Geht Chinas strikte Null-Covid-Strategie auch bei Omikron auf?

Ein medizinischer Angestellter in Schutzkleidung arbeitet in einem Testlabor in Xi'an (China), in dem Corona-Nukleinsäuretests durchgeführt werden.

Ein medizinischer Angestellter in Schutzkleidung arbeitet in einem Testlabor in Xi'an (China), in dem Corona-Nukleinsäuretests durchgeführt werden.

Peking/Berlin. Chinas Strategie gegen Corona ist weltweit einzigartig. Das Land ist seit Pandemiebeginn weitgehend abgeschottet, Megastädte werden schon bei einzelnen Infektionen komplett runtergefahren. Das Ziel: dem Virus keinen Raum lassen und möglichst jede Ansteckung verhindern. Bislang ging der Plan auf - doch Omikron könnte die Karten neu mischen.

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Es gibt die Befürchtung, dass selbst die überaus rigiden Maßnahmen die Verbreitung der neuen, ansteckenderen Virus-Variante nicht stoppen können. Zudem wird diskutiert, ob die in China verabreichten Impfstoffe möglicherweise weniger gut vor Omikron schützen als beispielsweise die in Deutschland verwendeten mRNA-Impfstoffe. Hinzu kommt, dass Anfang Februar die Olympischen Winterspiele in Peking starten und tausende Menschen aus aller Welt ins Land kommen.

Kaum Infektionen dank Null-Covid-Strategie - zumindest vor Omikron

Timo Ulrichs, Experte für Globale Gesundheit an der Akkon Hochschule für Humanwissenschaften, geht davon aus, dass sich Omikron auch in China ausbreiten wird. „Eine Null-Covid-Strategie ist hier nicht (mehr) zielführend.“ Ulrichs erwartet „ein Überrollen ähnlich wie in anderen Ländern mit steilen Anstiegen der Neuinfizierten-Zahlen“. Der Berliner Virologe Christian Drosten hatte schon kurz vor Weihnachten China mit seinen 1,4 Milliarden Einwohnerinnen und Einwohnern als seine derzeit „größte Sorge“ bezeichnet.

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Noch und nun schon seit mehr als einem Jahr ist es um die Pandemielage in der Volksrepublik deutlich besser bestellt als in vielen anderen Ländern. Das tägliche Leben und die Wirtschaft haben sich normalisiert. Die Null-Corona-Politik der Regierung hat dazu geführt, dass es fast keine Infektionen im Land gibt. Werden doch einzelne Fälle gemeldet, kann das den Lockdown einer ganzen Metropole zur Folge haben, wie derzeit die 13 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner der zentralchinesischen Stadt Xi‘an zu spüren bekommen. Dort waren in den vergangenen zwei Wochen rund 1500 Infektionen aufgetreten. Schon nach den ersten Fällen durften die Menschen praktisch nicht mehr vor die Tür. Das soll so bleiben, bis es keine neuen Infektionen mehr gibt.

Mit Massentests, Ausgangssperren und strengen Quarantäne-Regeln bei der Einreise konnte China die Delta-Variante in Schach halten. Die Führung gibt sich zuversichtlich, dass ihr dies auch mit der Omikron-Variante gelingen wird. China sei eine „uneinnehmbare Festung“ für das Virus, wird in Staatsmedien kommentiert.

Hohe Impfquote - aber geringerer Impfschutz vor Omikron?

Doch Expertinnen und Experten warnen vor den Folgen, sollten die Schutzmaßnahmen bei Omikron doch weniger bringen. Vor allem auf die Impfstoffe komme es dann an. „Wie China durch die Omikron-Welle kommt, hängt vor allem von der Wirksamkeit der dortigen Impfstoffe ab“, sagt Sebastian Ulbert, Impfstoff-Experte am Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie. In China werden hauptsächlich die Impfstoffe Coronavac (Sinovac) und BBIBP-CorV (Sinopharm) verwendet, die abgetötete Corona-Viren enthalten.

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Zwar liegt die Quote der vollständig Geimpften in China bei rund 85 Prozent und damit höher als etwa in Deutschland. Bislang unveröffentlichte Studien hatten kürzlich jedoch Hinweise geliefert, dass die beiden Vakzine eine unzureichende Antikörperantwort gegen Omikron auslösen könnten. Doch das Bild ist nach Ansicht von Impfstoff-Forscher Ulbert bisher alles andere als klar: „Die momentan noch extrem dünne Datenlage zur Wirksamkeit der chinesischen Impfstoffe gegen Omikron ermöglicht höchstens Spekulationen.“

Und zwar sowohl in die Richtung eines unzureichenden als auch in die Richtung eines gewissen Schutzes, zumindest vor schweren Verläufen. „Denn es gibt ja auch Hinweise auf die Bildung eines immunologischen Gedächtnisses durch den inaktivierten chinesischen Impfstoff.“ Noch sei es zu früh, um eine fundierte Einschätzung abzugeben, sagt Ulbert. „Das braucht noch etwas Zeit.“

Null-Covid-Strategie sorgte für geringe Anzahl Genesener

Auf die chinesischen Impfstoffe vertraut nicht nur China selbst. Die Präparate sind vor allem wegen großer Nachfrage von Entwicklungsländern zu einem Exportschlager geworden. Nach Angaben des Pekinger Außenministeriums wurden bereits mehr als zwei Milliarden Dosen chinesischer Impfstoffe an über 120 Staaten geliefert. Doch es gibt einen gewaltigen Unterschied: In wohl allen Ländern der Welt dürfte es einen weitaus höheren Anteil an Covid-19-Genesenen geben als in China. Sie haben ebenfalls einen Immunschutz - was Infektionswellen und vor allem die Belastung von Kliniken immens vermindern kann.

Gesundheitsforscher Ulrichs geht davon aus, dass die chinesische Bevölkerung nur einen sehr begrenzten Schutz vor klinischen Verläufen und noch weniger vor Infektionen hat. Das bedeute, dass sich die Ausbreitung von Omikron schwerer unterbinden lasse als etwa in Europa. „Ein besonderes Risiko stellen die Olympischen Winterspiele dar.“

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Die Olympischen Winterspiele in einer „Blase“

Omikron hat die ohnehin große Nervosität der Gastgeber noch einmal erhöht. Athletinnen und Athleten sowie Gäste, die zu den Spielen aus dem Ausland anreisen, müssen sich auf harte Bedingungen einstellen. Peking will die Spiele komplett in eine „Blase“ verbannen, in der es keinerlei Kontakt zum Rest der Hauptstadt geben soll. Teilnehmende werden sich nur in „geschlossenen Kreisläufen“ zwischen Unterkünften und Wettkampfstätten oder Medienzentren bewegen dürfen. Völlig unklar ist, wie die Planerinnen und Planer vorgehen würden, sollte es innerhalb der Blase zu einem größeren Ausbruch kommen.

Dass die Spiele frei von Corona bleiben, scheint ausgeschlossen. Während die Athletinnen und Athleten in den kommenden Wochen für die Spiele am 4. Februar anreisen, dürfte die Verbreitung von Omikron in aller Welt einen neuen Höhepunkt erreichen.

RND/dpa

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