Als mein Kind fast im Pool ertrank – eine Mutter erinnert sich
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Jedes Jahr ertrinken Babys und Kleinkinder – auch weil die Eltern teilweise nicht aufgepasst haben. (Symbolbild)
© Quelle: Rolf Vennenbernd/dpa
Andrea, vor sieben Jahren wäre dein ältester Sohn fast in einem Pool ertrunken. Was ist damals passiert?
Mein Mann und ich waren an einem warmen Sommertag mit unserem gerade zweijährigen Sohn und seiner vier Wochen alten Schwester zu Besuch bei der Tante meines Mannes. Sie hat in ihrem Garten einen hohen Pool, das heißt, der Beckenrand war mindestens 1,60 Meter hoch. Die Leiter zum Pool war eingeklappt und der Pool abgedeckt.
Ich war mit der Tante meines Mannes, mit dem Baby und unserem Sohn im Garten. Mein Mann und sein Onkel waren in der Garage. Bis zu diesem Zeitpunkt sah ich keine Gefahr, der Pool war ja – so meinte ich – kindersicher. Weil ich die Wickeltasche im Auto vergessen hatte, bin ich noch mal zum Auto. Als ich zurückkam, sah ich durch das große Wohnzimmerfenster hinaus in den Garten – und eine Hand aus dem Pool herausragen. Ich bin natürlich sofort losgerannt und habe unseren Sohn aus dem Pool geholt. Unser Sohn hatte es irgendwie geschafft, am Pool hochzuklettern, und ist dann hineingefallen.
Die Tante meines Mannes war die ganze Zeit mit im Garten und hat dennoch nicht mitbekommen, was sich im Pool abspielte. Ertrinken passiert nämlich lautlos. Die meisten Menschen denken, dass Ertrinken wie bei „Baywatch“ aussieht. Ertrinkende Menschen können aber keine Hilfe rufen, weil der Körper zunächst sicherstellt, dass die Atmung funktioniert. Dadurch bleibt keine Zeit, zu winken oder zu rufen. Bei Kindern schon gar nicht.
Unser Sohn hat sehr, sehr großes Glück gehabt. Er war zu keiner Zeit bewusstlos, hat direkt geatmet und kein Wasser gehustet. Mein Mann ist Rettungsassistent und konnte den Zustand unseres Sohnes sehr gut einschätzen. Grundsätzlich würde ich Eltern aber raten, immer direkt einen Rettungswagen zu rufen, damit ein sekundäres Ertrinken ausgeschlossen werden kann. Bitte nicht selber ins Krankenhaus fahren, wenn während der Fahrt eine Notfallsituation auftritt, gefährdet man noch die anderen Verkehrsteilnehmer.
Hätte ich das verhindern können, wenn ich besser aufgepasst hätte?
Das ist die absolute Horrorvorstellung für alle Eltern. Wie ging es dir und deiner Familie in den Tagen danach?
Mein Glück ist, dass ich ausgebildete Rettungsschwimmerin bin. Als ich die Hand aus dem Pool ragen sah, ging bei mir ein Automatismus los. Ich habe solche Situationen so oft trainiert, dass ich wusste, was ich tun muss. Außerdem war ich – trotz allem – relativ ruhig. Das hört sich erst mal krass an, aber ich wusste, dass mein Sohn wahrscheinlich für immer Panik vor Wasser haben wird, wenn ich ihn hysterisch aus dem Wasser hole. Durch meine Ruhe hat er kein Trauma, sondern ist bis heute eine Wasserratte. Er macht gerade sein Goldabzeichen und einen Segelschein.
So weit die professionelle Sicht der Rettungsschwimmerin. Als Mutter waren die ersten Nächte für mich sehr schlimm. Ich habe immer wieder sein Gesicht unter Wasser gesehen und mich quälte die Frage: „Hätte ich das verhindern können, wenn ich besser aufgepasst hätte?“ Die Bilder von der Hand, die aus dem Pool ragt, werde ich wohl nie vergessen.
Dieses Erlebnis hat mich vorsichtiger mit Wasser werden lassen. Wir alle mögen Wasser, sind viel auf und im Wasser. Aber ich achte immer darauf, dass wir alle Schwimmwesten tragen, wenn wir auf dem Boot sind.
Viele Eltern lassen sich leicht von ihren Handys ablenken und haben die Kinder somit nicht mehr im Blick.
Jedes Jahr ertrinken Babys und Kleinkinder. Sind wir Eltern zu unbedarft?
Ehrlich gesagt, ja. Ich bin ja selbst Mutter und weiß, wie schwer es ist, immer überall seine Augen zu haben. Als Rettungsschwimmerin habe ich aber schon mal ein kleines Kind aus einem Lehrschwimmbecken rausgefischt, während die Eltern im warmen Babybecken saßen und gar nicht mitbekommen hatten, dass ihr Kind weggelaufen ist. Die Becken waren nur drei Meter auseinander.
Leider muss ich auch feststellen, dass viele Eltern sich leicht von ihren Handys ablenken lassen und die Kinder somit nicht mehr im Blick haben. Und ich sehe immer wieder, dass Kleinkinder ohne Schwimmhilfen am Wasser spielen.
Apropos Schwimmhilfe. Es gibt ja unterschiedliche Schwimmhilfen. Welche empfiehlst du und welche eher nicht?
Es gibt keine perfekte und 100 Prozent sichere Schwimmhilfe. Wasser ist und bleibt gefährlich, selbst wenn man schwimmen kann. Für Nichtschwimmkinder sind Schwimmflügel ein Muss. Aber auch sie bieten keinen hundertprozentigen Schutz vor dem Ertrinken. Deshalb sollten Kinder – egal in welchem Alter – nie ohne Aufsicht am und im Wasser spielen.
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Andrea beim Babyschwimmkurs: Schwimmen lernen ist wichtig – auch Babys können schon Kurse machen.
© Quelle: Tanja Deuß/Knusperfarben.de
Inwieweit kann eine frühe Wassergewöhnung Unfällen vorbeugen?
Durch eine sanfte Wassergewöhnung werden Kinder früh an Wasser gewöhnt, lernen die Risiken kennen und können früh sicher schwimmen lernen. Wir haben zehn Monate im Wasser gelebt, daher werden wir ohne Wasserangst geboren. Viele Kinder hören mit dem Schwimmunterricht auf, wenn sie das Seepferdchen haben. Sicher und ausdauernd schwimmen können Kinder aber frühestens mit dem Bronzeabzeichen.
Du gibst selbst Kurse für Babys und Kleinkinder. Ab welchem Alter eignet sich das und was steht da auf dem Programm?
Babyschwimmkurse biete ich ab drei Monate an, wobei die Kinder termingerecht auf die Welt gekommen sein sollten. Als Frühchen brauchen sie erst mal Zeit, in der Welt anzukommen, bevor man mit ihnen schwimmen geht. Ich sage den Eltern auch immer, dass der erste Schwimmbadbesuch oft nicht so romantisch ist wie gedacht. Ein Baby wird schnell müde und reizüberflutet und wenn man die Symptome nicht sieht, nimmt der Schwimmbadbesuch ein „lautes Ende“.
Um sicher schwimmen zu können, muss man üben.
Babyschwimmen stimuliert die Bewegungs- und Sinnesfähigkeit des Babys und fördert die geistige Aufnahmefähigkeit. Im Mittelpunkt der Kurse steht der Spaß und das Wohlfühlen im Wasser.
Ab welchem Alter empfiehlst du „normale“ Schwimmkurse für Kinder?
Schwimmen und Fahrrad fahren gehört nicht zu unserem Bewegungsgedächtnis, das heiß, wir müssen die Bewegungen mühselig erarbeiten und abspeichern. Kindern das Brustschwimmen zu erklären klappt daher frühestens ab vier Jahre. Wenn die Kinder dann bereits gut wassergewöhnt sind, lernen sie das Schwimmen meist sehr viel schneller.
In den Schulen fallen immer häufiger die Schwimmkurse aus ...
Ich finde es sehr schade und halte es für gefährlich. Wenn man sich die Ertrinkungsunfälle anschaut, dann sieht man, dass sie jedes Jahr zunehmen. Ertrinken ist bei ein- bis fünfjährigen Kindern die häufigste Todesursache und bei fünf- bis zehnjährigen Kindern die zweithäufigste Todesursache. Um sicher schwimmen zu können, muss man üben. Wenn immer mehr Schwimmbäder schließen und Schwimmunterricht ausfällt, kann man nicht üben.
Ab welchem Alter können Kinder und Jugendliche alleine ins Freibad oder Schwimmbad?
Das ist eine schwierige Frage, Kinder würde ich grundsätzlich nicht alleine ins Freibad lassen. Jugendliche ab 13 oder 14 Jahre, die gut schwimmen können, schon eher. Allerdings würde ich mit ihnen vorher über die Gefahren sprechen, die andere Badegäste mit sich bringen können, also dass jemand sie ins Wasser schubsen oder auf sie drauf springen kann.
Rätst du Eltern zu einem Erste-Hilfe-Kurs?
Absolut. In einem Notfall zeigt sich, wie wichtig es ist, dass man weiß, was man zu tun hat. Ich spreche da aus Erfahrung ...