Podcast vorbei, Pandemie auch? Warum Drosten nicht mehr mit uns spricht
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Virologe Drosten hört auf: Letzte reguläre Folge „Coronavirus-Update“.
© Quelle: Kay Nietfeld/dpa
Einen Vorwurf soll man ihm nicht machen können: dass Christian Drosten nicht gewarnt habe. Es ist Mai 2020, die erste Corona-Welle verebbt gerade, doch die öffentliche Fixierung auf Drosten erreicht einen neuen Höhepunkt. In den vergangenen Wochen ist der Wissenschaftler von der Berliner Charité vor allem dank seines Podcasts zum bekanntesten Pandemieerklärer Deutschlands geworden. Zuvor eher unter Sars-Experten und -Expertinnen ein bekannter Name, sorgt nun jedes Interview, jeder Tweet des Virologen für gigantische Aufmerksamkeit. Für die einen ist Drosten nicht weniger als ein Held, für andere eine Hassfigur, auf die sie all ihren Corona-Frust projizieren können.
Warum er sich denn „freiwillig und schon zu Beginn der Corona-Krise auf die öffentliche Bühne“ begeben habe, will „Der Spiegel“ da wissen. Und Drosten sagt, was im Grunde wohl auch heute noch für ihn gilt: „Es sollte mir später niemand vorwerfen können, ich hätte nicht rechtzeitig davor gewarnt, dass die Leute auch bei uns sterben könnten.“ Eines seiner wichtigsten Werkzeuge dabei war immer der Podcast „Das Coronavirus-Update“ bei NDR-Info. Am Dienstag erscheint nun die vorerst letzte reguläre Folge.
Im „Coronavirus-Update“ konnte Drosten Wissenschaftler sein
„Das Coronavirus-Update“ ist zu einer Institution in der Pandemie geworden. Mit dem Titel „Wir können die Ausbreitung verlangsamen“ hatte der Podcast Ende Februar 2020 begonnen, inzwischen sind mehr als 100 Folgen erschienen. Dann ab September 2020 im Wechsel mit der Virologin Sandra Ciesek nutzte Drosten die vergleichsweise lange Zeit, die ihm das Format bot, um umfassend aufzuklären: wie man das Virus bekämpft, wie Studien zu verstehen sind, welche Maßnahmen nötig sind.
„Das Coronavirus-Update": Drosten und Ciesek beenden vorerst Podcast
Nach rund zwei Jahren ist Schluss: Die Virologen Sandra Ciesek und Christian Drosten werden vorerst die letzte Folge des NDR Info-Podcasts aufzeichnen.
© Quelle: dpa
Der Podcast gab Drosten die Möglichkeit, sich so zu präsentieren, wie er sich selbst wohl am ehesten sieht: als Wissenschaftler. Und zur Wissenschaft gehören Nuancen, gehört eine gewisse Unsicherheit, eine bestimmte Sprache, die nicht in die von Politik und Medien so gern gehegte Streitkultur passen will. Auch deshalb war das Verhältnis zwischen Drosten und den Medien nicht immer einfach. Dass Drosten eben nicht in jeder Talkshow saß, hat ihm als Marke jedoch gutgetan. Er gilt in großen Teilen auch nach zwei Jahren immer noch als der deutsche Pandemieerklärer mit der größten Expertise – auch weil er oft mit seinen Einschätzungen richtig lag. Weiterhin wird jedes seiner Interviews analysiert, jede seiner Prognosen verbreitet. Wenn Drosten wie kürzlich im „Zeit“-Interview sagt: „Im Winter müssen wir sehr wahrscheinlich noch einmal härter eingreifen“, dann sind viele Menschen überzeugt, dass es genau so kommen wird.
Drosten will sich auf Forschung konzentrieren
Der Kult um die Person Drosten hat sich im Laufe der Pandemie jedoch gelegt. Den Titel eines großen Magazins wird er wahrscheinlich so schnell nicht mehr zieren. Fraglich auch, ob jemand noch einmal – wie die Band ZSK im Sommer 2020 – einen Song über ihn schreibt. Oder es nach dem Erfolg des Drosten-Räuchermännchens im nächsten Winter heiß begehrte Drosten-Weihnachtskugeln geben wird. Drosten selbst scheint sich damit gut abfinden zu können. Schon vor einigen Monaten hatte er einen Auftritt in einem satirischen Jahresrückblick fürs ZDF, wo er mit der Einblendung „War mal wichtig“ vorgestellt wird.
Doch ist das Ende von Drosten beim „Coronavirus-Update“ auch ein Zeichen, dass sich die Pandemielage nun beruhigt? Schließlich galt und gilt der Virologe in der Öffentlichkeit als der wichtigste Mahner und Warner? Nein, sagt Drosten, das sei ein Missverständnis. „Ich gestehe, ich war derjenige, der gesagt hat: Ich schaffe es nicht mehr“, erklärte er gegenüber der „Zeit“. Die Vor- und Nachbereitung, „das Reagieren auf die sekundäre Berichterstattung“, die Beantwortung von Rückmeldungen, aber auch „der Hass und die ständigen Versuche der Rufschädigung“ kosteten ihn Zeit. Die wolle er nun lieber wieder in die Forschung und die Leitung seines Instituts investieren.
Das „Coronavirus-Update“ muss nun erstmal ohne Drosten und Ciesek auskommen – die Redaktion will sie in Zukunft bei gravierenden Entwicklungen anfragen. Der Podcast wird aber weiterlaufen – zunächst kämen in Sonderfolgen andere Expertinnen und Experten zu Wort, so der NDR. Das heißt aber nicht, dass Drosten verstummen wird. Er werde, wenn „sich große Probleme auftun“, wieder aktiver werden – etwa in Interviews oder auf Twitter, sagte er der „Zeit“. Denn eines ist Drosten weiter wichtig: „Ich will natürlich im nächsten Winter nicht der sein, der nichts gesagt hat, als es brannte.“