Nio ET7: Chinas Antwort auf die deutschen Luxusstromer
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Angriff auf die deutschen Edel-Elektrifizierten: Der Nio ET7 aus China soll den Markt in der Oberklasse aufmischen.
© Quelle: Nio
Nio? Nie gehört. Das dürfte sich bald ändern. Die noch junge, chinesische Automarke plant Großes, und dies weltweit. Auf dem Heimatmarkt ist Nio bereits in aller Munde, gilt als hip, modern und cool. Eine viertel Million Elektromodelle sind bereits auf der Straße. Nun soll die Tür nach Europa aufgestoßen werden, inklusive Deutschland, dem schwierigsten und anspruchsvollsten Automarkt der Welt.
Daher lässt Nio die Sache vorsichtig angehen und hat mit dem SUV ES8 zunächst einen Versuchsballon in Norwegen gestartet. Die Reaktionen waren sehr positiv. Das macht Mut. In Deutschland jedoch will Nio mit einer Limousine der Businessklasse starten, dem ET7. Das Modell positioniert sich als direkter Konkurrent zum Mercedes EQE und Tesla-Model S. An letzteren fühlt man sich sofort erinnert, sobald man hinter dem Lenkrad Platz genommen hat. Ein puristisches Cockpit mit einem Tablett-großen Bildschirm in der Mitte. Nahezu die gesamte Bedienung läuft über diesen Touchscreen. Sogar die Sitzverstellung ist da nicht ausgenommen.
Nomi spielt Alexa
Man könnte jetzt verständnislos mit dem Kopf schütteln und zu Recht fragen: Was soll das? Wo ist der Vorteil? Junge Chinesen mögen so etwas. Zur Verteidigung sei erwähnt: Die Sitze lassen sich auch noch klassisch bedienen. Konventionell arbeiten ebenso die Fensterheber, der Fahrmodusknopf und natürlich der Gangwahlschalter auf der Mittelkonsole.
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Das klare, schnörkellose Fahrerumfeld wird von Assistent Nomi dominiert, der auffällig in der Cockpitmitte thront.
© Quelle: Nio
Junge Chinesen können sich auch für die bewegliche, schwarze, tennisballgroße Kugel oben auf dem Armaturenträger begeistern. Das ist Nomi, das fernöstliche Pendant zu Alexa von Amazon. Nomi arbeitet als intelligenter Sprachassistent, hilft bei der Navigation, beantwortet alle möglichen Fragen und passt auf, dass man die Spur hält und nicht zu schnell fährt.
Nicht nur Nomi macht das Fahren im ET7 zu einer Besonderheit, auch die Ruhe und Geschmeidigkeit des 480 kW und 850 Nm starken Elektroallradantriebs sind beeindruckend. Das Auto fährt einfach klasse (Luftfederung serienmäßig). Man muss Nio wirklich ein hohes Maß an Professionalität bescheinigen. Eine Limousine in der anspruchsvollen Businessklasse auf die Räder zu stellen, das den deutschen Premiummarken Mercedes, BMW und Audi Paroli bieten soll, ist schon ein mutiger Plan. Der ET7 hat ein gefälliges Design, die Proportionen stimmen, Verarbeitung, Material und Oberflächen sind top, ebenso das Platzangebot, besonders jenes auf den Rücksitzen. Hinzu kommt eine geradezu überladende Ausstattung an Komfort- und Sicherheitsfeatures, wie sie sonst ab Werk nirgends zu finden sind. Es mangelt an nichts.
Zwei Batteriegrößen: 75 und 100 kWh Kapazität
Daher hat der Kunde nur die Wahl der Farbe/Polsterung, Felgengröße und Batteriekapazität. Letztere beträgt entweder 75 oder 100 kWh. Mit der größeren sind Reichweiten (nach WLTP) bis zu 580 Kilometer möglich. Im Alltag dürften es eher 400 sein, denn wesentlich unter 20 kWh pro 100 Kilometer wird man den ET7 nicht bewegen, auch wenn sich die Nio-Designer extrem Mühe gegeben haben, die Aerodynamik auf einen cw-Wert von 0,208 zu bringen. Das ist nur minimal schlechter als beim Mercedes EQS, dem Besten unter allen Serienautos.
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Der Nio ET7 wird demnächst wohl häufiger auf deutschen Straßen anzutreffen sein.
© Quelle: Nio
Umso unverständlicher, warum Nios Ingenieure sich bei so viel Ehrgeiz dann den Lapsus einer nur unterdurchschnittlichen Ladeleistung erlauben. Denn zum Komfort eines großen Elektroautos, das oft auch für die Langstrecke eingesetzt wird, gehört eine möglichst kurze Ladezeit. Der ET7 (große Batterie) braucht aufgrund seiner maximalen Ladeleistung von 130 kW 40 Minuten, um die Kapazität von 10 auf 80 Prozent aufzufüllen. EQS und auch der EQE erreichen 200 kW Ladeleistung. Die 80 Prozent sind so in weniger als 30 Minuten erreicht. Porsche und Audi schaffen dies sogar in rund 20 Minuten, weil ihre 800-Volt-Architektur deutlich höhere Ströme zulässt.
Nio setzt alternativ auf Akkutausch
Vielleicht liegt der Grund für die geringe Ladeleistung aber auch in einer Besonderheit, die derzeit nur Nio bietet. Die Chinesen setzen alternativ auf Akkutausch und wollen hierzu spezielle Stationen aufbauen (3000 in China, 1000 im Rest der Welt), in denen die leere gegen eine volle Batterie in nur fünf Minuten ausgewechselt werden kann – vollautomatisch per Roboter. Drei dieser sogenannten Power Swap Stations (PSS) sind derzeit in Deutschland kurz vor ihrer Fertigstellung. 2023 soll es in Europa immerhin 120 Akkuwechselpunkte geben.
Unkonventionelle Wege will Nio auch beim Vertrieb beschreiten. Der ET7 kann – im Unterschied zum norwegischen Markt – bei uns nicht gekauft, sondern nur über ein Abomodell gemietet werden. Das Angebot umfasst Laufzeiten von einem Monat bis zu fünf Jahren. Enthalten sind Inspektionen, Winterräder, Versicherung sowie Abholung und Anlieferung im Servicefall. Der Kunde zahlt nur noch seinen Strom. Günstig ist der ganze Spaß jedoch nicht. Bei einer Laufzeit von beispielsweise 36 Monaten beträgt die monatliche Miete beim ET7 mit der kleinen Batterie 1199 Euro, bei zwölf Monaten Laufzeit sind es 1295 Euro. Wer noch bis Ende des Jahres bestellt, bekommt seinen ET7 bis vor die Haustür geliefert – kostenlos.
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Der Nio von hinten – ebenfalls eine elegante Erscheinung.
© Quelle: Nio
Bei der Businesslimousine wird Nio es nicht belassen. Schon Anfang 2023 sollen zwei weitere Elektromodelle auf den deutschen Markt kommen, der ET5 als Rivale zum Tesla Model 3 und BMW i4 sowie der EL7 im Format eines Mercedes EQE SUV.
Technische Daten Nio ET7
Motor: zwei E-Maschinen
Antrieb: Allrad
Systemleistung: 480 kW
0–100 km/h: 3,8 s
Max. Drehmoment: 850 Nm
Spitze: 200 km/h (limitiert)
Verbrauch: 21,8 bis 19,0 kWh/100 km
Batteriekapazität: 100 kWh
Ladeleistungen: 11 kW AC, 130 kW DC
Reichweite: 505 bis 580 km
Kofferraum: 672 l
Länge/Breite/Höhe: 5101/1987/1509 mm
Leergewicht: 2379 kg
Preis: nur Abo, ab 1199 Euro/mtl.