Autor Riccardo Simonetti: „Ein queeres Kinderbuch sorgt immer noch für viel Ablehnung“

Hinter dem Kinderbuch von Riccardo Simonetti steckt eine klare Botschaft: Anderssein ist vollkommen in Ordnung.

Hinter dem Kinderbuch von Riccardo Simonetti steckt eine klare Botschaft: Anderssein ist vollkommen in Ordnung.

Riccardo Simonetti führte bis im Sommer 2019 einen der erfolgreichsten Blogs Deutschlands und ist außerdem ein erfolgreiches TV-Gesicht. Seine Fans lieben ihn für seinen extravaganten Stil und die täglichen Geschichten aus seinem Leben. Riccardo Simonetti steht aber für viel mehr als Mode und Styling: Im Interview spricht er über Schubladendenken, Selbstachtung, Anderssein und regt so zum Nachdenken an – auch in seinem neuen Kinderbuch „Raffi und sein pinkes Tutu“.

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Anderssein bedeutet nichts Schlimmes

Darin geht es um Raffi, einen kleinen Jungen, der gern Fußball spielt und Sporttrikots trägt. Er liebt aber nicht nur Sport, sondern auch seine Lieblingspuppe und sein pinkes Tutu. Das Tutu trägt er aber aus Angst vor der Reaktion seiner Mitschüler nur zu Hause. Eines Tages entschließt er sich allerdings, es in der Schule zu tragen. Doch er erfährt schnell Ausgrenzung. Mit der Unterstützung seiner Eltern fasst er Mut, und die anderen Kinder erkennen, dass „Anderssein“ nichts Schlimmes bedeutet. Im Gegenteil: Es macht einen zu etwas Besonderem!

Riccardo Simonetti liebt schrille Outfits, mit denen er oft viele Blicke auf sich zieht.

Riccardo Simonetti liebt schrille Outfits, mit denen er oft viele Blicke auf sich zieht.

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Eigentlich bist du Entertainer und Fernsehgesicht. Wie bist du auf die Idee gekommen, ein Kinderbuch zu schreiben?

Die Idee hatte ich schon länger. Wirklich ausschlaggebend war aber mein erstes Buch „Mein Recht zu funkeln“. Darin geht es nicht nur um mein heutiges Leben, sondern auch um die Erfahrungen, die ich mit Mobbing und Ausgrenzung gemacht habe. Ganz viele Menschen haben mir danach geschrieben und von ihren eigenen Mobbingerfahrungen erzählt. Es kann nicht sein, dass so viele Menschen von der Gesellschaft ausgegrenzt werden, nur weil sie anders sind. Ich wollte meinen kleinen Beitrag dazu leisten, dass die Menschen netter und toleranter miteinander umgehen. Und wie könnte das besser funktionieren als mit einem Kinderbuch? Kinder sind schließlich noch nicht so festgefahren in ihren Ansichten wie die Erwachsenen.

Welche Botschaft verbirgt sich hinter „Raffi und sein pinkes Tutu“?

Ich möchte den Kindern vermitteln, dass Anderssein nichts Schlimmes ist und das man einander akzeptieren und respektieren sollte, auch wenn man mal nicht derselben Meinung ist oder sich von anderen unterscheidet.

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Du hattest selbst keine leichte Schulzeit, wurdest gemobbt. Wie viel dieser Erfahrung steckt in dem Kinderbuch?

Auch ich war als Kind anders und habe deshalb in der Schule viel Ablehnung erfahren.

Riccardo Simonetti

Natürlich war meine eigene Kindheit eine wichtige Inspiration für das Buch. Auch ich war als Kind anders und habe deshalb in der Schule viel Ablehnung erfahren. Gleichzeitig lies ich mich nie unterkriegen und ging meinen Weg, genau wie Raffi auch. Er lässt sich – dank seiner Freunde und Eltern – auch nicht von seinem pinken Tutu abbringen.

Hattest du in deiner Schulzeit auch so starke Unterstützer?

Lange bevor meine Mama von dem Mobbing erfuhr und mir den Rücken stärkte, gab es viele Freunde, die mich unterstützten und verteidigten. Das waren vor allem Mädchen. Dank ihnen war ich auch nie wirklich ein Außenseiter, sondern eher jemand, der polarisiert hat. Bei meinen Freunden konnte ich immer so sein, wie ich sein wollte. Dafür bin ich ihnen bis heute sehr dankbar und wollte die Bedeutung von Freundschaft und Eltern auch in meinem Buch aufgreifen.

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Wie werden aus toleranten Kindern intolerante Erwachsene?

Intoleranz entsteht in ihrem Umfeld, im Elternhaus, in der Schule. Ich habe mein neues Buch in verschiedenen Kindergärten vorgestellt – wie Raffi natürlich in einem pinken Tutu. Die Kinder fanden das superspannend und haben interessiert nachgefragt, warum ich als Mann einen Rock trage. Ihnen fällt Anderssein natürlich auf, sie hinterfragen es auch, aber urteilen oder verurteilen nicht. Wenn man im Heranwachsen aber dieses Urteilsvermögen nicht schleift, Werte nicht vermittelt, dann entsteht schnell Intoleranz. Und dann bewertet man Dinge, die man nicht kennt und nicht versteht, schnell negativ.

Ich habe mein neues Buch in verschiedenen Kindergärten vorgestellt – wie Raffi natürlich in einem pinken Tutu.

Riccardo Simonetti

Hast du dafür ein Beispiel?

„Schwul“ ist auf dem Schulhof ein Schimpfwort. Das liegt wahrscheinlich auch daran, dass viele Kinder nicht genau wissen, was Homosexualität eigentlich bedeutet und dass es völlig in Ordnung ist, die Liebe im eigenen Geschlecht zu finden. Wird es ihnen aber ausführlich und kindgerecht erklärt, dann verliert das Wort seine Wirkung als Beleidigung und wird etwas Akzeptiertes – jedenfalls, wenn die Eltern oder die Pädagogen diese Toleranz auch vorleben. Genau deshalb habe ich „Schwulsein“ auch in meinem Kinderbuch thematisiert – nicht zu offensiv, aber dennoch prominent.

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Welches Feedback bekommst du von den Eltern zu deinem Buch?

Das ist sehr unterschiedlich. Einerseits hat das Buch schon viele Kämpfe ausgetragen, bevor es überhaupt erschienen ist. Ein Junge im pinken Tutu, ein queeres Kinderbuch, so etwas sorgt immer noch für viel Ablehnung – besonders im Internet. Einige Erwachsene äußersten sogar die Befürchtung, das Buch könne Kinder schwul machen oder ihnen falsche Ideologien nahelegen. Andererseits – und glücklicherweise in der deutlichen Überzahl – kamen nach meiner Lesung im Kindergarten viele Eltern und Erzieherinnen zu mir und waren total begeistert. Gleiches gilt für viele tolle Rezensionen im Netz. Beide Reaktionen haben mich in meinem Anliegen nur bestätigt. Es gibt in unserer Gesellschaft immer noch viel homophobe und intolerante Energie und darüber müssen wir dringend reden – mit Kindern und mit Erwachsenen.

Können vielfältige Kinderbücher dazu einen Beitrag leisten?

Ja, auf jeden Fall. Ich habe als Kind das Buch vom Regenbogenfisch geliebt. Es hat mir viel über Werte wie Toleranz und Anderssein beigebracht. Ich glaube, dass sich die kindliche Neugier und ihr Wissensdurst sehr gut dafür eignen, um ein offenes und tolerantes Bewusstsein zu prägen. Dazu können auch Kinderbücher ihren Beitrag leisten.

Schaffen es Bücher wie „Raffi und das pinke Tutu“, auch Erwachsene außerhalb einer toleranten Filterblase zu erreichen?

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Es gibt sicher viele Menschen, die Anderssein akzeptieren und Regenbogenfamilien als normal empfinden. Aber das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es immer noch viel Hass und Intoleranz in unserer Gesellschaft gibt. Deshalb ist es wichtig, Identifikationsfiguren zu schaffen und den gesellschaftlichen Diskurs am Leben zu erhalten. Mit Hartnäckigkeit stößt man vielleicht auch in genau diese Blasen vor und regt bei dem einen oder anderen ein Umdenken an. Kinderbücher sind dafür ein tolles Medium, gerade weil sie eben in der Kita oder der Grundschule gelesen oder verschenkt werden können. Und weil sie von Erwachsenen vorgelesen werden, die vielleicht darüber auch ins Nachdenken kommen.

Haben es Kinder, die anders sind, heute leichter als in deiner Kindheit oder Jugend?

Durch die sozialen Netzwerke und die dort vermittelten Ideale wächst der Druck, sich anzupassen.

Riccardo Simonetti

Schwer zu sagen. Ich erlebe viele junge Eltern, die ihre Kinder sehr weltoffen und tolerant erziehen und ihnen vermitteln, dass Anderssein völlig normal und gut ist. Außerdem gibt es immer mehr Identifikationsfiguren für Kinder, die zum Beispiel im Rollstuhl sitzen, eine andere Hautfarbe haben oder eben ein pinkes Tutu tragen. Auf der anderen Seite wächst durch die sozialen Netzwerke und die dort vermittelten Ideale der Druck, sich anzupassen. Kinder und Jugendliche streben immer krampfhafter danach, beliebt und anerkennt zu sein – sei es durch Muskeln, Mode oder anderes. Das ist aus meiner Sicht gefährlich für eine Gesellschaft, in der jeder sein darf, wie er ist. Umso wichtiger ist es, dass Eltern ihren Kindern entsprechende Werte vermitteln und sie dabei unterstützen, eine eigene Identität zu entwickeln und nicht nur Vorbilder zu imitieren.


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