Was wurde aus StudiVZ und Co.?
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Man sagt sich, dass noch heute Leute E-Mails von StudiVZ bekommen...
© Quelle: dpa
Seattle. Sie waren die Überflieger im Netz – mittlerweile sind sie bedeutungslos oder komplett verschwunden: Viele Onlinedienste und Programme aus den Frühjahren des Internets sind mittlerweile Geschichte. Eine Erinnerungsrunde:
Netscape Navigator
Lange vor Firefox, Chrome und Co. war Netscape der Standardbrowser. „Mitte der Neunzigerjahre hatte Netscape einen Marktanteil von 80 Prozent“, sagt der Bremer Digital-Historiker Daniel Crueger. Doch: „1995 begann mit der Markteinführung des Microsoft Internet Explorers der sogenannte Browserkrieg, für den Microsoft die Marktmacht seines Betriebssystems Windows mobilisierte.“ 2003 war der Marktanteil von Netscape auf weniger als 4 Prozent gesunken, der Explorer hatte über 95 Prozent erreicht.“ Von AOL zwischenzeitlich übernommen, wurde der Browser 2007 eingestellt.
Altavista
Die Suchmaschine ging 1995 online und war jahrelang Marktführer. „Altavista hat seine Suchergebnisse vor allem aus den sogenannten Metadaten einer Website erstellt, das heißt etwa auf Grundlage von Seitentiteln oder vom Autor vergebener Stichwörter“, erklärt Timm Lutter vom IT-Verband Bitkom. Dann kam 1998 Google und machte es „besser“, indem der Gesamttext einer Seite analysiert wurde. Für Altavista ging es stetig bergab, bis der letzte Besitzer Yahoo die Suchmaschine nach mehreren Verkäufen 2013 abstellte.
StudiVZ
Ursprünglich als Studentennetzwerk konzipiert, war StudiVZ zur richtigen Zeit am richtigen Ort: „Als der Dienst 2005 ans Netz ging, war die Epoche von Social Media soeben angebrochen, deutschsprachige Angebote fehlten aber noch weitgehend“, sagt Crueger. StudiVZ war für eine ganze Generation der Social-Media-Erstkontakt, und zu ihrer Glanzzeit hatte die VZ-Gruppe rund 16 Millionen aktive Nutzer. Dann kam der tiefe Fall. „Während Facebook optisch und technisch davonzog, herrschte bei StudiVZ auf Software-Seite in einer kritischen Phase Stagnation“, sagt Dörner. Die wachsende Nutzerzahl und die Internationalität von Facebook führte dann zur digitalen Völkerwanderung – die Plattform ist aber noch online.
Winamp
Der kostenlose, schlanke Musik- und Video-Player etablierte sich nach Erscheinen 1997 rasch als Quasistandard. AOL kaufte das Unternehmen 1999. Neuere, immer überfrachtetere Winamp-Versionen brachten aber immer mehr Beschwerden – bis hin zur massenhaften Abwanderung. „Winamp wurde im Wesentlichen von zwei Software-Lösungen abgelöst: iTunes und VLC-Player“, sagt Stephan Dörner. Ursprünglich sollte Winamp 2013 eingestellt werden, wurde jedoch nochmals verkauft. Auf neue Versionen wartet man bisher vergeblich.
ICQ
Der Messenger ging 1996 an den Start und blieb in seiner Hochzeit mehr als 470 Millionen Nutzern weltweit mit seinem einprägsamen „Uh-oh“ beim Eingang neuer Chat-Nachrichten in den Ohren hängen. ICQ verpasste aber die Smartphone-Revolution und ist erst seit 2010 mobil nutzbar. Aber der Dienst ist nicht ganz in der Versenkung verschwunden. In Russland etwa ist er „enorm prägend für die dortige Webkultur“.
Napster
Machte ab 1999 das Musik-Filesharing völlig ungeachtet der Rechtslage zu einem weltumspannenden Phänomen und etablierte das Audioformat MP3. Kurz vor seinem Ende im Februar 2001 hatte der Dienst 80 Millionen Nutzer. „Doch Napster kostete der Musikindustrie immensen Umsatz, weshalb diese sich juristisch nach Kräften gegen den Dienst wehrte“ – am Ende erfolgreich. Nach der Insolvenz wurde der Markenname mehrfach weiterverkauft und wird heute von einem kostenpflichtigen Musik-Streamingdienst geführt.
Second Life
„Second Life war eine revolutionäre Idee, ein soziales Netzwerk in eine virtuelle Welt zu verlagern“, sagt Lutter. Als 3-D-Avatare bewegen sich die Nutzer durch virtuelle Welten. Das Angebot des US-Unternehmens Linden Lab ging 2003 online. Doch nach einem anfänglichen Hype wurde es schnell still um Second Life. „Wahrscheinlich kam die Idee aber zu früh, Internetbandbreite und Grafik waren noch nicht weit genug fortgeschritten.“ Zwar ist das Netzwerk noch online, Nutzerzahlen liegen aber nicht vor.
Geocities
„Geocities hat Privatnutzern kostenlos Speicherplatz für eigene Homepages zur Verfügung gestellt, als es nur sehr wenige für Privatleute nutz- und bezahlbare Angebote dieser Art gab“, sagt Lutter. Eine eigene Seite im Netz wurde mit dem Start des Angebotes 1994 auf einmal erschwinglich. Zwischenzeitlich von Yahoo übernommen, wurde der Dienst 2009 eingestellt. „Letztlich fehlten Innovationen, um die Nutzer zu halten, und eine Strategie zum Geldverdienen.“
MySpace
Die 2003 gegründete Community mit Schwerpunkt Musik wurde 2005 von Rupert Murdochs Medienkonzern News Corporation aufgekauft – für den damals heftig diskutierten Rekordpreis von 580 Millionen Euro. MySpace erlebte zu Beginn ein rasantes Benutzerwachstum von bis zu 230 000 neuen Mitgliedern pro Tag. 2009 waren es knapp 270 Millionen Mitglieder. Aber Murdoch verzockte sich. Heute ist der Dienst noch online – aber weitgehend Ödland.
Von RND/Thomas Schörner