Corona-Hotspot Coesfeld: Neun Westfleisch-Mitarbeiter womöglich aus Quarantäne verschwunden
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“Fleischcenter Coesfeld” steht auf einem Pförtnerhäuschen beim Fleischverarbeiter Westfleisch. Der Betrieb steht wegen eines Corona-Ausbruchs derzeit still.
© Quelle: Guido Kirchner/dpa
Die Zahlen aus Coesfeld hatten bundesweit für Schlagzeilen gesorgt: Innerhalb weniger Tage war die Zahl der Corona-Infizierten im Schlachtbetrieb Westfleisch von einigen wenigen auf aktuell 268 positiv Getestete gestiegen. Obwohl das Infektionsgeschehen im Landkreis – wie auch im Rest Deutschlands – auf sinkendem Niveau ist, gilt der Kreis aktuell als Corona-Hotspot. Neben den 268 infizierten Mitarbeitern, die größtenteils Arbeitsmigranten aus Polen, Rumänien und Bulgarien sind, stehen im Kreis Coesfeld 262 weitere Arbeiter unter Quarantäne – zumindest in der Theorie. Nach Informationen des RedaktionsNetzwerk Deutschlands (RND) ist bei neun Mitarbeitern der Aufenthaltsort derzeit ungeklärt.
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Wie der Landkreis Coesfeld an diesem Freitag auf RND-Anfrage bestätigte, waren in einer Unterkunft für Westfleisch-Mitarbeiter in der Gemeinde Nottuln bei einer Kontrolle des Ordnungsamts nur 16 von offiziell 25 gemeldeten Bewohnern anwesend. Zehn der vor Ort angetroffenen Bewohner seien Corona-Infizierte, die sechs anderen stünden als Kontaktpersonen ebenfalls unter Quarantäne. Ob die neun fehlenden Personen nach der behördlichen Anordnung verschwunden seien, oder schon vorher die Unterkunft verlassen hatten, könne niemand beantworten, sagte Dietrich Aden, Leiter des Gesundheitsamts im Kreis Coesfeld am heutigen Freitag. “Nach Auskunft des Subunternehmers sowie der Mitbewohner befanden sich die Personen vor dem Ausbruchsgeschehen nicht mehr am gemeldeten Wohnort. Ob dieses zutrifft, kann letztlich von hier nicht geprüft werden”, erklärte er.
Unübersichtliche Unterbringung der Westfleisch-Mitarbeiter
Wer grundsätzlich wo wohnt und welche Mitarbeiter aktuell an welchem Standort in Quarantäne untergebracht sind, scheint unübersichtlich. Von 1200 Westfleisch-Arbeitern am Hauptstandort in Coesfeld sind etwa 750 Arbeitsmigranten bei Subunternehmen angestellt. Die Unterbringung erfolgt nicht zentral in Sammelunterkünften, sondern verstreut über den gesamten Kreis, mal in größeren Wohneinheiten mit 40 Personen, mal in kleinen Wohngemeinschaften mit drei, vier Menschen. Allein in der Stadt Coesfeld sind nach Angaben des Kreises Coesfeld 120 Adressen von Westfleisch oder Subunternehmen für Mitarbeiter angemietet. Zudem seien in einigen Gemeinden Infizierte in anderen, eigens angemieteten Tagungshotels oder Jugendherbergen im Umkreis isoliert unterbracht worden.
Nachdem in der ersten Maiwoche die Zahl der positiv getesteten Westfleisch-Mitarbeiter rasant angestiegen war, hatte Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) Massentests für Fleischbetriebe in ganz Nordrhein-Westfalen angeordnet. Die Anweisung und auch die Kontrolle der Quarantänemaßnahmen für Infizierte samt Kontaktpersonen ist seither Aufgabe der örtlichen Ordnungsämter. Hierbei sind offenbar Fehler passiert: Wie der Kreis Coesfeld dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) bestätigte, hat das Ordnungsamt in der betroffenen Unterkunft in Nottuln die schriftliche Quarantäneverfügung zwar zugestellt – allerdings ohne zu prüfen, ob die dort gemeldeten 25 Bewohner in dem Mehrfamilienhaus überhaupt anwesend waren.
Geplante Lockerungen sollen trotz allem kommen
Aufgefallen war das Fehlen mehrerer unter Quarantäne gestellter Menschen in dem Haus in Nottuln auch, weil ein Kamerateam der ZDF-Sendung “Frontal 21” das Ordnungsamt am Donnerstag bei einer Kontrolle begleitete. Ortsbürgermeisterin Manuela Mahnke (SPD) zeigte sich dem ZDF-Team gegenüber “entsetzt” und konnte nicht erklären, wo sich mehrere Bewohner befinden. Bereits einen Tag zuvor, am Mittwoch, hatte Edmund Heller, Staatssekretär im NRW-Gesundheitsministerium im Landtag, zum Thema Westfleisch auf entsprechende Fragen geantwortet, dass “mehrere Personen” im Kreis Coesfeld gesucht würden. Auf RND-Anfrage bestätigte auch Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann am Freitag, dass das Ordnungsamt nach Westfleisch-Mitarbeitern sucht, die sich eigentlich in Quarantäne befinden müssten. Um wie viele Personen es sich handelt und aus welchem Ort, dazu lägen ihm keine Informationen vor, so Laumann.
Im Kreis Coesfeld seien bisher keine weiteren Fälle dieser Art bekannt, sagte Amtsleiter Aden bei Rückfragen am Telefon und weist auch auf die außergewöhnliche Belastung der Behörden in der Corona-Krise hin. Die wegen des Corona-Ausbruchs bei Westfleisch im ganzen Kreis ausgesetzten Lockerungen würden ab kommender Woche jedenfalls ungeachtet dessen erfolgen.
RND