Der illegale Weg zum Wunschkind: Für eine Eizellspende nach Prag
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Der Wunsch nach einem Kind kann so stark sein, dass Eltern dafür auch Umwege, etwa ins Ausland, in Kauf nehmen.
© Quelle: marusicova auf Pixabay
„Ich kenne keinen Reproduktionsmediziner, der dieses Verbot gut findet.“ Dr. Jens-Peter Reiher vom Kinderwunschzentrum Leipzig findet deutliche Worte für das Verbot der Eizellspende, das im Embryonenschutzgesetz geregelt ist. Natürlich gibt es Umwege – Frauen aus Deutschland gehen für das Verfahren ins Ausland. Auch eine Leipziger Mutter ist diesen Weg gegangen und berichtet von ihren Erfahrungen.
Recht und Reproduktionsmedizin
Die rechtliche Lage zur Eizellspende ist in Europa von Land zu Land unterschiedlich. Gesetzlich erlaubt ist sie zum Beispiel in Frankreich, Spanien, Niederlande, Belgien, Tschechische Republik, Slowakei, Polen, Ukraine und Österreich. Hier sollen Regelungen vor allem eine Ausbeutung der Spenderin verhindern. In Deutschland ist die Eizellspende verboten. Das Verbot wird immer wieder öffentlich diskutiert.
Reproduktionsmediziner Reiher sieht hierzulande Nachholbedarf: „Das Embryonenschutzgesetz stammt aus der Steinzeit der Reproduktionsmedizin. Bei diesem Thema klaffen mein fachlich begründetes Rechtsempfinden und die Rechtslage schwer auseinander. Aber als Mediziner muss ich das Verbot natürlich akzeptieren.“
Wissenschaftler plädieren für Reformen
Wissenschaftler der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina haben sich in der Publikation „Ein Fortpflanzungsmedizingesetz für Deutschland“ (2017, Halle/Saale) aus der Reihe „Leopoldina Diskussion“ für Reformen des Embryonenschutzgesetzes ausgesprochen. Sie schreiben:
„Die rechtliche Regelung der Fortpflanzungsmedizin ist dringend reformbedürftig. Das Embryonenschutzgesetz von 1990 erfasst die neuesten technischen Entwicklungen nicht, ist in manchen Bereichen unstimmig und lückenhaft, setzt die betroffenen Frauen, Paare und Kinder unnötigen gesundheitlichen Risiken aus, erschwert paradoxerweise die Durchsetzung von Kinderrechten und erzeugt Gerechtigkeitsprobleme und Rechtsunsicherheit für die betroffenen Paare und die behandelnden Ärztinnen und Ärzte.“
Eine „doppelte“ Mutterschaft?
Warum wurde die Eizellspende überhaupt verboten? „Der Grund damals war, dass eine gespaltene Mutterschaft dem Kinde in seiner Entwicklung schaden würde“, erklärt Dr. Reiher. Eine „doppelte“ Mutterschaft sollte daher ausgeschlossen werden. Aber: „Das Argument zählt nicht mehr. In anderen Ländern ist das schon lange erlaubt. In England hat zum Beispiel Susan Golombek eine Studie zur sozialen Entwicklung der Kinder durchgeführt – und die war genauso gut wie bei anderen Kindern.“
Für die Leipzigerin Tanja* stellt sich die Frage nach der eigenen Mutterschaft zumindest nicht. Sie wurde nach einer Eizellspende erfolgreich schwanger. „In dem Moment, in dem die Eizelle eingesetzt ist, versorge ich das Kind über meinen Körper, durch meine Organe. Da bin ich also auch drin“, sagt sie. Tanja wird trotz des Verbots nicht dafür bestraft. Dennoch ändern wir ihren Namen – zum Schutz der Persönlichkeitsrechte ihres Kindes. Denn das ist inzwischen geboren. Bis dahin war es für Tanja und ihren Mann ein langer Weg, begleitet von zahlreichen Bedenken.
Was spricht noch dagegen?
„Ich kann nie mit dem Finger auf jemanden zeigen und sagen: Da kommt mein Kind her“, sagt sie. Das sei schade. Und eine weitere Folge des Verbots, erläutert Dr. Reiher: „Psychologen empfehlen, das Kind über seine biologische Herkunft aufzuklären. Bei der Samenspende gibt es jetzt ein Gesetz, dass das Kind erfahren darf, wer sein biologischer Erzeuger ist. Der Spender ist von Verantwortungen freigestellt. Der Frau verwehrt man das. Durch das Verbot zwingen wir die Leute in eine Anonymität.“
Tanja und ihr Mann tragen vor dem Eingriff auch andere Sorgen: „Ich hatte natürlich ethisch-moralische Bedenken, was die hormonelle Behandlung für die Spenderin angeht. Ich habe das selbst schon durchgemacht und habe mich gefragt: Kann ich vertreten, das einer anderen Frau anzutun? Ja, sie bekommt Geld dafür. Aber nutze ich vielleicht die finanzielle Notlage einer jungen Frau aus? Darüber haben wir lange geredet.“ Später haben sie erfahren, dass ihre Spenderin schon einmal gespendet hat – sie wusste also zumindest genau, was auf sie zukommt, und hat sich ein zweites Mal dafür entschieden. Für Tanja war das beruhigend.
Letzter Ausweg: Ab ins Ausland
Die Eizellspende war die letzte verbliebene Möglichkeit für ihren Mann und für sie, erfolgreich schwanger zu werden. „Wir haben sieben Jahre lang alles ausprobiert und die Chance, mit eigenem Material schwanger zu werden, lag im Promillebereich“, sagt sie, mittlerweile 46 Jahre alt. Die dritte Fehlgeburt gab den Ausschlag – sie recherchierte selbst im Internet. Die Frage „Geht da noch was?“ ließ sie nicht los.
Und es ging. Schnell wurde Tanja fündig: „Um Deutschland herum bieten fast alle Länder eine Eizellspende an.“ Wohin sollte es also gehen? „In Polen wollten wir die momentane Regierung nicht unterstützen und Spanien war nur mit Flug und längerem Aufenthalt möglich. Prag war dann schnell klar. Wir haben Kliniken kontaktiert und Infomaterial bekommen, da hat sich die Spreu schon vom Weizen getrennt. Nach Prag hatten wir einen sehr netten Kontakt per Mail und Telefon.“
Betroffene sind nicht allein
In der Praxis in Prag angekommen, stellt sich schnell heraus: Tanja ist nicht die einzige Deutsche in dieser Situation. „Das war dort ganz heimelig. Im Wartezimmer habe ich fünf Frauen aus Mitteldeutschland getroffen. Da dachte ich: Alles klar, ich bin nicht alleine damit, ein Haufen Frauen sieht sich dem Problem ausgesetzt.“ Einer Frau, die sie dort traf, fehlten aufgrund einer überstandenen Krebserkrankung die Eileiter, eine andere hatte bereits ein Kind auf diesem Weg bekommen und wollte nun ein zweites.
Dieses Phänomen wird auch als „Befruchtungstourismus“ bezeichnet und beschreibt genau das, was Tanja und ihr Mann gemacht haben: Ins Ausland gehen, um dort die Eizellspende zu vollziehen.
„Unspektakulär“ – aber wirkungsvoll
Untersuchungen, Kalkulation, Vertrag – Tanja nennt die Prozedur beim ersten Termin „recht unspektakulär“. Sie hält sich an einen genauen Medikamentenplan, mit dem sie und die Spenderin ihren Zyklus angleichen. „Der Eisprung kam wie bestellt. Die Eizellen wurden entnommen und mit dem Sperma meines Mannes verheiratet. Ich habe Fotos von der geteilten Eizelle bekommen. Das war dann unser Kind“, erinnert sich die Mutter.
Ein zweites Mal ging es nach Prag – die gespendete, befruchtete Eizelle wird Tanja eingesetzt. Danach muss sie Medikamente nehmen, die Immunreaktionen unterdrücken, damit ihr Körper die Eizelle nicht abstößt. Vom ersten Termin bis zum positiven Schwangerschaftstest vergehen vier Monate. „Mir wurde mal gesagt: Der Uterus ist eine funktionierende Maschine, wenn Sie da was reinlegen, dann geht es los. Und so war es auch“, erinnert sich die Leipzigerin. Ihr Kind ist endlich auf dem Weg.
„Ich habe selbst Kinder und kann nachvollziehen, wie stark dieser Wunsch ist“, sagt Dr. Jens-Peter Reiher. „Mit dem Kind stellt sich die Sinnfrage nicht mehr.“ Und dafür nehmen Frauen wie Tanja auch Umwege ins Ausland.
*Name von der Redaktion geändert.
Eizellspende im Embryonenschutzgesetz
Reproduktionsmedizinische Verfahren werden in Deutschland seit 1990 durch das Embryonenschutzgesetz geregelt. Zur Eizellspende steht in §1 Absatz 1 bis 3 folgendes:
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer auf eine Frau eine fremde unbefruchtete Eizelle überträgt, es unternimmt, eine Eizelle zu einem anderen Zweck künstlich zu befruchten, als eine Schwangerschaft der Frau herbeizuführen, von der die Eizelle stammt, [...]
6. einer Frau einen Embryo vor Abschluss seiner Einnistung in der Gebärmutter entnimmt, um diesen auf eine andere Frau zu übertragen oder ihn für einen nicht seiner Erhaltung dienenden Zweck zu verwenden, oder
7. es unternimmt, bei einer Frau, welche bereit ist, ihr Kind nach der Geburt Dritten auf Dauer zu überlassen (Ersatzmutter), eine künstliche Befruchtung durchzuführen oder auf sie einen menschlichen Embryo zu übertragen. [...]
(3) Nicht bestraft werden
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1, 2 und 6 die Frau, von der die Eizelle oder der Embryo stammt, sowie die Frau, auf die die Eizelle übertragen wird oder der Embryo übertragen werden soll.
RND