Mercedes EQS im Test: Willkommen in der Zukunft

Dynamik allerorten: unser Testfahrzeug in den Schweizer Alpen.

Dynamik allerorten: unser Testfahrzeug in den Schweizer Alpen.

Er ist der erste seiner Art: Der neue Mercedes EQS begründet die neue Plattform für vollelektrische Luxusfahrzeuge. Künftig werden alle elektrischen Luxusmodelle der Daimler AG auf den Namen EQ hören und auf dieser Plattform konstruiert. Ein Testbericht.

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Bevor die automobile Zukunft beginnt, heißt es erst einmal, der profanen pandemischen Gegenwart zu begegnen. Auf das Negativergebnis folgt dann schnell die positive Überraschung. Der 5,216 Meter lange Testwagen – die Wahl fiel auf die stärkere Variante EQS 580 4MATIC mit Allradlenkung – wirkt schlank und rank. Die Linienführung erinnert ein wenig an einen Tropfen im Windkanal. Ein Tropfen allerdings, der sofort emotionalisiert.

Denn die beiden Designelemente Cab-Forward, also eine vorn angesiedelte Kabine, ermöglicht durch weit auseinander liegende A- und C-Säulen sowie das One-Bow-Design, das einen kühn geschwungenen Bogen über den Fahrzeuginnenraum spannt, sorgen für eine sportliche Coupédynamik, die manchem S-Klasse-Traditionalisten arg schwungvoll vorkommen mag. Zusammengenommen heißt das in der Fachsprache der Designer Purpose-Design, also die komplette Neugestaltung eines E-Fahrzeugs, anstatt Verbrennerelemente aufzunehmen oder zu modifizieren.

Der EQS ist eben keine Fortsetzung einer Verbrennerkarosserie, sondern anscheinend bereits die Antwort auf manche Fragen, die in Sachen E-Mobilität noch nicht gestellt wurden. Ein mutiger Designwurf, für den man, so heißt es hinter vorgehaltener Hand, bei Daimler voll ins Risiko gegangen ist. Daneben hat die sportliche Neukonzeption der Linienführung mit der Fronthaube, die über die Kotflügel und dem Fließheck reicht, nicht nur ästhetische, sondern auch aerodynamische Gründe. Auf einen Cw-Wert von 0,20 bringt es die etwas kleinere Maschine des EQS 450 – das ist Weltrekord für Serienlimousinen, den der EQS 580 nur knapp reißt.

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Ein Tropfen mit der Wucht eines Tsunamis

Die Kombination aus Linienführung und dem massivem Antrieb von 385 kW sorgt dafür, dass der Tropfen eher die Wucht eines Tsunamis entwickelt. In 4,3 Sekunden schieben sich die knapp 2,6 Tonnen (ohne Fahrer) auf 100 Kilometer/h. Die Endgeschwindigkeit ist auf 210 km/h abgeriegelt, ein Grenzbereich, der sich – zumindest legal – nicht in der Schweiz ausreizen ließ. Die Dynamik des Fahrerlebnisses speist sich allerdings auch nicht durch eine Endgeschwindigkeit, die sich mittlerweile auch in Deutschland ohne Tempolimit kaum noch stressfrei ausfahren lässt. Der Charme des EQS liegt in seinen endlos scheinenden Kraftreserven beziehungsweise den vielfältigen Fahrmodi, die von wirklich energisch-sportlichem Verhalten bis zum effizienten Energiesparen ungeahnte Varianten nicht fossiler Fortbewegung zulassen.

Zunächst erzeugt das Auto allerdings etwas, was sich wohl nur mit dem Terminus Wow-Gefühl akkurat abbilden lässt. Man steigt nicht ein in den EQS, man betritt ihn. Wahlweise und nach Ausstattung durch die Automatiktüren. Nähert sich der Fahrer auf weniger als sechs Meter dem Fahrzeug, fahren die versenkten Türgriffe heraus. Kommt man auf etwa 1,5 Meter heran, öffnet sich der Schlag und man lässt sich in das Fahrerfauteuil nieder, dem es außer der Fähigkeit, einen wohltemperierten Espresso zu servieren, an keinen nur denkbaren Komfortfunktionen fehlt. Der erste Blick aufs Cockpit ist überwältigend, der MBUX-Screen schlägt auf einer Gesamtlänge von 1,41 Metern seinen gläsernen Bogen von Fahrer zu Beifahrer. Die wichtigsten Funktionen sind ohne langwierige Menüsuche auffindbar – auch dafür haben die Wortakrobaten von Daimler einen Begriff erfunden: Zero-Layer. Das wichtigste auf einer Ebene, kein Blättern im Menü heißt das übersetzt.

Blick auf den gewaltigen MBUX-Screen, der sich von Fahrer- bis Beifahrerseite spannt und dem Gast auf dem Beifahrersitz eigene Unterhaltungsmöglichkeiten bietet.

Blick auf den gewaltigen MBUX-Screen, der sich von Fahrer- bis Beifahrerseite spannt und dem Gast auf dem Beifahrersitz eigene Unterhaltungsmöglichkeiten bietet.

Kurz den Startknopf gedrückt, den Fuß auf die Bremse gestellt – und schon schließt der unsichtbare Butler die Fahrertüre. Ein Blick nach links und rechts – und es passen sich die Außenspiegel dem Blickwinkel des Fahrers an. Theoretisch jedenfalls. Diese Funktion wollte beim Test partout nicht funktionieren, aber auch elektrisch lassen sich die Sichthilfen ja zum Glück justieren. Fahrmoduswählschalter in D bringen, und schon kann‘s losgehen. Lautlos schiebt sich die elegante Karosse den ebenso eleganten Zürichberg hinunter ins schicke Zentrum der Schweizer Bankenmetropole.

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Aufgeregte elektronische Helferlein

Obwohl die wohlstandsgewohnten Zürcherinnen und Zürcher einiges an Luxuskarossen gewohnt sind, erntet der EQS doch neugierige und bewundernde Blicke. Aber zu viel Ablenkung ist erst mal nicht gut für den Fahrer, zu sehr ist er damit beschäftigt, die digitale Informationsflut zu verinnerlichen. Was – zusätzlich zum MBUX-Screen – an Wissenswertem aufs Overheaddisplay gespült wird, das geht klar als Information-Overkill durch. Es lässt sich zwar ausschalten, als Standardeinstellung sollten allerdings Tempo und Verkehrszeichenanzeige reichen. Viel hilft viel ist auch das Motto der elektronischen Helferlein, die in Gestalt des Kollisionswarners anfangs allerdings sehr aufgeregt sind. An jeder zweiten Kreuzung oder innerstädtischen Kurve signalisiert er Gefahr in Bild und Ton – und zieht sogleich den Gurtstraffer an.

Diese elektronische Maßregelung verschwindet später – ob sich erst Auto an Fahrer oder umgekehrt gewöhnen musste, bleibt unklar. Außerorts jedenfalls zeigt sich der EQS von seiner gänzlich makellosen Seite. Auf engen Bergstraßen wirkt die Allradlenkung Wunder – sie ist sowohl mit 4,5 Grad wie auch mit 10 Grad Einschlagswinkel erhältlich – OTA, over the air, also drahtlos. Sportliches Driften allerdings kann man sich mit der Hinterachslenkung abschminken. Wie auf Schienen läuft der EQS, Überholen ist bei der Dynamik auch auf engstem Raum ein großer Spaß, ganz zu schweigen von der Beschleunigung natürlich.

Doch beinahe noch erquicklicher als die Performanztests, bei denen stets das Auto besser abschneidet als der Fahrer, ist das geradezu majestätische Dahingleiten – etwa auf der Autobahn. Wer mag, lässt die Fenster herunter und öffnet das riesige Panoramadach, um nichts zu hören außer dem Wind und den Abrollgeräuschen der Reifen. Alternativ widmet man sich ganz den Innengeräuschen, die ausschließlich das Burmester-Surroundsoundsystem aus seinen 15 Lautsprechern erzeugt, und vergisst im mobilen Konzertsaal mal schnell die Außenwelt.

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Die ist schnell zurück, wenn man die Autobahn verlässt. Auf gut 2000 Metern Höhe in Gotthard-Nähe lassen sich nämlich bestens die unterschiedlichen Rekuperationsstufen ausprobieren. In der stärksten Einstellung braucht man die Bremsen gar nicht mehr und holt sich bis zu 290 kW an Energie zurück. Das führt auch dazu, dass die für den EQS 580 angegebene Reichweite von 676 km durchaus realistisch ist. An den beiden Testtagen blieb der Verbrauch jedenfalls stets deutlich unter 20 kW, was für ein Fahrzeug dieser Größe ein wirklich bemerkenswerter Wert ist.

Dass sich zu Beginn des Katastrophentiefs „Bernd“ die Autonomie der Stufe drei nicht testen ließ, war eine Enttäuschung, klang das gesetzeskonforme autonome Fahren auf der Autobahn bis Tempo 60 im Mercedes-Testzentrum doch arg nach Schönwettertechnik. Doch immerhin waren es nicht die Ingenieure, die den Test nicht zuließen. Das Auto selbst entschied, es sei jetzt zu gefährlich für derlei Experimente.

 
Durch die Alpen: Der EQS 580 4MATIC in der Heckansicht.

Durch die Alpen: Der EQS 580 4MATIC in der Heckansicht.

Mercedes EQS 580 4MATIC

Motor: Elektro

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Leistung: 385 kW/523 PS

Max. Drehmoment: 855 Nm

0–100 km/h: 4,3 s

Spitze: 210 km/h (abgeregelt)

Batteriekapazität: 107,8 kWh

Verbrauch: 18,3–21,4 kWh/100 km (WLTP)

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Reichweite: 676 km (WLTP)

CO₂-Emission: 0 g/km

Länge/Breite/Höhe: 5.216/1.926/1.512

Radstand: 3,210 m

Kofferraum: 610-1770 l

Leergewicht: 2585 kg

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Getriebe: Zweigangautomatik

Preis: Noch offen

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