Nach Drostens Rückzug

Corona-Sach­verständigen­ausschuss und Expertenrat: Wozu braucht es die beiden Gremien noch?

Der Expertenrat berät die Bundesregierung zum weiteren Umgang mit der Corona-Pandemie.

Der Expertenrat berät die Bundesregierung zum weiteren Umgang mit der Corona-Pandemie.

Bundesgesundheits­minister Karl Lauterbach (SPD) wirkte merklich enttäuscht, als er am Donnerstag via Twitter bekannt geben musste, dass Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie an der Berliner Charité, nicht mehr Teil des Sach­verständigen­ausschusses sein wird, der mit der Auswertung des Infektions­schutz­gesetzes beauftragt worden war. „Das ist ein schwerer Verlust, weil niemand könnte es besser“, schrieb er.

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Kurze Zeit später wurde klar, warum sich Drosten für diesen Schritt entschieden hatte: „Prof. Drosten ist zu der Überzeugung gelangt, dass die Ausstattung und Zusammen­setzung des Gremiums nicht ausreichen, um eine wissen­schaftlich hochwertige Evaluierung gewährleisten zu können“, teilte eine Sprecherin der Charité auf Anfrage des Redaktions­Netzwerks Deutschland (RND) mit. Es seien in den vergangenen Wochen „wiederholt und in umfangreicher Form“ Inhalte aus den Beratungen des Gremiums an die Öffentlichkeit gelangt, die zu einer „irreführenden“ und „falschen“ Bericht­erstattung geführt hätten. „Dies steht aus Sicht von Prof. Drosten einer konstruktiven, zielgerichteten Zusammenarbeit im Gremium entgegen.“

Bis zu Drostens Rückzug stand der Corona-Sach­verständigen­ausschuss nur selten im Licht der Öffentlichkeit. Umso mehr drängt sich nun die Frage auf, worüber das Gremium überhaupt berät. Und was unterscheidet es vom Expertenrat der Bundesregierung, dem Drosten – so erklärte die Charité weiter – trotz allem weiterhin beiwohnen will? Ein Überblick:

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Was ist die Aufgabe des Sach­verständigen­ausschusses?

Der Sachverständigen­ausschuss soll bewerten, wie wirksam die von Bund und Ländern beschlossenen Corona-Maßnahmen im Rahmen der mehrere Monate lang geltenden epidemischen Lage von nationaler Tragweite gewesen sind. So hatte es der Bundestag in Paragraph fünf, Absatz neun des Infektions­schutz­gesetzes festgelegt. Dafür wählten die Bundesregierung und der Deutsche Bundestag unabhängige Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen Disziplinen aus.

Ursprünglich sollten die Sachverständigen der Bundesregierung bis zum 30. Juni ihre Ergebnisse zukommen lassen, die bis Ende September an den Bundestag weitergereicht werden sollten. Der „Welt“ zufolge ist diese Frist nun jedoch verschoben worden. Die Tageszeitung berichtete ferner, dass einige Mitglieder des Experten­gremiums – darunter der Virologe Drosten – einer Evaluation der Maßnahmen wegen einer unzureichenden Datenlage kritisch gegen­über­gestanden hätten.

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Wer gehört dem Sach­verständigen­ausschuss an?

Bis zuletzt bestand der Sach­verständigen­ausschuss aus 17 Mitgliedern. Mit dem Virologen Drosten hat das Experten­gremium nun ein Mitglied verloren. Übrig bleiben:

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  • Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissen­schafts­zentrums Berlin für Sozial­forschung und Professorin für Bildungs­soziologie und Arbeits­markt­forschung an der Humboldt-Universität Berlin
  • Werner Bergholz, Partner der ISC International Standards Consulting GmbH & Co. KG und ehemaliger Professor für Electrical Engineering an der Jacobs University Bremen
  • Michael Brenner, Lehr­stuhl­inhaber für Deutsches und Europäisches Verfassungs- und Verwaltungs­recht an der Friedrich-Schiller-Universität Jena
  • Anne Bunte, Vorsitzende des Landes­verbandes der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesund­heitsdienstes NRW und Leiterin des Gesundheitsamtes des Kreises Gütersloh
  • Katharina Domschke, Ärztliche Direktorin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitäts­klinikum Freiburg
  • Horst Dreier, ehemaliger Lehrstuhlinhaber für Rechts­philosophie sowie Staats- und Verwaltungs­recht an der Universität Würzburg
  • Stefan Huster, Vorsitzender des Sach­verständigen­ausschusses und Lehrstuhlinhaber für Öffentliches Recht, Sozial- und Gesundheits­recht und Rechts­philosophie an der Juristischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum
  • Andrea Kießling, stellvertretende Vorsitzende des Sach­verständigen­ausschusses und Vertreterin des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Sozial- und Gesundheitsrecht und Rechtsphilosophie an der Juristischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum
  • Thorsten Kingreen, Lehrstuhlinhaber für Öffentliches Recht, Sozialrecht und Gesund­heitsrecht an der Fakultät für Rechts­wissenschaft der Universität Regensburg
  • Heyo K. Kroemer, Vorstands­vorsitzender der Berliner Charité
  • Rolf Rosenbrock, Professor an der Berlin School of Public Health an der Berliner Charité und Vorsitzender des Paritätischen Wohl­fahrts­verbandes – Gesamtverband
  • Helga Rübsamen-Schaeff, Virologin und Infektiologin, sowie Gründungs­geschäfts­führerin der Ai-Curis Anti-Infective Cures AG in Wuppertal
  • Christoph M. Schmidt, Präsident des RWI – Leibniz-Instituts für Wirtschafts­forschung in Essen und Lehr­stuhl­inhaber für Wirtschaftspolitik und Angewandte Ökonometrie an der Fakultät für Wirtschafts­wissenschaft der Ruhr-Universität Bochum
  • Britta Siegmund, Direktorin der Medizinischen Klinik für Gastroenterologie, Infektiologie und Rheumatologie an der Berliner Charité
  • Hendrik Streeck, Direktor des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Bonn
  • Jochen Taupitz, Geschäfts­führender Direktor des Instituts für Deutsches, Europäisches und Internationales Medizinrecht, Gesundheitsrecht und Bioethik der Universitäten Heidelberg und Mannheim

Was unterscheidet den Sach­verständigen­ausschuss vom Expertenrat der Bundes­regierung?

Der Expertenrat der Bundes­regierung ist ein weiteres Gremium, welches im Zuge der Corona-Pandemie entstanden ist. Auch dort arbeiten unabhängige Fachleute unterschiedlicher Disziplinen zusammen. Der größte Unterschied zwischen dem Sach­verständigen­ausschuss und dem Expertenrat ist das Tätigkeitsfeld.

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Der Sachverständigen­ausschuss hat die Aufgabe, die in der Vergangenheit verabschiedeten Corona-Maßnahmen zu evaluieren. Dagegen ist der Expertenrat vom Bundeskanzleramt damit beauftragt worden, Empfehlungen für die zukünftige Pandemie­bewältigung zu erarbeiten. Die Mitglieder sollen die aktuelle Corona-Lage in Deutschland auf Basis aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse bewerten und dann konkrete Handlungs­empfehlungen für die Bundes­regierung aussprechen.

Die Ergebnisse der Beratungen des Expertenrats werden dem Bundeskanzleramt in Form von Stellungnahmen oder Empfehlungen präsentiert und auch der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Insgesamt acht Stellungnahmen sind bereits erschienen. Zuletzt hatte sich das Gremium für gesetzliche Rahmen­bedingungen ausgesprochen, die es ermöglichen, zeitnah auf neu auftretende Epidemien und Pandemien zu reagieren.

Wer gehört dem Expertenrat an?

Der Expertenrat unterscheidet sich auch hinsichtlich seiner Mitglieder vom Sach­verständigen­ausschuss. Die Bundesregierung beraten:

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  • Reinhard Berner, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
  • Cornelia Betsch, Professorin für Gesundheits­kommunikation an der Universität Erfurt und wissenschaftliche Leiterin des COSMO – Covid‑19 Snapshot Monitoring
  • Melanie Brinkmann, Leiterin der Nachwuchs­gruppe Virale Immunmodulation am Helmholtz-Zentrum für Infektions­forschung in Braunschweig
  • Alena Buyx, Vorsitzende des Deutschen Ethikrats
  • Jörg Dötsch, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin
  • Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie an der Berliner Charité
Tübinger Forscher entwickeln neuen Corona-Impfstoff für Menschen mit Immundefekt

Hoffnung für Krebspatienten und Menschen mit angeborenem Immundefekt: Sie können durch einen neuartigen Corona-Impfstoff vor Covid-19 geschützt werden.

  • Christine Falk, Leiterin des Instituts für Transplantations­immunologie an der Medizinischen Hochschule Hannover und Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie
  • Ralph Hertwig, Direktor des Forschungs­bereichs Adaptive Rationalität am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin
  • Lars Kaderali, Leiter des Instituts für Bioinformatik an der Universitätsmedizin Greifswald
  • Christian Karagiannidis, Leitender Oberarzt und Leiter des ECMO-Zentrums sowie Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie und Intensivmedizin am Klinikum Köln-Merheim
  • Heyo K. Kroemer, Vorstands­vorsitzender der Berliner Charité
  • Thomas Mertens, Vorsitzender der Ständigen Impf­kommission (Stiko)
  • Michael Meyer-Hermann, Leiter der Abteilung System­immunologie am Helmholtz-Zentrum für Infektions­forschung in Braunschweig
  • Johannes Niessen, Leiter des Gesund­heitsamts der Stadt Köln
  • Viola Priesemann, Leiterin der Forschungsgruppe Theorie neuronaler Systeme am Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen
  • Leif-Erik Sander, Leiter der Forschungsgruppe Infektions­immunologie und Impf­stoff­forschung an der Berliner Charité
  • Stefan Sternberg, Landrat des Landkreises Ludwigslust-Parchim
  • Hendrik Streeck, Direktor des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Bonn
  • Lothar Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts

Womit beschäftigt sich der Expertenrat aktuell?

Seit der Expertenrat Anfang März seine achte und bisher letzte Stellungnahme veröffentlicht hat, ist es ruhig geworden um das Gremium. Da die Sitzungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden, ist nur wenig über die aktuellen Beratungen bekannt. Ein Mitglied des Expertenrats versicherte auf Anfrage des RND jedoch, dass die Kommission weiter arbeite und regelmäßig über die Corona-Lage berate – in der Regel einmal pro Woche. Es würden weitere Stellungnahmen zu unterschiedlichen Aspekten der Pandemie verfasst.

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Das bestätigte eine Sprecherin der Geschäftsstelle des Expertenrats im Bundeskanzleramt dem RND: „Aktuell wird an mehreren Stellung­nahmen gearbeitet. Über den Inhalt der Beratungen, Beratungs­unterlagen und Entwürfe von Empfehlungen, soweit diese nicht öffentlich zugänglich sind, ist laut Geschäftsordnung Verschwiegenheit zu wahren.“ Zu welchen Themen Stellungnahmen veröffentlicht werden und wann diese erscheinen, darüber würden die Mitglieder des Gremiums eigenständig entscheiden. „Je nach Inhalt einer Stellungnahme kann die Arbeit hieran auch längere Zeit in Anspruch nehmen.“

Die Arbeit des Expertenrats dürfte vor allem mit Blick auf den Herbst wieder an Bedeutung gewinnen. Dann wird es nach Einschätzung von Wissen­schaftlerinnen und Wissenschaftlern wohl zu einer erneuten Infektionswelle in Deutschland kommen. Welche Virusvariante dann vorherrschend sein wird und wie viele Infektions- und Krankheitsfälle auftreten werden, ist heute noch nicht abzusehen. Feststeht aber, dass es für die kommenden Monate einen Plan braucht, um rechtzeitig auf ein aufkeimendes Infektions­geschehen zu reagieren – genau das wird die Aufgabe des Expertenrats sein.

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