Advent, Advent, die Mama rennt: Diese Mutter weigert sich, einen Adventskalender zu basteln
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Für Mutter Nina reichen Schokoladenadventskalender aus.
© Quelle: Alphotographic/Getty Images
Hannover. Als ich klein war, konnte man meinen Freundeskreis in zwei Lager teilen. Oder einzweieinhalb. Auf der einen Seite gab es die, die Schokoladenadventskalender hatten. Das waren grundsätzlich die Coolen. Die, die echt Glück hatten. Und unter ihnen gab es eine weitere Abspaltung: Die Kinder, die Schokoladenadventskalender von Markenherstellern hatten. Bei uns waren das meist die Einzelkinder. Hört sich Klischee besetzt an, war aber so. Die andere Schokofraktion hatte ein No-Name-Produkt, bei dem die Schokolade immer einen leichten weißen Rand hatte und auch schon ein bisschen oll schmeckte. Aber scheiß drauf – Schokolade war Schokolade.
...und dann gab es die Adventskalender mit Bildern
Auf der anderen Seite gab es die Kinder, die die Arschkarte gezogen hatten. Die, die einen Adventskalender mit Bildern hatten. Die Eltern kauften damals schon im Dritte-Welt-Laden und fanden das Öffnen der Bilder besinnlich. Doch ganz im Ernst: Keins der Kinder hatte Interesse an Besinnlichkeit. Sie taten mir einfach nur leid.
Keins der Kinder – ich wiederhole keins – hatte einen Adventskalender mit Säckchen. Oder sie haben sich nicht getraut davon zu erzählen, weil ihnen der Neid meiner gesamten bayerischen Kleinstadt sicher gewesen wäre. Es gab gefühlt im ganzen Landkreis nur Schoko- oder Bilderkalender.
Selbst gebastelte Adventskalender: Auch für große Familien ein Muss?
Ich habe drei Geschwister und meine große Aufgabe bestand darin, meinen Schokoladenkalender vor ihnen zu schützen. Mein kleinster Bruder hat einmal, als ich in der Schule war, meinen Adventskalender geklaut und alle Türchen aufgegessen. Und er besaß die Dreistigkeit, seine Tat anschließend zu leugnen. Soweit ich mich erinnern kann, schnappte ich mir aus Rache einfach seinen und tat dasselbe.
Meiner Mutter wäre es nie im Traum eingefallen, für jedes Kind 24 Säckchen zu packen – bei vier Kindern wären das schließlich geschmeidige 96 Stück. Und so war es wirklich eine der ganz großen Überraschungen in meiner Mutterschaft, als ich das erste Mal sah, mit welcher Hingabe andere Mütter Adventskalender basteln. Und wie viel Geld sie dafür ausgeben.
Es ist in Ordnung, einen Adventskalender zu kaufen
Ich gehöre eindeutig zum Team „Adventskalender kaufen“. Zum einen habe ich keinen Spaß am Basteln. Aber mich schreckt auch der Gedanke ab, in einem Discounter am Grabbeltisch 24 Kleinigkeiten für einen Euro zu besorgen. Oder Prenzlauer-Berg-like schicke, nachhaltige Kleinigkeiten, die mal 24 schnell 100 Euro kosten.
Wir reden immer von der Entlastung der Mütter und darüber, dass wir nicht alles perfekt machen müssen – aber Jahr für Jahr stressen sich die Mütter beim Thema Adventskalender. Dabei bin ich mir sicher: Würde man die Kinder fragen, wären alle mit einem Schokokalender happy. Vielleicht sollten wir im Advent anfangen, unsere Ansprüche runterzuschrauben. Dann würden wir vielleicht den Rest des Jahres davon profitieren.
RND/protokolliert von Katharina Nachtsheim