Astrazeneca-Impfstoff: Warum AZD1222 besser ist als sein Ruf
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Spritzen und eine Packung mit dem Impfstoff von AstraZeneca liegen in einem Impfzentrum in Berlin am Flughafen Tegel bereit.
© Quelle: Kay Nietfeld/dpa-pool/dpa
Der Corona-Impfstoff AZD1222 von Astrazeneca hat in den vergangenen Wochen oftmals für Schlagzeilen gesorgt. Allerdings war der Anlass für die Berichterstattung in den meisten Fällen nicht besonders erfreulich. Von einer zu geringen Wirksamkeit – auch gegen neu aufgetretene Coronavirus-Varianten – war die Rede, von starken Nebenwirkungen nach der ersten Impfung, von missachteten Liefervereinbarungen mit der EU und von einer lückenhaften Datenlage zur Impfstoffeffektivität bei Senioren über 65 Jahren. Das alles hat ein schlechtes Licht auf den britisch-schwedischen Pharmakonzern Astrazeneca geworfen.
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„Wenn ich mir die öffentliche Diskussion in Deutschland anschaue, ist da vieles falsch verstanden worden“, sagte Christian Drosten vergangene Woche im NDR-Podcast „Coronavirus-Update“. Der Berliner Virologe bemängelte vor allem, dass die Kommunikation des Impfstoffherstellers nicht glücklich verlaufen sei. Es seien von der Universität Oxford, die das Vektorvakzin mitentwickelt hat, zu früh zu kleine Datenhäppchen veröffentlicht worden, die dann zu voreiligen Schlüssen geführt hätten. Drosten betonte, dass der Astrazeneca-Impfstoff sehr gut sei.
Drosten: So schnell wie möglich impfen - auch Astrazeneca
Welcher Corona-Impfstoff wirkt wie gut? Und für welche Gruppen? In der aktuellen Debatte sieht der Berliner Virologe Christian Drosten einige Missverständnisse.
© Quelle: dpa
Weltärztepräsident verlangt wirksamere Impfstoffe für medizinisches Personal
Wie sehr das Image des Pharmakonzerns in Mitleidenschaft gezogen wurde, zeigt eine Umfrage des Hamburg Centers for Health Economics der Universität Hamburg. Diese kam zu dem Ergebnis, dass knapp die Hälfte der Deutschen zwar keine Präferenz bei den Impfstoffen hat. Könnten sich die Befragten aber für einen Hersteller entschieden, würden 33,3 Prozent Biontech und Pfizer wählen, 5,8 Prozent Moderna und nur zwei Prozent Astrazeneca.
Auch der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, zeigte sich skeptisch gegenüber dem Astrazeneca-Impfstoff. Er plädierte dafür, ihn nicht bei medizinischem Personal und Pflegekräften anzuwenden. Das Vakzin sei zwar genauso sicher wie die anderen. „Doch die geringere Wirksamkeit lässt sich nicht wegdiskutieren“, sagte Montgomery der „Rheinischen Post“. „Daher halte ich es für geboten, Menschen mit hohem Infektionsrisiko, zu denen medizinisches Personal oder Pflegekräfte gehören, mit besser wirksamen Vakzinen zu impfen.“
Was bedeutet eine 70- oder 95-prozentige Wirksamkeit?
Wirksamkeit – ein Wort, das immer im Zusammenhang mit den Corona-Impfstoffen Erwähnung findet. Doch was steckt eigentlich dahinter? Was bedeutet es, wenn das Vakzin von Biontech und Pfizer eine Wirksamkeit von 95 Prozent aufweist, das von Astrazeneca hingegen nur von 70 Prozent?
Diese Prozentangaben beschreiben letztendlich, wie viel geringer die Zahl der Erkrankungen bei Geimpften im Vergleich zu Nichtgeimpften ist. Das Robert-Koch-Institut führt auf seiner Internetseite zur 70-prozentigen Wirksamkeit des Astrazeneca-Impfstoffes folgendes Beispiel an:
Man stelle sich vor, in einer Gegend mit vielen aktiven Covid-19-Fällen treten etwa 20 Fälle je 1000 Personen auf. Würde in dieser Gegend dann ein Teil der Bevölkerung geimpft werden, würden nachfolgend noch 20 von 1000 ungeimpften Personen an Covid-19 erkranken, aber nur etwa sechs von 1000 geimpften Personen.
Im Fall der mRNA-Impfstoffe von Biontech und Pfizer sowie Moderna würden nur etwa einer von 1000 Geimpften an Covid-19 erkranken.
Prof. Jörg Timm, Leiter des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Düsseldorf, weist gegenüber der „Rheinischen Post“ darauf hin, dass die Angaben zur Wirksamkeit der Impfstoffe nur schwer miteinander vergleichbar seien. „Es handelte sich um unterschiedliche Studienpopulationen in verschiedenen Ländern, zudem wurde dazu nur auf die symptomatischen Infektionen geschaut.“ Entscheidend sei letztlich, ob die Impfstoffe schwere Verläufe verhindern können – und darin seien alle drei sehr gut.
Impfstoff senkt Hospitalisierungsrisiko schon nach einer Dosis deutlich
Eine Analyse mehrerer schottischer Universitäten und der Gesundheitsbehörde Public Health Scotland zeigte, dass bereits eine Dosis des Vektorvakzins ausreicht, um das Risiko eines Klinikaufenthalts um bis zu 94 Prozent zu reduzieren. Zum Vergleich: Der mRNA-Impfstoff von Biontech und Pfizer senkte das Risiko „nur“ um rund 85 Prozent. Die Preprint-Studie umfasste Daten von 5,4 Millionen Menschen aus dem Zeitraum vom 8. Dezember 2020 bis 15. Februar 2021.
Die Oxford-Universität wies im Fachmagazin „The Lancet“ ferner darauf hin, dass die Wirksamkeit des Vakzins höher ist, wenn der zeitliche Abstand zwischen Erst- und Zweitimpfung mindestens zwölf Wochen beträgt. Dann liege der Impfschutz bei 81 Prozent. Wenn zwischen beiden Impfungen nur bis zu sechs Wochen vergehen, sei die Wirksamkeit 26 Prozent niedriger. Die Ständige Impfkommission (Stiko) rät aktuell zu einem zeitlichen Abstand von neun bis zwölf Wochen.
Stiko-Empfehlung kann jederzeit aktualisiert werden
Dass die Stiko den Astrazeneca-Impfstoff in Deutschland nur für Personen zwischen 18 und 64 Jahren empfiehlt, bedeutet zudem nicht, dass das Vakzin in anderen Altersgruppen nicht wirksam ist. Aufgrund einer noch zu geringen Datenlage kann die Wirksamkeit bei den über 65-Jährigen einfach nicht bewertet werden.
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© Quelle: RND
„Wir haben nicht die Qualität des Impfstoffs bewertet, sondern die Qualität der Daten“, stellte Stiko-Chef Thomas Mertens klar. Die Empfehlungen werden aktualisiert, sobald weitere Daten zur Effizienz bei älteren Menschen vorliegen. Die Sicherheit des Impfstoffes stehe außer Zweifel, sagte Mertens Ende Januar.
Nebenwirkungen sind erwartbare Impfreaktionen
Jetzt, rund zwei Wochen später, ist es jedoch genau die Sicherheit des Vektorvakzins, die durch Meldungen über starke Nebenwirkungen in ein anderes Licht gerückt wird. In Emden, Braunschweig und im nordrhein-westfälischen Kreis Minden-Lübbecke sind die Impfungen zwischenzeitlich gestoppt worden, weil Geimpfte über Symptome wie Fieber, Übelkeit und Kopfschmerzen klagten – und sich infolgedessen krankschreiben lassen mussten. Ähnliche Vorfälle waren auch in Schweden und Frankreich aufgetreten.
Diese Nebenwirkungen sind jedoch keine Unbekannten. Schon in den klinischen Studien traten sie auf. Von den Teilnehmern, die Nebenwirkungen verspürten, berichteten 33,9 Prozent über Fieber, über Übelkeit 21,9 Prozent und über Kopfschmerzen 52,6 Prozent. Prof. Christian Bogdan, Direktor des Instituts für Klinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene an der Uniklinik Erlangen und Mitglied der Stiko, spricht in diesem Zusammenhang von einer „überhaupt nicht unterwarteten“ Impfreaktion.
Grippeähnliche Symptome kämen bei Anti-Viral-Vakzinen relativ häufig vor, auch bei dem Astrazeneca-Produkt, teilte das Unternehmen mit. Die Symptomatik verlaufe meist mild. Der Pharmakonzern hatte bei den Verträglichkeitsstudien im Vorfeld der Zulassung eine Nebenwirkungsquote von insgesamt rund 10 Prozent ausgemacht.
Astrazeneca-Impfstoff könnte mit anderen Vakzinen kombiniert werden
Neben den verstärkt aufgetretenen Nebenwirkungen dürfte Astrazenea auch die Ausbreitung der Coronavirus-Varianten weiter beobachten. Eine auf dem Preprint-Server medRxiv veröffentlichte Studie war am vergangenen Wochenende zu dem Ergebnis gekommen, dass AZD1222 nur minimal vor leichten und moderaten Erkrankungen nach einer Infektion mit der aus Südafrika stammenden Variante B.1.351 schützt. Über die Wirksamkeit bei schweren Verläufen wird in der Studie keine Aussage getroffen.
Daraufhin riet die panafrikanische Gesundheitsbehörde Africa CDC dazu, in den Ländern, in denen B.1.351 vorherrscht, nicht den Astrazeneca-Impfstoff einzusetzen. Die Weltgesundheitsorganisation widersprach: Es gebe keine Hinweise darauf, dass das Vakzin nicht gegen schwere Verläufe von Covid-19 schützt.
Selbst wenn der Impfstoff wirklich nicht gegen B.1.351 wirkt, gebe es wohl die Möglichkeit, dass die Geimpften nachträglich an die Virusvariante angepasste Vakzine erhalten. „Aus immunologischer Sicht wäre so was vermutlich kein Problem“, schreibt Florian Krammer, Professor am Department of Microbiology an der Icahn School of Medicine at Mount Sinai, auf Twitter. „Aber natürlich wäre es gut, wenn man für die Kombination Astrazeneca gefolgt von RNA-Impfstoffen Daten hätte. Ohne Daten kann man natürlich nicht einfach anfangen, das so in der Bevölkerung einzusetzen.“