Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen

219a abschaffen? Fakten rund um Abtreibungen in Deutschland

Eine Frau hält bei einer Kundgebung vor Beginn eines Berufungsprozesses gegen die Gießener Ärztin Hänel einen Zettel mit der Aufschrift „219a nicht zeitgemäß!“.

Eine Frau hält bei einer Kundgebung vor Beginn eines Berufungsprozesses gegen die Gießener Ärztin Hänel einen Zettel mit der Aufschrift „219a nicht zeitgemäß!“.

Unter welchen Umständen Menschen in Deutschland eine Schwangerschaft abbrechen können, ohne rechtswidrig zu handeln, ist im Strafgesetzbuch geregelt. Doch nicht nur das: Auch, inwieweit Medizinerinnen und Mediziner (nicht) über Abtreibungen informieren dürfen, regelt das Gesetz. Konkret geht es hierbei um den Paragraphen 219a, „Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft“. Dieser sorgt immer wieder für Debatten. Worum es in dem Konflikt geht, und was darüber hinaus rund ums Thema Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland wichtig ist: ein Überblick.

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Worum geht es beim Paragraphen 219a?

Der Paragraph 219a des Strafgesetzbuches trägt den Titel „Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft“. Defacto verbietet er Medizinerinnen und Medizinern, öffentlich über Abtreibungen zu informieren. Halten sie sich nicht daran, droht eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe.

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Seit einer Reform im Jahr 2019 dürfen Ärztinnen und Ärzte öffentlich, zum Beispiel auf ihrer Webseite, darüber informieren, dass Abtreibungen zu ihren Leistungen zählen. Weitere Infos dürfen sie aber öffentlich nicht nennen – nicht einmal, ob sie Abbrüche medikamentös, operativ oder in ihrer Praxis mit beiden Methoden durchführen.

Mit dem Begriff „Werbung“ sind einige Menschen nicht einverstanden. Wieso?

„Information ist keine Werbung“, schreibt das Beratungsstellennetzwerk Pro Familia. In einem offenen Brief des Arbeitskreises Frauengesundheit heißt es: „Jede sachliche Information zu Schwangerschaftsabbrüchen von Ärzten und Ärztinnen auf ihren Webseiten bleibt allerdings auch nach der Reform des Paragraphen im Februar 2019 unter Strafe gestellt.“

Es sei irreführend, von einem Werbeverbot zu sprechen, meint Daniel Drepper, Chefredakteur von „Ippen Investigativ“. „Das Wort Werbeverbot klingt so, als wäre es Ärztinnen lediglich verboten, reißerische TV-Spots zu buchen oder Sonderrabatte auf Abbrüche zu geben“, erklärt der Journalist. Doch der Paragraph gehe viel weiter, spricht von „anbieten, ankündigen und anpreisen“. Damit verbiete er Ärztinnen und Ärzten fast jegliche öffentliche Information zu Schwangerschaftsabbrüchen.

Wer darf Abtreibungen durchführen – und wie?

Eine der Bedingungen, damit ein Schwangerschaftsabbruch keine Strafe nach sich zieht, ist, dass ein Arzt oder eine Ärztin ihn durchführt. Geregelt ist das im Paragraph 218a des Strafgesetzbuches. Dass es sich um einen Gynäkologen oder eine Gynäkologin handeln muss, davon steht im Gesetzestext nichts. Eine der bekanntesten Medizinerinnen und Abtreibungsbefürworterinnen, die in Deutschland Schwangerschaftsabbrüche anbietet, ist etwa Kristina Hänel – Fachärztin für Allgemeinmedizin.

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Um eine Schwangerschaft abzubrechen, gibt es zwei Methoden: die medikamentöse und die operative. Bis zum 63. Tag nach dem ersten Tag der vergangenen Monatsblutung ist die Abtreibung mit Medikamenten möglich. Anders als die „Pille danach“ kann man dieses Medikament nicht einfach in der Apotheke kaufen. Denn die medikamentöse Abtreibung muss durch einen Arzt oder eine Ärztin begleitet werden.

Wenn seit der Empfängnis nicht mehr als zwölf Wochen vergangen sind, dürfen Frauen in Deutschland operativ ihre Schwangerschaft beenden lassen. So regelt es das Gesetz. Beim Eingriff werden Embryo und Gebärmutterschleimhaut in den meisten Fällen abgesaugt. In seltenen Fällen schaben Ärztinnen oder Ärzte die Gebärmutter stattdessen aus. Der operative Schwangerschaftsabbruch geht in der Regel ambulant in einer Klinik oder Arztpraxis vonstatten, entweder mit örtlicher Betäubung oder Vollnarkose.

Wie sieht die Versorgungslage in Deutschland aus?

Die Bundesärztekammer listet auf ihrer Webseite Praxen und Kliniken, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Was beim Blick auf die zugehörige Karte auffällt, ist die ungleiche Verteilung der Standorte. In Bayern etwa gibt es nur eine Handvoll Ärztinnen und Ärzte, die Abbrüche vornehmen und bei der Bundesärztekammer gelistet sind. Auch in Teilen anderer Bundesländer zeigt die Karte größere Flächen, in denen kein Mediziner oder keine Medizinerin Schwangerschaftsabbrüche als Leistung anbietet. Die meisten Praxen und Kliniken befinden sich in Städten. Frauen, die in dünn besiedelten Gegenden leben, müssen also oft weite Strecken fahren.

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Auch Recherchen des ZDF weisen darauf hin, dass die Versorgungslage sich verschlechtert: Die Zahl der Kliniken und Arztpraxen, die Schwangerschaftsabbrüche ausführen, sei von 2.050 im Jahr 2003 auf 1.128 im ersten Quartal 2020 gesunken.

Wo kann man sich über Abtreibungen informieren?

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) informiert auf ihrer Webseite www.familienplanung.de ausführlich über Schwangerschaftsabbrüche. Auch bietet die BZgA eine Datenbank, die Beratungsstellen in ganz Deutschland listet. Verbände wie Pro Familia, die Caritas oder die Arbeiterwohlfahrt (Awo) bieten ebenfalls Informationen zum Thema Abtreibung.

Wer sich informiert, sollte auf derartige offizielle Quellen zurückgreifen. Denn auch Gegnerinnen und Gegner von Abtreibungen haben Webseiten geschaltet, die auf den ersten Blick kaum von seriösen Angeboten zu unterscheiden sind – oder versuchen mit teils widerlichen Bildern von medizinischen Eingriffen Frauen moralisch einzuschüchtern, damit sie nicht abtreiben.

Welche Schritte sind für Betroffene vor einer Abtreibung nötig?

Wer in Deutschland eine Schwangerschaft abbrechen lassen möchte, muss sich laut Strafgesetzbuch vorher in einer anerkannten Schwangerschaftskonflikt-Beratungsstelle beraten lassen. Ohne den Beratungsschein, den Frauen dort kriegen, ist eine Abtreibung strafbar. Außerdem darf der Abbruch frühestens am vierten Tag nach der Beratung durchgeführt werden.

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Die Pflicht zur Beratung entfällt, wenn eine Frau aufgrund eines Sexualdeliktes schwanger geworden ist oder medizinische Gründe für die Abtreibung sprechen.

Wie viele Frauen treiben in Deutschland pro Jahr ab?

Im Jahr 2020 haben knapp 100.000 Frauen in Deutschland einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen. Das geht aus Zahlen des Statistischen Bundesamts hervor. Sieben von zehn Frauen waren bei ihrer Abtreibung zwischen 18 und 34 Jahre alt, nur 3 Prozent jünger als 18 Jahre.

4 Prozent der Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch durchführen ließen, taten dies aus medizinischen Gründen oder aufgrund von Sexualdelikten. Die anderen 96 Prozent entschieden sich nach der verpflichtenden Beratung für den Abbruch.

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