Autosalon Paris: Neue Marken aus Fernost nutzen das Fehlen der deutschen Hersteller
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Wiedergeburt einer Legende: Das vollelektrische Concept Car R4EVER Trophy von Renault ist eine Reminiszenz an den R4.
© Quelle: Thomas Geiger/dpa-tmn
Vermutlich reiben sich die Strategen der chinesischen Autokonzerne, die zum Sprung nach Europa ansetzen, die Hände. Welch eine günstige Gelegenheit, auf einer renommierten Autoshow wie dem Pariser Salon seine neuen Modelle ausstellen zu können, ohne im Schatten der starken, deutschen Autobranche zu stehen. Viel besser könnte das diesjährige Motto der Messe nicht passen: „La Révolution est en marche“, die Revolution ist in vollem Gange.
Nicht wenige Branchenexperten sehen den Auftritt der Chinesen als Symbol, dass schon bald deren Autos in größerer Zahl zum hiesigen Straßenbild gehören werden. Ende des Jahrzehnts, davon geht beispielsweise die Unternehmensberatung Strategy& aus (sie gehört zu Pricewaterhouse-Coopers), könnte der Anteil bei knapp 8 Prozent liegen. Der Weg dahin: hohe Qualität, gutes Design und niedrigerer Preise als die Konkurrenz.
Doch vielleicht haben die fernöstlichen Invasoren die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Sämtliche Prognosen basieren stets auf der Annahme, dass europäische Kunden chinesische Automarken auch kritiklos akzeptieren. So etwas kann sich auch schnell einmal ändern. Derzeit genießt das zentralistisch geführte Reich der Mitte wenig Sympathie. Politische Einflussnahme auf Taiwan und Hongkong, Unterdrückung und Verfolgung der Uiguren im Westen des Landes sind nur einige Beispiele. Zudem gilt China als größter Luftverschmutzer auf diesem Planeten.
China mit großem Auftritt
Auch werden die europäischen Autohersteller nicht tatenlos zusehen, wie sich neue Mitspieler auf dem Feld breitmachen, auch wenn alle deutschen Marken der „Mondial de l‘Auto“ in diesem Jahr ferngeblieben sind. Der Messerundgang durch die Pariser Hallen zeigt: Die große Show veranstaltet BYD (Build Your Dreams). BYD ist mittlerweile einer der weltweit größten Anbieter von E‑Autos. Mitgebracht haben die Chinesen gleich drei Modelle, den siebensitzigen SUV namens Tang, die Businesslimousine Han und – als Konkurrent zum VW ID.3 – das kompakte Crossovermodell Atto 3. Wir haben uns in jedes der drei neuen Modelle gesetzt und waren erstaunt, wie modern und hochwertig die Innenräume ausgestattet waren.
Großoffensive Richtung Europa: der Stand des chinesischen Herstellers BYD.
© Quelle: Specht
Eher enttäuschend sind allerdings die Ladeleistungen. Der Akku des Atto 3 verträgt maximal nur 88 kW – viel zu wenig im Segment. Mit dem Tang ist BYD bereits im norwegischen Markt unterwegs. Das Allradmodell, fast so groß wie ein Audi e-tron, war dort im Juli das bestverkaufte Elektro-SUV. Dürftig ist erneut die DC-Ladeleistung: 110 kW, was bei Langstreckenfahrern nur Kopfschütteln auslösen wird. Die Konkurrenz kann mehr als doppelt so viel.
Wer glaubt, dass Chinas Autobauer ihre Stromer trotz der Lademängel bei uns zu Dumpingpreisen anbieten, wird enttäuscht. Der Atto 3 startet bei 42.245 Euro. Die Limousine Han gibt es ab 70.805 Euro, das SUV Tang kostet mindestens 71.400 Euro
Folgen wird den drei Startmodellen Atto 3, Han und Tang im kommenden Jahr vermutlich der Seal. Die Limousine hat die Größe eines Tesla Model 3.
Als zweiter Autokonzern aus China präsentiert sich Great Wall mit seiner Elektromarke Ora. Schon Anfang nächsten Jahres soll der Kleinwagen Ora Funky Cat zu uns kommen und Ende 2023 eine Mittelklasse-Limousine folgen.
Europa im Visier: Vinfast aus Vietnam
Auch an den Namen Vinfast werden wir uns vielleicht gewöhnen müssen. Vinfast kommt aus Vietnam und schmiedet ambitionierte Pläne. 2027 will man eine Million Stromautos auf der Straße haben und in zehn Jahren zu den zehn größten Elektroautoherstellern gehören. Debüt in Paris feiern das kompakte Crossovermodell VF6 und das Mittelklasse-SUV VF7.
Mit zwei Modellen zielt der vietnamesische Hersteller Vinfast auf den Geschmack der Europäer. Im Bild der Crossover Vinfast VF6.
© Quelle: Specht
Auch hier gilt: Man weiß in Vietnam genau, wie der europäische Automarkt tickt. Daher stimmen Design, Qualität und Konnektivität. Die Cockpits sind teilweise so gut gemacht, dass man sich hinter den deutschen Herstellern nicht zu verstecken braucht. Vinfast ist derart optimistisch für den europäischen Markt, dass man hier ein Produktionswerk errichten will – eventuell sogar in Deutschland.
Heimspiel für die Renault-Gruppe
Als eine Art Heimspiel nutzt Renault den Pariser Autosalon. Entsprechend aufwändig ist der französische Hersteller mit seinen Marken Renault, Alpine, Dacia und Mobilize vertreten – und erhielt sogar Besuch von Staatspräsident Emmanuel Macron.
Interessanter für die Branche war jedoch der nächste R4. Aus dem Enkel des legendären Kleinwagens aus den 60er- und 70er-Jahren ist ein vollelektrischer und rustikaler Geländewagen mit Dünen-Buggy-Flair geworden, der R4EVER Trophy. Allerdings handelt es sich hier noch um ein Concept Car. Die Serienversion dürfte deutlich dezenter daherkommen. Start soll 2025 sein.
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Neu im Angebot des französischen Konzerns Stellantis: der elektrische Jeep Avenger.
© Quelle: Jeep
Mit einer Länge von 4,06 Metern trifft der elektrische Renault 4 ziemlich exakt die Maße des neuen Jeep Avenger. Auch er ist ein City-E-SUV, auch er feiert in Paris sein Debüt, kommt jedoch schon Anfang 2023 auf den Markt. Neben der Frontantriebsversion wird es auch, gemäß der Marken-DNA, eine Allradvariante geben. Bei ihr sitzt zusätzlich ein E‑Motor auf der Hinterachse.
Start-ups mit Wasserstofftechnik
Weiter in der Zukunft agieren dagegen NAMX und Hopium. Beide Start-ups setzen mit ihren Stromern auf die Alternative Wasserstoff. NAMX in Form von auswechselbaren Kartuschen, die im Heck des SUV untergebracht sind, Hopium auf klassische Drucktanks für die Brennstoffzelle. Die Reichweite soll 1000 Kilometer betragen.
Wasserstoffpionier: Die Hopium-Limousine des gleichnamigen Start-ups.
© Quelle: Specht
Bemerkenswert ist das schlanke und puristische Design der Hopium-Limousine. So etwas würde man sich gern auch einmal von den etablierten Autoherstellern wünschen. 2025 will das französische Unternehmen mit der Serienproduktion starten. Preislich redet man von rund 120.000 Euro.