Gerechte Arbeitsteilung in der Familie: “Es geht nicht anders” wird zu schnell als Ausrede akzeptiert
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“Frauen sagen häufig, wir können es uns nicht leisten, Männer ziehen sich auf die Unvereinbarkeit mit ihrem Job zurück.”
© Quelle: skalekar1992/Pixabay
Herr Fischer, Sie sind Hausmann, Ihre Frau arbeitet als Rehabilitationpädagogin mit Schlaganfallpatienten. Wie sieht Ihr Familienalltag aus?
Mein Tag beginnt gegen halb sechs mit meinem einjährigen Sohn. Gemeinsam spielen wir und bereiten das Frühstück vor. Gegen sieben Uhr kommen meine Frau und Tochter dazu. Nach dem Frühstück verlässt meine Frau das Haus und ich breche bald in Richtung Kindergarten auf. Zum Glück sind die Wege bei uns in Krefeld kurz, die Arbeitsstelle, eine Klinik, ist fünf Minuten entfernt, die Kita knapp zehn. Den restlichen Vormittag verbringe ich mit Hausarbeit, Einkaufen, Spielen, Kochen, manchmal auch Bloggen, Lesen oder Podcasts hören, während der Kleine schläft. Gegen 14 Uhr kommt meine Frau von der Arbeit, wir essen gemeinsam und danach hole ich meine Tochter aus dem Kindergarten. Den Rest des Tages verbringen wir als Familie – manchmal gemeinsam auf dem Spielplatz, manchmal besuchen wir Freunde, manchmal verbringt jeder von uns mit einem Kind exklusive Zeit.
Tragen Sie als Hausmann nun den “Mental-Load” – also die Organisation des “Familienunternehmens”?
Ich empfinde diesen Perspektivwechsel als einen Gewinn für uns beide.
Ja, ein bisschen schon. Meine Frau war bis vor Kurzem für über anderthalb Jahre zu Hause und hat mit dem Rollentausch natürlich Verantwortung in Sachen Haushalt und Erziehung abgegeben und ich mehr übernommen. Ich verbringe jetzt mehr Zeit zu Hause, kaufe ein, koche, kümmere mich um die Wäsche oder bin mit meinem Sohn allein. Ich empfinde diesen Perspektivwechsel aber als einen Gewinn für uns beide. Ich verstehe die Perspektive vieler Frauen heute viel besser als noch früher, als ich in Vollzeit gearbeitet habe. Gleichzeitig kennt meine Frau nun die “Ernährer-Perspektive”. Deshalb versuchen wir viel stärker, unsere Verantwortung zu verteilen.
Es gibt immer mehr engagierte Papas, die auf Elternabenden sitzen, zum Kinderturnen gehen oder von der Kita abholen. Warum lastet der Hauptdruck aber immer noch auf mütterlichen Schultern?
Ich glaube, die Rollenbilder und die Sozialisierung vieler Männer sind nach wie vor sehr klassisch. Es gibt ja Umfragen, die zeigen, dass immer mehr Männer weniger arbeiten und mehr Zeit für die Familien haben wollen. Gleichzeitig arbeiten Väter nach der Geburt eine Stunde länger als vorher – auch aus dem Druck der Ernährerrolle. So rutscht automatisch die Verantwortung für die meisten Aufgaben in Sachen Haushalt und Erziehung zur Mutter. Und selbst, wenn der Mann sich nun stärker einbringt, ist der “Mental Load” noch nicht gelöst – gerade, wenn ihm die Frau immer noch die meisten Aufgaben zuweisen muss. Das fängt erst bei einer gelebten Gleichberechtigung an.
Wie lässt sich dieser Teufelskreis durchbrechen?
Es wäre wichtig, solche “Glaubensgrundsätze” stärker zu hinterfragen und zwar nicht nur alleine, sondern auch mit der Partnerin. Wie viel wollen wir beiden arbeiten? Wie viel Geld brauchen wir? Wie viel Zeit für das Kind wollen wir uns leisten? Hier gibt es sicher keinen Königsweg. Auch mit einer 40-Stunden-Woche kann man ein toller Papa sein, auch eine klassische Aufteilung aus Ernährer–und–Hausfrau kann Sinn machen. Trotzdem lohnt es sich, auf der Suche nach einem passenden Familienmodell, die klassischen Rollenbilder auch mal zu hinterfragen – egal, zu welcher Entscheidung man am Ende kommt. Dazu gehört übrigens auch, dass die Frauen bereit sind, Verantwortung an die Väter abzugeben, auch wenn das Ergebnis – sei es beim Putzen oder beim Anziehen der Kinder – anders aussieht als ihres.
Warum lohnt sich mehr Familienzeit für Väter?
Die Kinder sind nur einmal klein. Sie beim Aufwachsen zu begleiten, ist ungemein wertvoll – und zwar für alle. Die Kinder profitieren nachweislich durch engagierte und präsente Väter in ihrer Entwicklung. Auch die Bindung wird gestärkt. Dazu ist eine gerechte Aufteilung auch gut für die Partnerschaft. Immerhin gelingt es so, beidseitig Freiräume zu schaffen. Die Liste der Vorteile ließe sich noch ellenlang weiterführen.
Fiel Ihnen und Ihrer Frau die Entscheidung für den Rollentausch leicht?
Na ja, als wir noch zu dritt waren, haben wir beide in Teilzeit gearbeitet. Mit dem zweiten Kind wäre die gleichberechtigte Aufteilung sehr stressig geworden. Wir wollten ihn nicht in die Krippe geben, die Alternative wäre “Schichtarbeit”. Ich gehe morgens in die Klinik, wir tauschen nach dem Mittag und meine Frau arbeitet bis abends. Aber dabei war uns zu wenig Platz für die Familie. Darum haben wir uns dafür entschieden, dass ich länger zuhause bleibe. Jetzt haben wir ab 14 Uhr Familienzeit.
Die Kündigung war die einzige Option, um mehr Zeit mit meiner Familie verbringen zu können.
Hatten Sie Angst vor beruflichen Konsequenzen?
Ich arbeite als Sozialarbeiter im Sozialdienst eines Krankenhauses – als einer von zwei Männern. Von meinen Kolleginnen bekam ich viel Zuspruch. Auch mein Arbeitgeber unterstützt mich sehr in Sachen Elternzeit. Ich kenne aber auch die andere Seite. Nach der Geburt meiner Tochter arbeitete ich als Bildungsreferent in einem Sportverband und hatte eine 50-Stunden-Wochen mit vielen Terminen am Abend oder am Wochenende. Als mir das zu viel wurde und ich Stunden reduzieren wollte, war das nicht möglich. Die Kündigung war die einzige Option, um mehr Zeit mit meiner Familie verbringen zu können. Schon damals spielte ich mit dem Gedanken, Hausmann auf Zeit zu werden. Allerdings kam dann die Chance als Kliniksozialarbeiter in Teilzeit zu arbeiten. Lustigerweise war die Klinik zuerst sehr überrascht über meine Bewerbung, immerhin war die Stelle eher für Mütter gedacht. Dass sich ein Mann in Teilzeit bewarb, kam unerwartet.
Die Anekdote macht eins sehr deutlich: Auch die Gesellschaft hat ein klares Bild von der Mutterrolle – an erster Stelle stehen die Kinder und die Familie, die Arbeit und Karriere sind für die Mutter nebensächlich. Der Vater ist dagegen der Ernährer, der mit seiner Karriere seine Familie versorgt. Stehen solche von Männern und Frauen gleichermaßen befeuerten Bilder mehr Gleichberechtigung im Weg?
Definitiv. Ich bekomme durch meinen Blog oft Mails von Frauen, die an der Unbeweglichkeit ihrer Männer scheitern. Sie resignieren schnell, weil ihr Mann einfach nicht bereit ist, Stunden zu reduzieren oder länger in Elternzeit zu gehen und übernehmen dann die Rolle der Hausfrau. Gleichzeitig bekommen sie für die Mutterrolle extrem viel Zuspruch. “Es geht nicht anders” wird so schnell zu einer akzeptierten Ausrede für beide Geschlechter. Frauen sagen häufig, wir können es uns nicht leisten, Männer ziehen sich auf die Unvereinbarkeit mit ihrem Job zurück. Ich glaube, dieses “Das macht man halt so” verhindert mehr Experimente in Sachen Rollenverteilung und Gleichberechtigung. Solange wir Mütter, die in Vollzeit arbeiten, schief anschauen und wir Väter, die lange in Elternzeit gehen wollen, als Exoten behandeln, schreckt das viele Paare ab.
Braucht es mehr Vorbilder in beide Richtungen?
Ja, Vorbilder sind wichtig und deshalb finde ich es gut, dass Väter, die viel Zeit mit ihren Kindern verbringen, auch Aufmerksamkeit und Lob dafür bekommen. Das überzeugt vielleicht auch andere Männer, ihrem Vorbild zu folgen. Gleichzeitig muss bald der nächste emanzipatorische Schritt folgen und zwar die Selbstverständlichkeit. Und davon sind wir noch weit entfernt. Wenn meine Frau und ich zusammen beim Kinderarzt sind, spricht der Arzt am meisten mit meiner Frau, obwohl er weiß, dass ich gerade zu Hause bin. Er geht einfach davon aus, dass meine Frau mehr über meinen Sohn und seine Entwicklung weiß. Vollzeitarbeitende Mütter wird es in vielen Situationen ganz ähnlich gehen – allerdings fehlen mir da ein wenig die Einblicke.
Heiner Fischer, Jahrgang 1983, lebt er mit seiner Frau und den beiden Kindern in Krefeld und bloggt über die Themen Vaterschaft, Vereinbarkeit von Familie & Beruf und Hochsensibilität.