Außerhalb von klinischen Tests: Chinesische Unternehmen nutzen bereits Corona-Impfstoffe
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Ein Mitarbeiter arbeitet an einer Impfstoff-Produktionsanlage der China National Pharmaceutical Group (Sinopharm). (Symboldbild)
© Quelle: Zhang Yuwei/XinHua/dpa
Peking. Welch unkonventionelle Maßnahmen der historische Wettlauf um einen Sars-CoV-2-Impfstoff hervorbringt, lässt sich dieser Tage in China beobachten. Das staatliche Ölunternehmen Petro China hat seinen Angestellten, die demnächst für Geschäftsreisen ins Ausland müssen, ein unmoralisches Angebot unterbreitet: Sie können sich als Freiwillige bereits einen vielversprechenden Impfstoff injizieren lassen – abseits jeglicher klinischen Testprozeduren. Über mögliche Nebenwirkungen wurden Versuchskaninchen jedoch scheinbar nicht unterrichtet.
Dabei handelt es sich um einen Kandidaten von Sinopharm, das seinerseits ebenfalls behauptet, bereits mehr als 1000 Angestellten – auf freiwilliger Basis – den “sicheren und wirksamen” Impfstoff verabreicht zu haben, 30 davon sogar noch vor den Zulassungen für die ersten klinischen Tests am Menschen.
Tests lösen massive moralische Bedenken aus
Auch die chinesische Armee hat seit Ende Juni die Regierungserlaubnis erhalten, den sich noch vor Phase drei befindlichen Wirkstoff von CanSino Biologics an seine Soldaten zu verabreichen. Was in der wissenschaftlichen Community massive moralische Bedenken auslöst, wird von der chinesischen Staatsführung als notwendige Abkürzung auf dem Weg zu einem wirksamen Corona-Schutz betrachtet.
Die Ansagen der Pharmaunternehmen aus der Volksrepublik strotzen nur so vor Selbstbewusstsein: Sinopharms Impfstoffkandidat sei gegen alle bisher entdeckten Virusstränge und Mutationen wirksam, sagte Firmenpräsident Yang Xiaoming in einem Interview mit der parteitreuen “Global Times”. Man habe bereits vier Millionen Dosen des vielversprechenden Produkts gespeichert und würde die Herstellung weiter forcieren. Auf dem Markt würde der Impfstoff möglicherweise noch Ende des Jahres landen, spätestens zu Beginn von 2021.
China arbeitet an Totimpfstoffen
Die Chinesen entwickeln – im Gegensatz zu den führenden Kandidaten aus den USA – sogenannte Totimpfstoffe. Diese enthalten abgetötete Viren, die sich im Körper zwar nicht mehr weiter vermehren können, allerdings dennoch eine Immunreaktion auslösen.
Der amerikanische Chefepidemiologe Anthony Fauci hatte bereits mehrfach in Medieninterviews behauptet, dass er nicht daran glaubt, dass der erste wirksame Impfstoff aus China kommen werde. Rein quantitativ liegt die Volksrepublik in dem globalen Rennen jedoch vorne: Von den knapp zwei Dutzend Kandidaten weltweit, die derzeit klinische Tests am Menschen durchlaufen, stammen acht aus China. Zwei davon, darunter auch der Impfstoff von Sinopharm, durchlaufen derzeit die finale dritte Testphase, ein dritter steht kurz davor.
Zu wenig Infizierte für Tests
Zuletzt wurden die chinesischen Pharmariesen ironischerweise vom epidemiologischen Erfolg im eigenen Land gebremst: In der Volksrepublik gibt es derzeit zu wenig aktiv Infizierte, um breit angelegte Testreihen effektiv durchführen zu können. Also zog Sinopharm nach Abu Dhabi, um dort die letzte Phase zu absolvieren. Das Unternehmen Sinovac Biotech hat für seinen Kandidaten einen Vertrag in Brasilien unterschrieben, wo es derzeit weltweit die zweitmeisten Infizierten gibt. Für die dritte Testphase haben sich dort innerhalb von 24 Stunden rund 600.000 Freiwillige gemeldet.
Theoretisch also hat China zumindest Chancen, den US-amerikanischen Pharmakonkurrenten den Schneid abzukaufen. Dennoch gibt man sich rhetorisch diplomatisch: “Wir sind im Rennen mit dem Coronavirus und nicht mit den Vereinigten Staaten”, sagt Sinopharm-Präsident Yang. Tatsächlich hat Präsident Xi Jinping im Gegensatz zu seinem US-Amtskollegen Donald Trump bereits deutlich gemacht, dass ein chinesischer Impfstoff der Weltgemeinschaft als öffentliches Gut zur Verfügung gestellt würde.