Bindung von Anfang an: Sabine war bei der Geburt ihrer Adoptivtochter dabei

Außergewöhnlich: Sabine konnte bei der Geburt der Adoptiv-Tochter dabei sein.

Außergewöhnlich: Sabine konnte bei der Geburt der Adoptiv-Tochter dabei sein.

Sabine, deine Tochter ist nicht deine leibliche Tochter. Kannst du uns etwas zu den Hintergründen erzählen, warum ihr adoptiert habt?

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Mein Mann und ich haben 2007 geheiratet, wir hatten beide einen Kinderwunsch und dachten uns: „Wenn´s passiert, passiert es.“ Als der Kinderwunsch dann stärker wurde und es einfach nicht geklappt hat, bin ich zu meinem Frauenarzt, der aber sagte, dass bei mir alles in Ordnung ist. Mein Mann hat dann ein Spermiogramm machen lassen und bekam die Diagnose OAT 3. Grades – somit führte kein Weg mehr an der Kinderwunsch-Klinik vorbei.

In Vorbereitung auf die erste Spermieninjektion bin ich plötzlich auf natürliche Weise schwanger geworden. Leider mussten wir unser Wunder in der neunten Schwangerschaftswoche wieder ziehen lassen. Da brach unsere Welt zusammen. Wir brauchten erstmal eine Pause, im Sommer 2015 sind wir wieder in die Kinderwunsch-Klinik und hatten leider drei erfolglose Injektionen. Für mich war klar, dass es keine weiteren Versuche mehr geben würde. Ich konnte nicht mehr, die Hormone und auch die ständigen Misserfolge hatten mich zu einem anderen Menschen gemacht. Roland litt natürlich auch sehr darunter und wir überlegten gemeinsam, wohin die Reise uns noch führen könnte. Ein Leben ohne Kind war für uns unvorstellbar…

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Dann war Adoption ein Thema…

Im Mai machten wir 2016 einen Termin beim Jugendamt aus, um uns über Adoption zu informieren. Die Sachbearbeiterin gab uns viele Unterlagen mit. Zuhause haben wir uns da nach und nach durchgearbeitet und unsere Lebensberichte geschrieben. Einige Unterlagen mussten wir noch besorgen, ein erweitertes Führungszeugnis, ein ärztliches Attest. Und ich machte ein kleines Album für eventuelle leibliche Eltern die auf der Suche nach Eltern für ihr ungeborenes Kind sind. In dem Album waren Fotos von uns Zweien, unseren Tieren, den potentiellen Omas, Opa, Tante, unserem Garten.

Die Unterlagen haben wir im August 2016 komplett abgegeben und zwei Tage später kam der Anruf, um einen Termin zum Hausbesuch zu vereinbaren. Dieser Termin fand bereits eine Woche später statt und wir mussten uns buchstäblich ausziehen. Alles wurde genau begutachtet, hinterfragt… ein regelrechter Seelen-Striptease. Ich war nach diesem Besuch fix und fertig und hab nur noch geheult. Ich hätte am liebsten alles hingeworfen. Roland aber sagte, wir haben das jetzt angefangen und bringen das zu Ende. Uns wurde auch gesagt, das auf rund 60 Bewerberpaare nur ein Kind kommt. Unsere Chancen ständen gleich null, dachten wir.

Leibliche Mutter will Adoptiveltern kennenlernen

Doch es kam anders. Wann wusstet ihr, dass ihr Eltern werdet?

Am 18.10.2016 bekam ich während eines Frühdienstes im Krankenhaus den Anruf. Es war an diesem Vormittag eine junge Frau bei unserer Sachbearbeiterin, schwanger in der 23. Woche mit einem Mädchen, und diese junge Frau wollte Roland und mich kennenlernen. Meine Kollegen haben mit mir geweint, meinen Mann konnte ich erst erreichen, als ich zuhause war und die nächsten zwei Tage bis zum Treffen standen wir völlig neben uns.

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Wie verlief das Treffen mit der leiblichen Mutter?

Sehr emotional. Sie hat uns ein Ultraschallbild von Magdalena geschenkt, damit ich ab dann immer etwas von ihr bei mir haben könnte.

Kannst Du was zu den Hintergründen der leiblichen Mama sagen?

Magdalenas leibliche Mutter war zu diesem Zeitpunkt 19 Jahre alt, einen leiblichen Vater dazu „gibt es nicht“. Mehr wollte sie dazu nicht sagen und wir wollten nicht nachbohren. Zu ihren Eltern hatte sie kein gutes Verhältnis, nur Unterstützung von der Oma. Außerdem war sie noch mitten in der Ausbildung. Für eine Abtreibung war es zu spät. Sie hat die Schwangerschaft verdrängt und war erst in der 21. Woche zum ersten Mal beim Frauenarzt. Sie sagte uns, sie wollte für ihre Tochter ein schönes Leben mit ganz viel Liebe. Und das könne sie ihrer Tochter nicht geben. Sie sagt auch jetzt noch, dass das Jugendamt ihr das Kind spätestens nach einer Woche weggenommen hätte, weil sie nicht mit ihm zurechtgekommen wäre.

Du konntest sogar bei der Geburt deiner Tochter dabei sein. Das ist außergewöhnlich. Wie kam es dazu?

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Ich bekam einen Anruf, dass die leibliche Mutter den Wunsch geäußert hätte, dass ich bei der Geburt dabei bin. Für mich war das eine unglaubliche Überraschung. Aufgrund dessen hatten wir dann offiziell Kontakt. Ich durfte zweimal mit zum CTG und zum Ultraschall.

Wir trafen uns zum Spazieren gehen oder auf einen Kaffee, ich hatte auch einen Termin für sie und mich bei meiner Hebamme vereinbart. Wir holten uns Tipps für die Geburt, inwieweit ich sie eventuell unterstützen könnte und wir bauten durch all das ein Vertrauensverhältnis auf.

Und dann kam der Tag…

Die leibliche Mutter kam am 24. Februar 2017 ins Krankenhaus zur Einleitung, weil sie starke Ischias-Schmerzen hatte und man sie auch nicht so lange „leiden“ lassen wollte. Am 26. Februar nachts um halb 1 kam dann eine WhatsApp, dass wir doch bitte ins Krankenhaus kommen sollten. Roland und ich waren dann gemeinsam gut eine Stunde zusammen bei ihr im Kreißsaal, dann ist Roland vor die Tür, weil die Situation doch sehr intim war. Sie und ich sind immer wieder eingedöst, ich habe ihr den Rücken massiert, sie mit Trinken versorgt. Wir haben auch gelacht, geblödelt, in die Zukunft geblickt. Um kurz nach halb 9 in der Früh ging dann alles ganz schnell. Nach wenigen Presswehen erblickte Magdalena um 8:42 Uhr das Licht der Welt.

Kontakt zur leiblichen Mutter bleibt nach Adoption

Wow. Wie lief es unmittelbar nach der Geburt ab?

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Ich durfte die Nabelschnur durchschneiden. Die Hebamme hat Magdalena in Handtücher gewickelt und die Kleine und ich wurden von ihr nach draußen gebracht. In dem Moment musste ich so sehr weinen. Einerseits die riesige Freude, dass Magdalena gesund zur Welt gekommen war, aber ich weinte auch, weil ich jetzt die leibliche Mutter alleine zurücklassen musste. Sie wollte Magdalena nicht schreien hören, hat sich die Ohren zugehalten und die Augen zusammengekniffen. Das war ein ganz, ganz schlimmer Moment für mich.

Als die leibliche Mutter versorgt war, wollte sie mich und Roland nochmal einzeln sehen und mit uns reden. Sie hat sich bedankt, dass Magdalena bei uns aufwachsen darf und sagte, dass ihr Kind keine besseren Eltern bekommen könnte. Bei mir bedankt sie sich heute noch, dass ich die Nacht über bei ihr im Kreißsaal war und sie während der Geburt unterstützt habe. Wir haben ihr einen „Engel der Freundschaft“ geschenkt und einen langen Brief dazu geschrieben. Ich weiß, dass der Engel bei ihr zuhause einen besonderen Platz bekommen hat.

Am Tag nach der Geburt wollte die leibliche Mutter Magdalena doch noch einmal sehen.

Ja, sie wollte sich verabschieden. Das Aufeinandertreffen war sehr emotional. Sie hat ihr so tolle Worte mit auf den Weg gegeben. Dass sie ihr ein ganz wundervolles Leben wünscht und dass sie weiß, dass wir gut auf sie aufpassen. In den Arm wollte sie Magdalena nicht nehmen.

Beschreibe mal deine Gefühle für die leibliche Mutter.

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Endlose Dankbarkeit. Aber auch Respekt. Solch ein Schritt ist eine Entscheidung fürs Leben, den man nicht mehr rückgängig machen kann.

Wie ist der Kontakt zur leiblichen Mutter heute?

Sie und ich haben in den ersten Tagen nach der Geburt täglich telefoniert. Es war ein besonderes Band zwischen uns. Nun ist der Kontakt weniger geworden. Das letzte Treffen war vor elf Monaten. Ab und an kommt eine WhatsApp und an Magdalenas Geburtstag ein Anruf. Das ist für uns völlig ok. Die leibliche Mutter weiß, dass sie sich jederzeit melden darf und ich ihr dann gerne Fotos schicke.

Deine Tochter ist bald drei Jahre alt. Weiß sie, dass du nicht ihre leibliche Mutter bist?

Magdalena weiß noch nicht, dass sie nicht in meinem Bauch war. Aber wir lesen ihr immer mal wieder Geschichten vor, in denen es im entfernten Sinne um Adoption geht, wie zum Beispiel die Geschichte vom Findefuchs. Der Zeitpunkt, an dem wir ihr es sagen werden, rückt aber näher. Wir denken, dass so mit vier bis fünf Jahren der richtige Moment kommen wird. Jetzt finden wir es zu früh und auch das Jugendamt meinte, dass die Kinder es erst im Vorschulalter so richtig aufnehmen können. Und wenn sie es denn mal möchte, darf sie natürlich ihre leibliche Mutter kennenlernen. Wir haben auch ein Foto, auf dem sie Magdalena auf dem Arm hat. Das war kurz vor dem ersten Geburtstag.

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Erzähl uns noch ein bisschen was über Deine Tochter.

Unsere Tochter ist einfach nur wundervoll. Sie liebt Tiere, wir haben selber einen Hund, Hühner, Vögel, Fische. Und wir besuchen die Kälbchen unserer Nachbarn regelmäßig. Sie singt und tanzt total gerne und kann sich für ihr Alter schon richtig viele Liedtexte merken. Wir sind so froh, dass es das Schicksal doch noch so gut mit uns gemeint hat und wir Eltern werden durften…

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