Zwischen Alltag und Lethargie: So erleben Europas Familien den Corona-Alltag

Die Corona-Pandemie scheint die Familien in den verschiedenen Ländern unterschiedlich hart zu treffen. (Symbolfoto)

Die Corona-Pandemie scheint die Familien in den verschiedenen Ländern unterschiedlich hart zu treffen. (Symbolfoto)

Während viele Eltern in Deutschland sorgenvoll auf den Corona-Herbst blicken, erzählen Mütter aus Skandinavien von Kindergeburtstagen mit 60 Leuten und einem Leben ohne Einschränkungen. Wer mit Eltern aus den Nachbarländern Deutschlands spricht, der hat den Eindruck: Die Corona-Pandemie scheint die Familien in den verschiedenen Ländern unterschiedlich hart zu treffen. Dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) erzählen Mütter und Väter aus Europa, was sie in diesem Corona-Herbst bewegt.

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Wir haben ein ganz normales Leben.

Stella, 42, aus Schweden

Stella, 42, und Tochter (7) – Schweden

„Hier startet ein ganz normales Schuljahr. Und dafür bin ich sehr dankbar. Ende September fallen auch die letzten Maßnahmen, aber im schulischen Zusammenhang gab es für die jüngeren Kinder ohnehin kaum Veränderungen. Sie gingen durchgehend in die Schule, ohne Maskenpflicht oder spezielle Abstandsregeln. Gut, der Sportunterricht findet draußen statt und ich als Mutter darf nicht ins Schulgebäude gehen. Das nehme ich aber nicht als belastend wahr. Ohnehin habe ich nie diese Belastung gespürt, die ich von meinen Freunden aus Deutschland kenne. Wir führen inzwischen wieder ein ganz normales Leben.

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Und ich fühle mich auch nicht bedroht. Um meine Tochter mache ich mir wenig Sorgen. Das liegt vielleicht an der Befindlichkeit hier in Schweden. Die Skandinavier neigen ja nicht gerade zu Panik. Es hat meines Erachtens aber auch etwas mit der Berichterstattung zu tun. Über Phänomene wie Long Covid wird zwar berichtet, aber nicht in dem Ausmaß, wie es die deutschen Medien tun. Und ein weiterer Faktor ist die Erfahrung: Auch ohne Impfung waren die Schulen die ganze Zeit geöffnet. Wäre es für die Kinder so gefährlich gewesen, hätten wir das inzwischen ja merken müssen. Stattdessen haben wir in den vergangenen eineinhalb Jahren gesehen: Es funktioniert.“

Ich spüre eine Corona-Lethargie.

Gregor, 41, aus Österreich

Gregor, 41, zwei Kinder (13, 11) – Österreich

„Müde, das bin ich. Ich spüre eine Corona-Lethargie. Im Sommer war es kurz anders, da fühlte sich das Leben leichter an. Jetzt aber sind die Sorgen zurück. Ständig diese Frage: Was kommt da noch auf uns zu? Ich sehe zwar ein kleines Licht am Ende des Tunnels, habe aber auch das Gefühl, dass das jederzeit wieder dunkel werden kann. Die nächste Variante, der nächste Lockdown …

Wir als Familie finden gar nicht in den Rhythmus, und ich in meiner Selbst­ständigkeit finde nicht in den Rhythmus. Weil eben immer diese Ungewissheit im Raum steht. Weil wir nichts planen können. Die Große war schon zweimal in Quarantäne, und ich habe das Gefühl, sie steht gerade vor einem Tipping-Point. Wenn es noch mal kommen wird, weiß ich nicht, wie gut sie das verpacken wird.

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Die Pandemie hinterlässt Spuren

Dabei hatte die Zeit, in der die Schulen zugesperrt waren, natürlich auch etwas Schönes: Wir sind als Familie sehr zusammengerückt, waren gezwungen, uns mit existenziellen Fragen zu beschäftigen, die wir uns so im Alltag nie stellen. Daher habe ich die Zeit auch als sehr intensiv erlebt. Trotzdem hinterlässt diese Pandemie Spuren bei uns.

Was erstaunlich ist, denn rein faktisch spielt Corona bei uns eigentlich gar keine Rolle. Meine Frau arbeitet im Kindergarten und hatte bisher noch keinen einzigen Fall. Auch wir sind zum Glück bisher nie erkrankt. Trotzdem ist Corona ständig präsent. Weil es medial immer ein Thema ist, weil ständig neue Verordnungen kommen und weil es den Alltag der Kinder sehr prägt. Sie werden in den Schulen ständig getestet. Für das Handballspielen müssen sie täglich ein Gesundheitstagebuch führen, das dann einmal die Woche an die Handballtrainerin geschickt wird.

So müssen die Kinder auch immer wieder in sich hineinhorchen, ob sie Bauchweh haben oder Schnupfen. Neulich traute sich meine Tochter gar nicht, im Auto zu husten. Und meine Große wurde zur Schulärztin geschickt, weil sie im Unterricht husten musste. Bei jedem Anruf aus der Schule oder jeder Nachricht in der Schul-App haben wir schon Panik, dass es jetzt so weit ist: positiv.

Stiko spricht sich für Corona-Impfung für alle ab 12 aus
ARCHIV - 09.06.2021, Nordrhein-Westfalen, Viersen: Eine Kinder��rztin impft einen Jungen mit dem Corona-Impfstoff Comirnaty von Biontech-Pfizer. Die St��ndige Impfkommission (Stiko) spricht sich f��r Corona-Impfungen f��r alle Kinder und Jugendlichen ab zw��lf Jahren aus. (zu dpa ��Impfkommission spricht sich f��r Corona-Impfung f��r alle ab 12 aus��) Foto: David Young/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Die Ständige Impfkommission (Stiko) spricht sich nun für Corona-Impfungen für alle Kinder und Jugendlichen ab zwölf Jahren aus.

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Viel wird auf die Familien abgewälzt

Natürlich möchte ich meine Kinder schützen und will nicht, dass sie erkranken. Aber anders als im vergangenen Jahr bin ich heute weniger ängstlich deswegen. Das liegt sicher auch daran, dass die führenden Ärzte hier immer wieder betonen, dass das Risiko für Kinder gering ist. Das stärkt mein Vertrauen darin, dass die Kinder das schaffen werden.

Das sehen aber nicht alle Eltern so. In Österreich ist zum Beispiel die Zahl der Kinder, die von der Schule abgemeldet werden, rasant gestiegen. Viele Eltern wollen ihre Kinder während der Pandemie nicht in die Schule lassen. Mich hingegen verärgert etwas anderes: Ich habe das Gefühl, es wird viel auf die Familien abgewälzt, und in der Schule soll ein Zeichen gesetzt werden. Der Bürger verlangt von der Regierung, sie solle etwas tun, und in den Schulen kann der Staat durchgreifen und vermeintliche Zeichen setzen. Anders als der Mitarbeiter in einem Wiener Büro nehmen die Kinder eben die ganzen Maßnahmen einfach so hin. Das alles macht mich wütend und hilflos.“

Man vertraut den Institutionen.

Sarah, 36, aus Kopenhagen

Sarah, 36, zwei Kinder (4,1) – Kopenhagen, Dänemark

Aus der Wahrnehmung der Menschen ist Covid verschwunden. Kitas und Schulen sind offen, sogar die Clubs. Auch Großveranstaltungen sind wieder möglich. Und das trotz zwischenzeitlich hoher Inzidenzen. Neulich haben wir Kindergeburtstag gefeiert – mit 60 Leuten, weil es hier üblich ist, alle Kinder einer Kita-Gruppe samt Familien einzuladen. Ich habe mir gar keine Gedanken darüber gemacht, ob wir mit so einer großen Gruppe feiern können.

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Aber vor ein paar Tagen gab es einen Fall bei einem Nachbarskind, und da hab ich schon gemerkt: Es sind jetzt auch häufiger kleinere Kinder betroffen. Aber deshalb Kinder nicht in die Kita zu geben, das passiert hier in Dänemark nur ganz selten. Man vertraut den Institutionen und darauf, dass das Wohl der Kinder in den Vordergrund gestellt wird. Das mag daran liegen, dass die Dänen generell nicht so autoritätskritisch sind. Aber es hat vielleicht auch mit der Erfahrung zu tun und welche Sicherheit die Regierung vermittelt. Am Anfang haben sie hart durchgegriffen und strenge Schutzmaßnahmen verhängt. Jetzt haben viele Eltern das Gefühl: Wenn die Kitas und Schulen offen bleiben, dann sind sie auch sicher.“

In der Schweiz war immer die Einstellung: Kinder müssen in die Schule, Kinder müssen leben.

Jvana, 39, aus der Schweiz

Jvana, 39, drei Kinder (5, 5 und 9) – Schweiz

„Der Schulstart in diesem Jahr war alles andere als okay, denn nach zwei Tagen war es schon wieder vorbei. Quarantäne. Als Gesunder ausgeschlossen zu werden, das war hart für meinen Sohn. Da ich von zu Hause arbeiten kann, konnten wir das als Familie gut auffangen. Aber ich glaube, viele Eltern haben keine Zeit dafür und lassen deshalb ihre Kinder gar nicht erst an den Tests teilnehmen.

Die sind nämlich bei uns freiwillig, sodass nur ein paar Kinder aus jeder Klasse überhaupt getestet werden. Oder es wird gar nicht getestet wie bei uns an der Schule. Wenn man herschaut, glaubt man, es gibt gar kein Corona. Klar, die Lehrer tragen eine Maske, aber die Kinder spielen auf dem Schulhof ganz normal, ohne Abstand.

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Grundsätzlich war in der Schweiz immer die Einstellung: Die Kinder müssen in die Schule, die Kinder müssen leben. Wir hatten auch nur zu Beginn einen Lockdown, danach waren die Schulen immer offen. Inzwischen läuft auch bei uns eine Debatte über die Durchseuchung. Einige Eltern haben Sorge, ihre Kinder würden an den Schulen nicht genügend geschützt. Ich persönlich würde mir wünschen, dass zumindest das Testen verpflichtend ist, damit die Kinder sich ohne Sorge frei in der Schule bewegen können.“

Hier bin ich optimistischer.

Caren, 41, aus Frankreich

Caren, 41, ein Sohn (6) – seit einem Jahr in Frankreich

„Die Schulen sind in Frankreich während des vergangenen Jahres offen geblieben. Das war super. Auch, weil alles genau geregelt ist: Es gibt ein klares Protokoll darüber, wie die Hygieneregeln ablaufen, wann wie die Masken zu tragen sind und was im Falle eines positiven Testes passiert. Ich habe das Gefühl, an der Schule achten sie sehr auf die Kinder und darauf, dass die Maßnahmen eingehalten werden.

Luftfilter gibt es nur in den wenigsten Städten

Als wir noch in Deutschland waren, musste mein Sohn in Quarantäne. Das war echt kein Spaß. Erstaunlicher­weise mache ich mir aber darüber jetzt gar keine Gedanken. Hier bin ich mit Blick auf den Herbst ein bisschen optimistischer. Vielleicht liegt es daran, dass auch im vergangenen Jahr, als es noch keine Impfungen gab, in unserem Dorf die Schulen die ganze Zeit offen geblieben sind. Und es hat ja geklappt. Außerdem haben wir eine hohe Impfquote, die mir die Hoffnung gibt, dass wir gut durch diesen Herbst kommen.

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Viele Hygienemaßnahmen hier ähneln übrigens denen in Deutschland. Etwa das Maskentragen. Um zu lüften, reißen sie in den Klassenräumen die Fenster auf. Luftfilter gibt es auch hier nur in den wenigsten Städten. Obwohl Eltern immer wieder Luftfilter fordern, werden sie nicht flächendeckend angeschafft.“

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