“Der erste Kontakt war magisch”: Wie wird man(n) als homosexuelles Paar Eltern von zwei Kindern?
Glück hoch vier: Kevin (rechts) und René mit ihren Kids.
© Quelle: Bianca Schmidt
Wie wird man als homosexuelles Paar Eltern von zwei Kindern? Einfach ist es nicht. Kevin Silvergieter Hoogstad und sein Mann René sind inzwischen Papas zweier Kinder. Ein Interview über Regenbogenfamilien.
Der Weg zum Pflegekind dauert lang – und ist nicht immer einfach
Es gibt ja mehrere Wege, um als schwules Paar Kinder zu bekommen. Warum habt ihr euch für die Pflegefamilie entschieden?
Teils aus finanziellen Gründen, denn eine Leihmutterschaft hätten wir uns schlicht nicht leisten können. Teils aus sozialen Gründen, immerhin gibt es genug Kinder in Deutschland, die in schwierigen Verhältnissen aufwachsen und für die dringend eine Pflegestelle gesucht wird.
Wie habt ihr den Weg zur Pflegefamilie erlebt?
Es gab schon einige Momente, in denen wir am liebsten alles hingeworfen hätten. Man besucht Seminare, es gibt immer wieder Gespräche und Hausbesuche. Dabei muss man sich auch stark mit der eigenen Vergangenheit und der aktuellen Lebenssituation auseinandersetzen. Wir sind zum Beispiel Scheidungskinder. Dieses Thema kam immer wieder auf den Tisch. Das Jugendamt wollte absolut sicher gehen, dass unsere Beziehung stabil genug ist und wir dem Kind ein sicheres Zuhause geben können. Dazu kommt, dass Regenbogen-Pflegefamilien immer noch eher die Ausnahme sind. Da schaut ein Jugendamt vielleicht doch mal doppelt so genau hin. Insgesamt vergingen fast neun Monate zwischen den ersten Beratungsgesprächen und dem ersten Treffen mit unserem Sohn.
Wie war der erste Kontakt?
Unser Sohn war damals dreieinhalb Jahre alt und lebte zu diesem Zeitpunkt in einem Heim. Am Tag unseres Kennenlernens kamen wir dorthin. Er saß draußen im Sandkasten und spielte mit einer Gießkanne, die mit einem Stock verstopft war. Darüber wurde er richtig zornig. Mein Mann René ist dann hingegangen und hat ihm geholfen, den Stock rauszuziehen. Das war ein so magischer Moment, die beiden dort nebeneinander im Sandkasten zu sehen.
Mit dem zweiten Kind kam die Routine – zumindest teilweise
Ihr habt inzwischen zwei Kinder. Eure Tochter kam mit acht Monaten zu euch. Waren immer zwei Kinder geplant?
Wir haben beide selbst Geschwister und fanden eine große Familie immer toll. Gleichzeitig wollten wir aber genug Zeit und Kraft haben, um unseren Pflegekindern gerecht zu werden. Deshalb sind zwei Kinder perfekt. Auch mit dem zweiten Kind haben wir uns bewusst Zeit gelassen, bis unser Sohn bei uns sicher angekommen war.
Welche Rolle spielen die leiblichen Eltern in eurem Familienleben?
Im Prinzip ist es ähnlich wie bei einer Patchworkfamilie, ein Elternteil fehlt immer. Unser Sohn kam erst mit knapp drei Jahren ins Heim. Entsprechend groß ist die emotionale Bindung zur Mutter. Das bringt natürlich auch Herausforderungen mit sich. Wir mussten ihm die neue Situation immer wieder erklären und dabei natürlich auch aushalten, dass er seine Mutter stark vermisst. Gerade am Anfang war das oft sehr schwer für uns alle. Im Laufe der Zeit lernt man die Wut und die Trauer des Kindes in solchen Momenten aufzufangen. Wir legen aber auch selbst großen Wert darauf, dass seine Mutter weiterhin präsent ist. Es besteht regelmäßiger Kontakt, außerdem steht ein Bild von ihr in seinem Zimmer. Auch zur leiblichen Mutter unserer Tochter haben wir regelmäßig Kontakt.
Wart ihr beim zweiten Kind routinierter?
Ja, gerade im Vermittlungsprozess und im Kontakt mit der leiblichen Mutter waren wir viel abgeklärter als noch beim ersten Mal. Zum Beispiel war ich bei unserem Sohn anfangs total eifersüchtig auf seine leibliche Mutter und hatte Angst, dass er nur schwer eine Bindung zu uns aufbaut und eine ewige Konkurrenz zwischen Pflege- und Herkunftsfamilie besteht. Diese Sorge war völlig unbegründet. Solche Ängste hatte ich beim zweiten Kind nicht mehr. Das hat das Ankommen total erleichtert. Deutlich weniger Routine gab es beim Papasein. Unsere Tochter war sehr jung, als sie zu uns kam. Das brachte ganz neue Herausforderungen mit sich – zum Beispiel Wickeln oder frühkindliche Entwicklungsschübe. Hier waren wir mindestens genauso oft ratlos wie alle anderen Eltern.
Das Leben als Regenbogenfamilie ist für viele noch fremd
Wie teilt ihr euch die Aufgaben auf?
Wir haben eine eher klassische Rollenverteilung. René arbeitet in Vollzeit als Flugbegleiter und ich bin zu Hause. Vor den Kindern habe ich auch als Flugbegleiter und Schauspieler gearbeitet. Heute bin ich vor allem Blogger, Autor und Papa. Das führt dazu, dass ich öfter koche.
Warum habt ihr euch dazu entschieden, mit eurer Geschichte an die Öffentlichkeit zu gehen?
Mit dem Blog wollte ich vor allem Aufklärungsarbeit leisten – über das Leben als Pflegefamilie und darüber, dass auch zwei Väter wunderbar Eltern sein können. Dass wir neben unzähligen tollen Reaktionen auch auf viel Hass und Ablehnung stoßen würden, hätte ich nie gedacht. Wir mussten bei der Stadt sogar unsere Adresse sperren lassen, damit wir nicht zu finden sind. René überredete mich zum Weitermachen und zum Buchschreiben.
Welche Botschaft hat das Buch?
Es gibt einfach noch sehr wenig Bücher über Regenbogenfamilien und gleichzeitig einen großen Bedarf. Wir bekommen gerade auf Instagram viele Nachrichten von jungen homosexuellen Männern, die durch unsere Geschichte den Mut zum Coming-out gefunden und sogar aktiv über eine Familie nachdenken. Das ist ein schönes Gefühl.