Plötzliche Kehrtwende

Ende der Null-Covid-Politik: China erlaubt Corona-Infizierten sogar zur Arbeit zu gehen

Seit Ende der Null-Covid-Strategie steigt die Zahl der Infektionen in China stark an. (Symbolbild)

Seit Ende der Null-Covid-Strategie steigt die Zahl der Infektionen in China stark an. (Symbolbild)

Peking. Zwei Wochen nach dem abrupten Ende der strikten Null-Covid-Strategie in China erlauben zahlreiche Städte den Infizierten ohne oder mit nur milden Symptomen sogar die Rückkehr an den Arbeitsplatz. Die parteinahe Zeitung „Global Times“ nannte am Mittwoch unter anderen Millionenmetropolen wie Chongqing und Guiyang im Südwesten oder Wuhu in der Provinz Anhui oder die 57 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner zählende ostchinesische Provinz Zhejiang. Es war von einer „besseren Balance zwischen epidemischer Vorbeugung und sozialer und wirtschaftlicher Entwicklung“ die Rede.

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In der 4,5-Millionen-Metropole Guiyang wurden Beschäftigte von Supermärkten, Lieferdiensten, Behörden, medizinischen Einrichtungen und anderen Institutionen zur Aufrechterhaltung des täglichen Lebens angewiesen, mit angemessenem Schutz arbeiten zu gehen, wenn sie keine oder nur leichte Krankheitserscheinungen zeigten und ihr Gesundheitszustand es zulasse, wie die „Global Times“ berichtete. Expertinnen und Experten hoben demnach hervor, dass die Städte je nach epidemischer Lage „dynamische Anpassungen“ machen sollten.

Null-Covid-Politik am 7. Dezember aufgehoben

Mitten im massiven Corona-Ausbruch hatte das bevölkerungsreichste Land der Welt nach fast drei Jahren mit Lockdowns, Zwangsquarantäne, Massentests und Kontaktverfolgung seine harte Null-Toleranz-Politik am 7. Dezember plötzlich aufgehoben. Die Kehrtwende wurde damit begründet, dass die Infektionen mit den neuen Omikron-Varianten nicht mehr so schwer verliefen. Doch sah die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den Grund vor allem darin, dass die Lage wegen vieler Proteste außer Kontrolle geraten war und die harten Maßnahmen nicht mehr durchgehalten werden konnten.

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Die Wende traf die Krankenhäuser unvorbereitet, weil es bis dahin „keine Strategie“ für eine Lockerung gab, wie ein europäischer Gesundheitsexperte schilderte. Die Impfkampagne war nur unzureichend vorangetrieben worden. Viele der 260 Millionen älteren Menschen über 60 Jahre sind unzureichend geschützt: Nur 70 Prozent der mehr als 60-Jährigen und 40 Prozent der Menschen über 80 Jahren haben eine Booster-Spritze bekommen. Moderne ausländische Impfstoffe sind aus politischen Gründen nicht zugelassen. Bei vielen Chinesinnen und Chinesen liegt die letzte Impfung weit zurück, so dass sie die Krankheit voll trifft.

Statt Krankenhäuser auszubauen und mehr Intensivbetten zu schaffen, waren vielmehr Quarantänelager für Zehntausende gebaut worden. Auch waren keine Vorräte an Medikamenten angelegt worden. Fieber- und Erkältungsmedizin oder Schnelltests waren sofort nach der Lockerung ausverkauft. Auch nach zwei Wochen fehlt der Nachschub: „Wir Chinesen sind zu viele“, erklärt eine Apothekerin ihre leeren Regale.

Offizielle Zahlen zur Infektionslage gibt es nicht mehr, aber allein von den 21 Millionen Menschen in Peking ist nach groben Schätzungen mehr als jeder Zweite erkrankt. Viele Restaurants, Unternehmen, Geschäfte, Banken haben geschlossen. Viele Läden und Restaurants haben wirtschaftlich nicht überlebt, wie verklebte Fensterfronten in Einkaufszentren zeigen.

Chinesische Propaganda spielt Covid-Gefahr herunter

Lange hatte die chinesische Führung ihre Null-Covid-Strategie als Zeichen für die systemische Überlegenheit des kommunistischen Systems gegenüber westlichen Gesellschaften gepriesen. Eindringlich wurde das Volk vor den Gefahren des Corona-Virus und der Folgeschäden gewarnt. Doch jetzt, wo die Maßnahmen nicht mehr greifen und der Preis für die zweitgrößte Volkswirtschaft steigt, wird das Risiko und die Schwere der Erkrankung mit ähnlicher Vehemenz heruntergespielt und die bisherige Politik als „völlig korrekt“ verteidigt.

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Die staatliche Propaganda wird nicht müde, davon zu sprechen, dass die Kehrtwende oder vielmehr „Optimierung“, wie es beschönigend heißt, „zum richtigen Zeitpunkt“ gekommen sei - auch ungeachtet der winterlichen Erkältungszeit. Die Pandemie sei jetzt „kontrollierbar“, wird beteuert. „Eine Rückkehr zu voller Normalität kann im Frühjahr erwartet werden“, will die „China Daily“ Hoffnung machen.

Hunderttausende Corona-Tote befürchtet

Vorher werden aber noch drei Corona-Wellen durch das Land rollen, wie Expertinnen und Experten vorhersagen. Die erste wird bis Mitte Januar städtische Gebiete betreffen. Die zweite wird bis Mitte Februar folgen, wenn Hunderte Millionen Menschen zum chinesischen Neujahrsfest am 22. Januar traditionell in ihre Heimatdörfer reisen werden. Mit der Rückkehr der Reisenden ist dann die dritte Infektionswelle bis Mitte März zu erwarten. Am Ende werden sich 80 bis 90 Prozent der 1,4 Milliarden Chinesen angesteckt haben, wird vorhergesagt.

Auch wenn die Krankheit mit Omikron nicht mehr so schwer verläuft, drohen China nach mehreren Studien zwischen einigen Hunderttausend bis hin zu fast einer Million Tote. Die Höhe hängt davon ab, wie schnell mit Booster-Präparaten geimpft wird, Medikamente zur Behandlung eingesetzt werden, wie viel Maske getragen wird oder weiter öffentliche und soziale Gesundheitsmaßnahmen ergriffen werden.

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Krematorien in Peking haben heute schon lange Wartezeiten. „Seit der Covid-Öffnung sind wir mit Arbeit überlastet“, schildert eine Mitarbeiterin der Dongjiao-Einäscherunganstalt dem „Wall Street Journal“. „Im Moment sind es 24 Stunden am Tag. Wir kommen nicht nach.“ Viele Covid-Opfer werden in der Statistik aber gar nicht gezählt, weil die Todesursache vielmehr an Vorerkrankungen festgemacht wird. Nur wer nach einer Infektion an Lungenentzündung oder Versagen der Atemwege gestorben ist, wird nach einer sehr engen, neuen Definition auch als Corona-Toter gezählt.

RND/dpa

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