„Blutwäsche“ im TV

Umstrittene Behandlungsmethode gegen Long Covid: ARD-Doku von Eckart von Hirschhausen wirft Fragen auf

Während der Dreharbeiten für seine insgesamt vierte Doku zum Thema Corona, erwischte Eckart von Hirschhausen selbst eine Covid-Infektion. Danach ließ er sein Blut untersuchen und "probierte" Blutwäsche.

Während der Dreharbeiten für seine insgesamt vierte Doku zum Thema Corona, erwischte Eckart von Hirschhausen selbst eine Covid-Infektion. Danach ließ er sein Blut untersuchen und "probierte" Blutwäsche.

„Das ist aus meiner Sicht das größte gesundheitspolitische Problem der Zukunft“, sagt die Mülheimerin Dr. Beate Jäger in Eckart von Hirschhauses Dokumentation „Hirschhausen und Long Covid - die Pandemie der Unbehandelten“. Die Internistin behandelt Long-Covid-Betroffene in ihrer Praxis im Ruhrgebiet. Selbstfinanziert forscht sie daran, welche Faktoren die beobachteten Behandlungserfolge bei ihren Patientinnen und Patienten durch „Blutwäsche“ bedingen.

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Mitten während der Dreharbeiten für die ARD-Doku erkrankt auch Moderator von Hirschhausen an Covid. Anschließend lässt er sein Blut untersuchen und findet auffällige Blutgerinnsel - ein fast schon typischer Zustand nach einem Covid-Infekt. Für die Dokumentation lässt er daher sein Blut mit der sogenannten HELP-Apherese waschen. Dass die Methode jedoch in Medizinkreisen stark umstritten ist, wird lediglich in einem kurzen Nebensatz erwähnt. Für die Wirksamkeit gegen Long Covid gebe es bislang keine ausreichenden Belege.

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„Der Film macht mir wirklich Bauchweh“, kritisiert etwa Carmen Scheibenbogen gegenüber der „ARD“. Die Leiterin der Immundefekt-Ambulanz an der Berliner Charité taucht im Film selbst auf und spricht über ihre Forschung zum Chronischen Erschöpfungssyndrom (ME/CFS). „Ich habe Sorge, dass der Film dazu führen wird, dass viele Patienten in ihrer Verzweiflung Geld in die Hand nehmen und sich eine HELP-Apherese machen lassen“, befürchtet die Ärztin. „Da hat sich ein Markt entwickelt.“

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Wenig Geld für die Long-Covid-Forschung

Tatsächlich befürchte man, dass unbehandeltes Long Covid chronisch und damit irreversibel ein könnte. Dies würde nicht nur hunderttausendfaches individuelles Leid allein in Deutschland verursachen, sondern auch das Gesundheitssystem schwer belasten. Umso unverständlicher ist es, dass verhältnismäßig wenig Geld und Engagement in die Long-Covid-Forschung fließt. Ein Punkt, den Eckart von Hirschhausen in seiner zweiten Primetime-Doku fast schon auf die Palme bringt.

„Weltweit gibt es bereits 100 Millionen Long-Covid-Patienten und es werden immer mehr“, sagt etwa ein britischer Arzt, der selbst als Patient nach Mülheim zur Blutwäsche gereist ist und mittlerweile im Forschungsteam mitarbeitet.

Drei Mechanismen vermutet man, die Long-Covid-Betroffene krank machen. Die erste Möglichkeit: das Virus infiziert Gefäßwände, was für eine Sauerstoffunterversorgung in Muskeln und Gehirn sorgt. Variante zwei: das Virus triggert Auto-Antikörper, die sich gegen das eigene Nervensystem wenden. Die dritte Möglichkeit: Teile des Virus verbleiben im Körper und wirken weiter. Der Tenor der Dokumentation: Für alle drei Modelle gibt es Behandlungsmöglichkeiten, doch sie werden kaum erforscht und angewendet.

Die Gesamtzahl der an einem Chronischen Erschöpfungssyndrom (ME/CFS) Leidenden schätzt man in Deutschland auf 250.000. Rund die Hälfte von ihnen kann nicht mehr arbeiten. Durch Long Covid kommen nun Zehntausende hinzu. Carmen Scheibenbogen, zählt zu den deutschen Top-Expertinnen zum Thema. Sie bräuchte zehn Millionen Euro für einige klinische Studien am Fatigue Centrum der Berliner Charité - und bekommt sie bislang nicht. Zum Vergleich: Jeden Tag werden im deutschen Gesundheitswesen etwa eine Milliarde Euro ausgegeben, wirft Eckart von Hirschhausen ein.

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Bislang nur fünf Millionen Euro von der Bundesregierung

Der Beitrag zeigt daraufhin mehrere Beispiele von Ärztinnen und Ärzten, die selbst Studien durchführen und finanzieren. Einige von ihnen forschen, weil sie selbst betroffen sind, wie die Hausärztin Anna Brock, die zudem Betroffene berät. Ein 33-jähriger ehemaliger Jurist und DJ, der nach einer anderen Viruserkrankung vor fünf Jahren das Chronische Erschöpfungssyndrom behalten hat und seitdem nicht mehr arbeiten kann, nennt ME/CFS „die leiseste humanitäre Katastrophe der Welt“.

Eckart von Hirschhausen (zweiter von links) und Ärztin Anna Brock im Gespräch mit dem Neurologen Prof. Dr. Christoph Kleinschnitz, der bei der Mehrheit seiner Long-Covid-Patienten eine psychosomatische Ursache für wahrscheinlich hält.

Eckart von Hirschhausen (zweiter von links) und Ärztin Anna Brock im Gespräch mit dem Neurologen Prof. Dr. Christoph Kleinschnitz, der bei der Mehrheit seiner Long-Covid-Patienten eine psychosomatische Ursache für wahrscheinlich hält.

Seit Jahrzehnten ist die Krankheit bekannt und dennoch kaum erforscht. Dabei ist ME/CFS in Bezug auf Verbreitung und Schwere vergleichbar mit Multipler Sklerose - wo ungleich mehr geforscht wird. Von Hirschhausen bringt die Aktivistin Anna Brock auch mit einem Neurologie-Professor zusammen, der behauptet, viele Long-Covid-Betroffene (90 Prozent laut einer eigenen, aber noch nicht bestätigten Studie) würden vor allem an einem psychischen Problem leiden, da man körperlich bei Untersuchungen nicht viel feststellen könne. Man diskutiert, kommt aber nicht zusammen. Der Vorwurf von Anna Brock: Durch die Suggestion, das Leiden könne rein psychische Ursachen haben, verwehre man Tausenden von Long-Covid- und Fatigue-Patientinnen und -Patienten den Zugang zu Diagnostik und Behandlung.

Eckart von Hirschhausen trifft Karl Lauterbach

Tatsächlich erhält die einflussreiche mediale Galionsfigur Eckart von Hirschhausen am Ende seiner eindringlichen 45-Minuten-Reportage einen Termin bei Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, der auch mit der Kamera dokumentiert wird. „Ja, wir haben eine Pandemie der Unbehandelten“, stellt der SPD-Politiker fest. „Der Expertenrat hat ja darauf hingewiesen, dass es eine neue Volkskrankheit werden könnte.“

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Dass zu ME/CFS zu wenig geforscht wurde, ist sich Lauterbach sicher. Wohl weil die Gruppe mit 250.000 Menschen nicht so groß war und sie lange Zeit als psychosomatische Erkrankung abgetan wurde, wird vermutet. Im Mai 2022 bewilligte die Bundesregierung schmale fünf Millionen Euro für die Therapieforschung von Long Covid und MC/CFS.

Vielleicht gerät ja nach Ausstrahlung dieses Films wieder etwas in Bewegung. „Hirschhausen und Long-Covid - die Pandemie der Unbehandelten“ lief am Montagabend im Ersten und ist auch in der ARD-Mediathek abrufbar.

RND/al/Teleschau

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