl von 1,4 Milliarden ist das beachtlich.
Auch Indien hat allein schon wegen der schieren Massen an Einwohnern und Einwohnerinnen einen erheblichen Anteil am globalen Impfgeschehen. Mehr als 330 Millionen Inder und Inderinnen sind bereits geimpft, etwa jeder Vierte. Indien ist der Gruppe der ärmsten Staaten mittlerweile entwachsen und gehört zu den Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen. Darüber hinaus ist Indien der größte Produzent von Impfstoffen auf der Welt.
Als Indien in der zweite Welle einen größeren Teil der Produktion für die eigene Bevölkerung behielt, waren unter anderem die afrikanischen Staaten die Leidtragenden, denn sie müssen fast alle Impfstoffe importieren. In den 27 Staaten mit den niedrigsten Einkommen wie Äthiopien, Niger und Uganda leben auch deshalb nur 8,5 Millionen Geimpfte.
Es mangelt an Impfstoff, weniger an Geld
Zu Beginn der Pandemie hatte die Weltgemeinschaft eigentlich beschlossen, Impfstoffe und Arzneien global gerecht zu verteilen. Die Initiative Covax, kurz für „Covid-19 Vaccines Global Access“, sollte die weltweite Impfstoffentwicklung und die Verteilung koordinieren. Die Initiative hat zwar einiges an Geld zur Verfügung, kritisiert aber: „Covax konnte bisher nicht so viele Impfdosen wie geplant an Entwicklungsländer verteilen, weil eine kleine Zahl reicher Nationen die meisten Impfdosen für sich behalten hat.“ Von den bisher produzierten Impfstoffen gegen Covid-19 sind nur rund 3 Prozent über das Covax-Programm an ärmere Länder gegangen.
Die deutsche Regierung hat angekündigt, ab August den gesamten Astrazeneca-Impfstoff an Drittländer geben zu wollen. Mindestens 80 Prozent sollen über die Covax-Initiative an ärmere Länder verteilt werden. Zusammen mit weiteren Impfdosen von Johnson & Johnson kommt Deutschland so auf eine Abgabe von 30 Millionen Dosen bis Jahresende. Insgesamt spendet die EU rund 200 Millionen Dosen, die USA weitere 50 Millionen, die G7 insgesamt 870 Millionen Dosen bis Ende 2022.
Der Weltgesundheitsorganisation (WHO) reicht das allerdings nicht und sie hat deshalb die Pharmaunternehmen aufgerufen, Impfstoffe an arme Länder zu liefern, statt sie in reichen Ländern als dritte Impfdosis einsetzen zu lassen. Zunächst müsse es Priorität haben, Menschen gegen das Coronavirus zu impfen, die noch nicht geimpft worden seien, sagte der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation, Tedros Adhanom Ghebreyesus. Die WHO appelliert an die wohlhabenden Länder, noch keine Auffrischungsimpfungen zu bestellen.
Darüber hinaus versprechen sich manche mehr Impfstoffe durch eine Öffnung der Impfstoffpatente. Allerdings blockierten Deutschland und die EU im Gegensatz zu den USA und mehr als hundert weiteren Ländern eine Aussetzung geistiger Eigentumsrechte, kritisieren die Ärzte ohne Grenzen. Geschäftsführer Christian Katzer fordert von der Bundesregierung, sofort einen Technologietransfer zu veranlassen: „Angesichts der hohen Summen an öffentlicher Förderung ist Biontech in der Pflicht, sein Wissen zu teilen. Eine Freigabe der Impfstofftechnologie könnte viele Leben retten und wäre ein erster Schritt für eine afrikanische Impfstoffproduktion.“