Warum Kinderbilder im Netz gar nicht so cool sind
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Parent taking photo of a baby with smartphone. Adorable newborn child taking foot in mouth. sucking feet. Digital family memories
© Quelle: Getty Images/iStockphoto
Gibt man bei Instagram den Hashtag #deinkindauchnicht in die Suche ein, erscheint ganz oben ein Bild von Wilson Gonzales Ochsenknecht: Über seinem nackten Oberkörper trägt er ein Lätzchen mit rosa Punkten, sein Mund steht leicht offen und ist mit Karottenbrei verschmiert. Ein anderes Bild zeigt den Schauspieler, wie er nackt auf einem rosa Töpfchen sitzt. Die Bilder gehören zu einem Projekt, das die Bloggerin Toyah Diebel ins Leben gerufen hat, und haben alle eines gemeinsam: Auf ihnen sind private Situationen aus dem Alltag mit Babys und Kleinkindern nachgestellt – Situationen, die Eltern meist bedenkenlos per Chat oder in den sozialen Medien teilen.
Eltern posten Kinderfotos ohne die Folgen zu kennen
„Das ist natürlich zum Teil nachvollziehbar“, sagt Sophie Pohle. Sie arbeitet beim Deutschen Kinderhilfswerk (DKHW) in der Koordinierungsstelle für Kinderrechte. „Mit den Bildern zeigen Eltern, wie stolz sie auf das eigene Kind sind oder wollen Menschen, die sie nicht oft sehen, am Familienleben teilhaben lassen. Viele streben aber auch nach Anerkennung, nach Bestätigung, nach Likes.“
Das Problem dabei: „Die Reichweite ist nicht einschätzbar und zumeist unglaublich groß, gerade im Vergleich zum Fotoalbum im Regal“, sagt Sophie Pohle. „Es besteht die Gefahr, dass die Bilder verfremdet, verbreitet und im schlimmsten Fall für pädophile Zwecke missbraucht werden.“ Das gelte nicht nur für Nackt- sondern auch für ganz gewöhnliche Alltagsfotos. Darüber hinaus sollten sich Eltern im Klaren darüber sein, dass auch der Messenger-Dienst WhatsApp, der zu Facebook gehört, lediglich einen „scheinbar geschützten Raum“ darstellt. In dessen AGB heißt es: „Damit wir unsere Dienste betreiben und bereitstellen können, gewährst du WhatsApp eine weltweite, nicht-exklusive, gebührenfreie, unterlizenzierbare und übertragbare Lizenz zur Nutzung, Reproduktion, Verbreitung“ aller Informationen – einschließlich der gesendeten Inhalte. Sophie Pohle empfiehlt daher sicherere Messenger-Dienste wie Signal oder Threema. Beispielsweise Signal schreibt auf seiner Webseite „Weder können wir deine Nachrichten lesen noch deine Anrufe sehen – wie auch niemand sonst“. Der nach eigenen Angaben spendenbasierte Messenger-Dienst ist nicht darauf angewiesen, sich durch Datenverkauf zu finanzieren; als Aushängeschild von Signal dient der Whistleblower Edward Snowden. Threema wirbt damit, dass es zur App-Nutzung weder eine Handynummer noch eine Email braucht. Stattdessen kann die Anwendung anonym genutzt werden.
Eltern verwalten „Recht am eigenen Bild" für ihre Kinder
Was viele Eltern nicht bedenken: Auch Kinder haben ein Recht am eigenen Bild. Das bedeutet, dass ein Bild erst verbreitet oder öffentlich gemacht werden darf, wenn der darauf Abgebildete zustimmt. Im Mai 2015 stellte das Landgericht Frankfurt am Main zudem klar, dass das Recht am eigenen Bild nicht nur für die sozialen Medien, sondern auch für Messenger wie Whatsapp gilt. Solange die Kinder noch klein sind, entscheiden die Eltern an ihrer Stelle, welche Bilder sie teilen. „Aus diesem Grund sollten Eltern umso verantwortungsbewusster handeln“, sagt Sophie Pohle. Oft fühlten diese sich aber selbst hilflos und überfordert mit der Aufgabe, Medienkompetenz zu zeigen.
Eine gute Orientierung bietet etwa die Kampagne #DenkenFragenPosten vom Deutschen Kinderhilfswerk oder der Fotoguide der Initiative SCHAU HIN!, die vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ins Leben gerufen wurde. Mit Ja-Nein-Fragen führt der Guide Eltern zu einer Entscheidung. Die wichtigsten Punkte lauten: Das Kind sollte in keiner intimen Situation oder sogar nackt gezeigt sein. Eltern sollten ihren Kindern im Nachhinein gut erklären können, warum sie dieses Foto veröffentlicht haben. Hilfreich ist es zudem, gemeinsam in der Familie Regeln zu vereinbaren, damit Kinderfotos nicht ungefragt veröffentlicht werden. Des Weiteren sollten beide Elternteile damit einverstanden sein. Das sei gerade bei getrennt lebenden Eltern wichtig, betont Sophie Pohle vom DKHW. Zudem solle man sein Kind zunehmend miturteilen lassen. „Eltern und Kindern sind oft unterschiedliche Dinge unangenehm“, sagt sie. „Man sollte schon mit Vorschulkindern anfangen, darüber zu sprechen und das Kind ab dann altersgerecht in die Entscheidung miteinbeziehen.“ Die beiden letzten Fragen des Fotoguides lauten: „Hast du deine Sicherheitseinstellungen überprüft und bist dir sicher, wer Zugriff hat?“ und „Ist dir bewusst, dass andere das Foto ohne deine Einwilligung weitergeben, speichern und kopieren können?“ Mithilfe des Fragesystems sollen Eltern sensibilisiert werden. Wollen sie dennoch nicht aufs Posten verzichten, sollten sie das Kind von hinten zeigen oder das Gesicht durch Sticker, Emojis oder Unschärfe unkenntlich machen, empfiehlt Sophie Pohle. Im Zweifelsfall gilt jedoch: das jeweilige Bild besser nicht posten und lieber ausgedruckt in ein Fotoalbum kleben.