SAP-Personalchef im Interview: So gelingt Vereinbarkeit von Beruf und Familie
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/CDYOR6S63FHSLPUFNRZQGYM7B4.jpg)
Karriere oder Familie? Es geht auch beides.
© Quelle: congerdesign über Pixabay
Cawa Younosi ist Personalchef beim Softwarekonzern SAP in Deutschland und für knapp 25.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zuständig. Ein großes Anliegen ist für ihn die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Wie es darum bestellt ist und wie aktiv er selbst als Vater sein kann, erzählt er im RND-Interview.
Unpassende Termine auch mal absagen – und als Führungskraft Familienfreundlichkeit vorleben
Herr Younosi, Sie gelten als ein Vorreiter in Sachen Vereinbarkeit und Vater vieler guter Ideen für berufstätige Eltern. Gleichzeitig sind Sie selbst als SAP-Personalchef für 25.000 Beschäftigte verantwortlich. Eine Position, in der normalerweise eine 60- oder 70-Stunden-Woche üblich ist. Wie gut schaffen Sie es, ein aktiver Vater zu sein?
Ich habe eine klare Haltung: Die Familie geht vor. Nicht nur bei mir, sondern auch bei meinen Kollegen. Wir operieren nicht am offenen Herzen oder retten unter Zeitdruck Leben. Deshalb können wir unsere Arbeitszeiten auch mal der Familie unterordnen – gerade in besonderen Situationen wie einem kranken Kind oder Terminen, die einem heilig sind, wie dem wöchentlichen Kinderturnen. Dafür wird es immer eine Lösung geben. Ich persönlich versuche, zum Beispiel Dienstreisen zu vermeiden und abends bei der Familie zu sein. Auch das Wecken und das gemeinsame Frühstück mit meinem Sohn sind mir heilig. Das habe ich immer klar kommuniziert und konsequent Nein zu unpassenden Terminen gesagt. Damit stieß ich eigentlich nur auf Verständnis – auch, als ich noch keine Führungskraft war.
Wie wichtig ist die Vorbildfunktion als Führungskraft?
Führungskräfte sollten Familienfreundlichkeit nicht nur unterstützen, sondern auch aktiv vorleben. Dann wird es plötzlich cool und normal, mehr Zeit für die Familie einzufordern. Aus der Belegschaft allein kann Vereinbarkeit nur schwerlich entstehen, vor allem dann nicht, wenn die Arbeitszeiten unflexibel sind oder ständig familienunfreundliche Termine angesetzt werden. Es gibt leider immer noch Unternehmen, in denen eine 60- bis 70-Stunden-Woche oder ausgiebige Dienstreisen als Voraussetzung für eine Karriere gelten oder auch am Wochenende Antworten auf die E-Mails des Chefs erwartet werden. Wir haben uns bei SAP bewusst für einen Kulturwandel entschieden. Dazu gehören eben flexible Arbeitszeiten genauso wie eine familienfreundliche Meetingkultur oder Führungspositionen, die in Teilzeit oder im Tandem ausgefüllt werden können.
Nach Kompromissen suchen, statt einfach zu akzeptieren
Wie groß ist die eigene Verantwortung der Eltern in Sachen Vereinbarkeit?
Natürlich tragen beide Seiten Verantwortung. Wenn Väter lange in Elternzeit gehen oder Mütter vielleicht eine Führungsposition in Teilzeit oder im Tandem übernehmen wollen, müssen sie diesen Wunsch offensiv formulieren und das Gespräch mit ihren Vorgesetzten suchen. Gleichzeitig müssen die Unternehmen auch die Rahmenbedingungen dafür schaffen. Wie schon gesagt, es gibt genug Firmen, in denen kein familienfreundliches Klima herrscht. Dort kann ich als Mutter oder Vater zwar mehr Vereinbarkeit einfordern, muss dann auch damit rechnen, mir einen neuen Arbeitsplatz suchen zu müssen. Ich würde Eltern trotzdem immer raten, das Gespräch mit dem Team und den Führungskräften zu suchen und proaktiv Vorschläge in Sachen Arbeitszeit und Arbeitsmodelle zu machen. Auch von einem Nein sollte man sich nicht gleich entmutigen lassen und stattdessen nach Kompromissen suchen, mit denen beide Seiten leben können.
Sie haben auch ein Väternetzwerk bei SAP gegründet. Warum sind die Väter bei dem Weg für mehr Familienfreundlichkeit so wichtig?
Ich bin bei SAP schon länger für Diversität und Familienfreundlichkeit zuständig. Anfangs haben wir vor allem Veranstaltungen für Frauen gemacht – zu Frauen in Führungspositionen oder eben zu Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Doch Familie ist auch ein Väterthema. Deshalb haben wir uns entschlossen, auch entsprechende Netzwerke und Austauschmöglichkeiten zu schaffen. Gleich zu einer der ersten Veranstaltungen kamen über 100 Papas. Das war unglaublich. Inzwischen ist daraus eine richtige Bewegung geworden. Selbst Christian Klein, CEO der SAP, erzählte auf einer globalen Mitarbeiterversammlung vor über 100.000 Beschäftigten, dass er im Moment sehr müde sei. Sein zweites Kind war gerade geboren. Er stand nachts oft am Wickeltisch und trug das Baby herum. Genau das ist ein wichtiges Zeichen in Sachen Akzeptanz für aktive Vaterschaft und Familienfreundlichkeit. Das geht bei uns inzwischen so weit, dass Führungskräfte, die auf Familienfreundlichkeit kaum Rücksicht nehmen, auf starken Widerstand stoßen. Und das ist eine tolle Entwicklung.
Alte Rollenbilder sind in der Gesellschaft immer noch sehr präsent
Hat sich Ihre Haltung zu Arbeit geändert, als Sie Vater wurden?
Mein Sohn kam quasi parallel zum Berufseinstieg zur Welt. Deshalb war für mich Vereinbarkeit von Beruf und Familie von Anfang an ein wichtiges Thema. Ich wollte von Anfang an ein aktiver und engagierter Vater sein und nicht die Entwicklung meines Sohnes verpassen. Zum Glück ist dieser Anspruch in den letzten zwölf Jahren immer normaler geworden. Als ich in die Berufswelt einstieg, waren Überstunden und lange Arbeitstage noch viel akzeptierter und cooler. Man hat bis mitten in der Nacht eine Präsentation für den Vorstand fertig gemacht und danach einfach weitergearbeitet. Das ist heute anders. Die Bereitschaft für Zwölf- oder 14-Stunden-Arbeitstage nimmt deutlich ab, stattdessen wird über die 30-Stunden-Woche diskutiert. Das ist aus meiner Sicht ein großer Fortschritt.
SAP hat viele Angebote für aktive Väter geschaffen. Doch werden sie auch genutzt?
Zeit mit der Familie ist bei uns kein Nachteil für die Karriere – egal ob man nun länger in Elternzeit geht oder ganz in Teilzeit arbeitet. Bei SAP überreden wir die Väter schon quasi zu langen Auszeiten oder zum Reduzieren der Stunden. Trotzdem würde ich mir noch eine deutlich höhere Quote von Vätern in Teilzeit oder in Elternzeit wünschen. Gleichzeitig können wir natürlich niemanden zwingen, sondern nur Optionen anbieten. Ich glaube, dass die alten Rollenbilder in der Gesellschaft immer noch so präsent sind, dass es vielen Männern (und auch Frauen) immer noch schwerfällt, mit ihnen zu brechen. Wir erleben viele positive Impulse, aber der gesellschaftliche Wandel braucht noch mehr Zeit.
Corona-Erfahrungen könnten Einstellungen nachhaltig verändern
Könnte die Corona-Pandemie diesen Wandel beschleunigen?
Für uns Eltern war vor allem die Zeit der geschlossenen Schulen und Kitas sicher eine große Herausforderung. Trotzdem bleiben aus meiner Sicht auch positive Erkenntnisse. Beide Seiten – Arbeitgeber und Eltern – haben viel darüber gelernt, wie die Arbeit im Homeoffice gelingen kann. Außerdem haben viele Väter mal erlebt, wie es ist, über einen längeren Zeitraum sehr eng bei der Familie zu sein und sich viel stärker zu engagieren als vorher – egal ob beim Spielen oder beim Homeschooling. Vielleicht bleiben diese Erfahrungen nachhaltig und es entscheiden sich mehr Väter dafür, beruflich etwas kürzerzutreten und mehr Zeit in die Kinder und Familie zu investieren. Mich würde das jedenfalls sehr freuen.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/7AZBS6YUNVAGFK2NP7KY3ZACVI.jpg)
Cawa Younosi ist Personalchef bei SAP Deutschland und hat eine klare Haltung: Für ihn geht die Familie immer vor.
© Quelle: SAP
Cawa Younosi ist Personalleiter Deutschland bei SAP SE und Mitglied der Geschäftsleitung bei der SAP Deutschland und ist damit verantwortlich für über 23.000 Mitarbeiter. Zuvor war er gut vier Jahre als Director Corporate Affairs im Office des Geschäftsführers der SAP Deutschland tätig. Younosi begann seine berufliche Laufbahn bei der Deutschen Telekom und wechselte nach Stationen bei TNT Express und Atos Origin im August 2009 zur SAP.