40 Prozent der Corona-Fälle sind Reiserückkehrer – Ist das schlimm?
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Ein kommerzielles Covid-19-Testzentrum am Flughafen Hamburg.
© Quelle: Christian Charisius/dpa
Seit Anfang August sollen sich Urlaubsrückkehrer aus Risikoländern auf eine Infektion mit dem Coronavirus testen lassen. Wer das nicht tut, kann vom Gesundheitsamt dazu verpflichtet werden – bei Weigerung droht ein Bußgeld.
Urlauber müssen die Tests zwar nicht direkt am Flughafen machen. Sie können auch später zu einem niedergelassenen Arzt gehen, der Test bleibt innerhalb der ersten 72 Stunden nach Ankunft kostenlos. Allerdings sollen die Gratis-Testzentren an Flughäfen einen besonderen Anreiz bieten.
Laborverband warnt vor Überlastung
Doch es kann passieren, dass Reiserückkehrer am Flughafen eintreffen, aber die Teststation schon geschlossen ist, wie zuletzt am Berliner Flughafen Tegel. Die eingetroffenen Passagiere eines Fliegers aus Mallorca konnten sich nicht mehr testen lassen, obwohl Spanien zuvor zum Risikogebiet erklärt worden war.
Zudem warnen die Labore kurz vor einer Überlastung. Der Interessenverband der akkreditierten medizinischen Labore in Deutschland (ALM e.V.) sagte in einer Pressemitteilung, es könnten Engpässe bei der Auswertung von Tests entstehen, wenn “zusätzlich zu den Testungen der Reiserückkehrer noch regionale Ausbrüche zu verzeichnen wären.” Man “wage nicht daran zu denken, was passiert” wenn man bei dauerhaft zu hoher Auslastung keine Reserven mehr für weitere Hotspots habe, so der Verband. Er fordert deshalb, Tests “nur dann einzusetzen, wenn daraus auch Handlungen und ein Nutzen abgeleitet werden können”.
Einmalige Tests haben nur eine bedingte Aussagekraft
Der Nutzen flächendeckender Tests bei Reiserückkehrern dürfte jedoch bei allem Aufwand begrenzt bleiben. Das liegt zum einen an deren Aussagekraft. So brauchen Einreisende gemäß der neuen Verordnung zunächst nur ein einzelnes Testergebnis vorzulegen. Einmalige Tests bei Symptomlosen haben aber nur eine geringe Trefferquote, erst Recht, wenn der genaue Ansteckungszeitpunkt unbekannt ist.
Denn in einem sehr frühen Stadium lässt sich eine Infektion nur schwer nachweisen. Nach einer Studienanalyse von Wissenschaftlern der Johns-Hopkins-Universität war das Coronavirus noch am vierten Tag nach Ansteckung in fast 70 Prozent der Fälle nicht nachweisbar. Selbst nach dem ersten Auftreten von Symptomen wurden 40 Prozent der Fälle noch nicht entdeckt. Einigermaßen verlässlich waren die Tests nur am achten Tag nach Ansteckung, sie wiesen dann 80 Prozent der Infektionen nach. Aufgrund dieser Ergebnisse hatten die Autoren im Mai gewarnt, eine Infektion aufgrund eines einmaligen Negativtests komplett auszuschließen.
Positivrate ist entscheidend
Erste Zahlen zur Frage, wie viele der getesteten Reiserückkehrer ein positives Ergebnis hatten, wurden bereits veröffentlicht. In Bayern waren nach Berichten des bayrischen Rundfunks unter Berufung auf das Gesundheitsamt von insgesamt 107.376 Corona-Tests bei Reiserückkehrern 1389 positiv, das entspräche einer Positivquote von 1,29 Prozent.
Die Landesregierung Rheinland-Pfalz gab bekannt, dass Befunde von bislang 13.025 Tests am Flughafen und im deutschen Grenzgebiet zu Luxemburg, Frankreich und Belgien vorlägen, darunter 75 positive. Hierbei ist die Quote noch geringer und liegt bei 0,58 Prozent. Die durchschnittlich Positivrate bei Tests in Deutschland liegt laut RKI derzeit bei rund 1 Prozent.
Täuschen die Zahlen?
Blickt man hingegen nur auf die gemeldeten Fälle beim RKI, scheint der Anteil im Ausland erworbener Infektionen sehr groß zu sein und stetig zuzunehmen: Er lag in der Woche bis zum 18. August bei fast 40 Prozent. Doch dabei muss man berücksichtigen: Dank der Testpflicht werden überdurchschnittlich viele Reiserückkehrer getestet. Wird aber in einer Bevölkerungsgruppe eine große Menge Tests durchgeführt, werden in dieser Gruppe auch deutlich mehr Fälle entdeckt.
Sagen lässt sich zumindest, dass Rückkehrer aus dem Kosovo und der Türkei besonders häufig positiv getestet werden. Es dürfte sich vor allem um die ersten Familienbesuche nach den Reisebeschränkungen handeln. Nicht zu stimmen scheint daher der Vorwurf, Reisende in Risikogebieten würden sich gedankenlos für ihr Ziel entscheiden. So hatte zuletzt Hamburgs erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) kritisiert, man könne ja “auch einfach woanders Urlaub machen”. Aus ähnlichen Gründen hatten Politiker anderer Parteien immer wieder gefordert, Rückkehrer ihren Corona-Test selbst bezahlen zu lassen.
Gratisangebot soll wohl auch zum Testen motivieren
Das Gesundheitsministerium lehnt das aber ohnehin weiter ab, vermutlich auch weil die Testzahlen dann wieder sinken dürften. Es lässt sich nämlich kaum kontrollieren, wer sich wirklich testen lässt. So werden die Gesundheitsämter nur stichprobenartig Kontrollen durchführen. Das Gratisangebot soll daher wohl auch zum Testen motivieren. Wenn die Kosten von über 60 Euro pro Person selbst getragen werden müssten, würde das besonders für Familien schnell teuer. Es wäre dann damit zu rechnen, dass mehr Reiserückkehrer auf einen Corona-Test verzichten.