2G plus: Gibt es dafür überhaupt genügend Schnelltests?
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Meldungen über lange Schlangen an den Testzentren kommen aus vielen Städten – auch aus Frankfurt am Main.
© Quelle: Arne Dedert/dpa
Hannover. In der vierten Corona-Welle ergreifen die Bundesländer derzeit verstärkt Maßnahmen, die Infektionen verhindern sollen. Der Bund will in Absprache mit den Ländern am Donnerstag mit neuen Beschlüssen nachschärfen. Auf ein Instrument hat man sich bei regional besonders kritischer Lage aber bereits verständigt: die 2G-plus-Regel.
Diese soll überall dort in Kraft treten, wo der Hospitalisierungswert den fünften Werktag in Folge über sechs und die Inzidenz bei über 100 liegt. Bei 2G plus gelten zwei Grundsätze: Nur noch Geimpfte und Genesene haben Zugang zu Angeboten aus Freizeit und Kultur. Und vor dem Eintritt müssen sie einen negativen und tagesaktuell durchgeführten Corona-Schnelltest vorlegen. Aber ist das in der Realität so einfach umsetzbar?
Bundesländer setzen stärker auf 2G plus
In welchen gesellschaftlichen Bereichen 2G plus gilt, regeln die jeweiligen Corona-Verordnungen der Bundesländer. Diese können sich auch kurzfristig ändern und an die Infektionsdynamik angepasst werden. Jüngstes Beispiel ist etwa Niedersachsen. In nahezu allen Kommunen wird dort 2G plus seit Anfang Dezember gemäß aktueller Verordnung auf mehr Bereiche im öffentlichen und privaten Leben ausgeweitet.
Den negativen Schnelltest benötigen Geimpfte und Genese dann etwa für einen Besuch der Innengastronomie, bei der Beherbergung im Hotel, bei privaten Zusammenkünften mit mehr als 15 Personen, bei Sport in geschlossenen Räumen, bei körpernahen Dienstleistungen, beim Besuch von Kino und Weihnachtsmärkten. Ausgenommen davon sind Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. In Clubs, Diskotheken und Shisha-Bars müssen aber auch Jüngere den Nachweis erbringen. Ähnliche Regeln haben unter anderem auch Bayern und Mecklenburg-Vorpommern getroffen.
Während Ungeimpfte dann also keine Möglichkeit mehr haben, an solchen Aktivitäten teilzunehmen, brauchen Geimpfte und Genesene für gesellschaftliche Teilhabe in der Freizeit regelmäßig einen maximal 24 Stunden alten Schnelltest aus einem zertifizierten Testzentrum oder der Apotheke – oder können im Einzelfall auch einen Selbsttest unter Aufsicht der kontrollierenden Personen am Einlass durchführen. Auch ein PCR-Test gilt, der 48 Stunden gültig ist.
Sorge der Kommunen: ein Lockdown durch die Hintertür?
So viel zu den gesetzlichen Vorgaben. In der Realität könnten diese aber zu Problemen führen, weil Testangebote für den Bedarf nicht ausreichen. Das zumindest fürchten zahlreiche Bürgermeister aus Kommunen in Niedersachsen mit der Einführung von 2G plus. In einem Brandbrief an den Ministerpräsidenten Stephan Weil warnen sie vor verheerenden Auswirkungen auf Gastronomie, Beherbergungsgewerbe und Weihnachtsmärkte. „Hier dürfte der 2G-plus-Standard wie ein Lockdown durch die Hintertür wirken“, heißt es in dem Schreiben, über das die „Hannoversche Allgemeine“ berichtet.
Die aktuell bestehende Testinfrastruktur sei nicht geeignet, den dadurch entstehenden Bedarf nach Tests „auch nur annähernd zu befriedigen, insbesondere im ländlichen Raum“. Auch mehrere Krankenhäuser hätten bereits angekündigt, außer im Bereich der Kinder-, Jugend- und Palliativmedizin keinen Besuch mehr zuzulassen. Für Eltern dürfte es zudem schwierig werden, kleinere Kinder in Umkleidekabinen oder in Sportstätten in geschlossenen Räumen zu begleiten.
Lange Schlangen vor den Testzentren
Fehlende Infrastruktur für den neuen Bedarf nach Tests gibt es offensichtlich auch in anderen Bundesländern. Aus dem mecklenburg-vorpommerischen Rostock etwa wurde berichtet, dass Menschen allein am Sonntag für einen Test bis zu vier Stunden in der Kälte vor dem einzigen offiziellen Corona-Abstrichzentrum der Stadt warten mussten – die Warteschlange war bis zu 500 Meter lang.
Tags darauf betrug die Wartezeit zwei Stunden – aber nur für jene, die bereits seit acht Uhr, also eine Stunde vor der offiziellen Öffnung, ausgeharrt hatten. Als erste Sofortmaßnahme soll nun ein größeres Zelt für die Wartenden aufgestellt werden, kündigte die Stadt an. Meldungen über lange Schlangen an den Testzentren kommen auch aus Berlin und Bayreuth, Leipzig und Frankfurt, Bremen und Bonn.
RKI-Chef Wieler: Ausmaß der vierten Welle zeigt sich im Frühjahr
Laut dem Präsidenten des Robert Koch-Instituts (RKI) dürfte das ganze Ausmaß der vierten Corona-Welle erst in einigen Monaten deutlich werden.
© Quelle: dpa
Der gestiegene Bedarf nach Terminen in Testzentren ist wohl auch auf eine weitere neue Regel zurückzuführen: Neben dem 2G-plus-Modell gilt bundesweit seit Kurzem auch die 3G-Regel am Arbeitsplatz. Das heißt, wer nicht geimpft oder genesen ist, muss sich ebenfalls regelmäßig um einen tagesaktuellen Nachweis kümmern. Ein Selbsttest, den man zu Hause machen kann, reicht nicht aus. Die Ausnahme: Wenn auf den Arbeitsstätten speziell geschultes Personal die Selbsttests beaufsichtigen kann.
Auch die Versorgung mit Selbsttests wird knapp
Doch auch dafür braucht es erst einmal die entsprechenden Tests. Wie die „Ostsee-Zeitung“ berichtet, sind die Antigentestregale bei den Drogerien im Nordosten wegen Lieferengpässen leer. Kein Einzelfall: Mehrere Apotheken aus Mecklenburg-Vorpommern berichten ebenfalls davon, dass sie schon seit Wochen keine Lieferungen mehr erhalten haben und Kunden wegschicken mussten.
Auch in Niedersachsen wächst die Nachfrage nach Selbsttests. Nach einem „HAZ“-Bericht vom Dienstag waren Corona-Tests jüngst in etlichen Supermärkten und Drogerien ausverkauft. Ein Sprecher der Handelskette Rewe sagte der Zeitung, es gebe punktuell eine besonders hohe Nachfrage. Auch in der Rossmann-Zentrale in Burgwedel hieß es, dass die Nachfrage nach Corona-Selbsttests seit September kontinuierlich gestiegen sei. Die befragten Handelsketten gehen aber davon aus, dass bald wieder genug Corona-Tests in den Regalen liegen. Grundsätzliche Versorgungs- und Lieferengpässe gebe es nicht.
Auch die „Göttinger Zeitung“ berichtet über Engpässe. So kann Tobias Wagner, Inhaber der Goethe-Apotheke in der Göttinger Innenstadt, der Eikborn-Apotheke in Elliehausen und der Grafenhof-Apotheke in Northeim, zurzeit kaum noch testen. „Die Lieferanten vertrösten mich“, er könne aktuell kaum planen. In den letzten Tagen sei die Nachfrage nach den Tests „unglaublich hoch“ gewesen, sodass er den ganzen Tag hätte durchtesten können, sagt Wagner – aber da musste er bereits Tests abzählen und Kunden und Kundinnen abweisen.
Und im Süden Deutschlands? Auch Nürnbergs Schnelltestzentren könnten bald die Tests ausgehen, berichtet etwa der Bayrische Rundfunk. Die Lieferanten hätten bereits signalisiert, dass es zu Problemen kommen könnte, sagt Brigitte Lischka, Geschäftsführerin des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK). „Der Markt verknappt sich gerade ganz schnell.“ So sei unklar, ob die Bestellungen demnächst pünktlich und in vollem Umfang bei den Testzentren ankommen werden.
RND