Tiktok muss es besser machen
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Die App Tiktok steht in der Kritik.
© Quelle: Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/dpa
Tiktok will vor allem Spaß machen. Und das tut die App sehr oft auch. In kaum einem sozialen Netzwerk findet sich derzeit so viel Kreativität, entstehen so viele Trends, kann man beobachten, wie witzig, talentiert und verrückt die Welt ist. Tiktok ist der Newcomer des Jahres, selbst die Tagesschau ist mittlerweile da.
Aber Tiktok ist eben keine heile Welt, sondern auch nur ein weiteres soziales Netzwerk. Und große soziale Netzwerke – allen voran Facebook – schlagen sich schon seit Jahren mit der Frage herum, wie sie die Inhalte auf ihren Plattformen regulieren sollen. Was muss gelöscht werden, was darf stehen bleiben? Wo hört die Meinungsfreiheit auf, auf welche regionalen oder religiösen Befindlichkeiten muss man Rücksicht nehmen, stellt man sich in den Dienst autokratischer Staaten? Wie kann man Nutzer vor Mobbing oder digitalem Hass schützen?
Plattformen können sich nicht vor der Verantwortung drücken
Lange haben es sich die Plattformen dabei sehr einfach gemacht und alle Verantwortung von sich gewiesen. Mittlerweile lässt man das keinem Netzwerk mehr durchgehen. Wirklich überzeugende Antworten haben sie deshalb zwar noch nicht geliefert, aber zumindest ist ein Prozess angelaufen, hinter den man nicht zurückfallen darf.
Deshalb ist es auch nicht überraschend, dass nun auch die Moderationsregeln von Tiktok von Journalisten recherchiert – und kritisiert werden. Schließlich wächst mit der Größe auch die Aufmerksamkeit für die App – und deren Verantwortung für die Nutzer. Überraschend ist aber, dass Tiktok nicht besser auf eine Diskussion über die Moderationsregeln vorbereitet war – oder eher: es nicht gleich besser gemacht hat.
Tiktok begrenzte Reichweite von Menschen mit Behinderung
Im Fall von Tiktok wird nun nicht zu wenig Eingriff in den Inhalt kritisiert – sondern ein Zuviel. So sahen die Richtlinien des Netzwerks zum Beispiel zumindest zeitweise vor – das berichtet Netzpolitik.org –, dass man, um vermeintlich verwundbare Nutzer zu schützen, deren Inhalte in ihrer Reichweite begrenzt. Auf diese Weise wollte man nach eigenen Angaben etwa Tiktok-Nutzer mit Behinderung, dicke oder LGBTQI-Personen vor Cyberbulling bewahren. Eine Sprecherin sagte gegenüber Netzpolitik.org, dass dieser Ansatz „nie als langfristige Lösung gedacht war“. Dass man ihn überhaupt in Betracht gezogen hat, ist im besten Fall naiv. Organisationen wie Ability Watch sind zu Recht empört.
Auch für seinen Umgang mit politischen Videos – zum Beispiel zu den Protesten in Hongkong – ist das Unternehmen inzwischen schon häufig kritisiert worden, der Vorwurf der Zensur unter anderem im Auftrag der guten Laune (und des chinesischen Staats) wurde laut. Laut Zeitungsberichten hat Tiktok nach entsprechenden Berichten seine Regeln nachgebessert.
Tiktok muss jetzt schnell – und transparent – handeln
Wenn man Tiktok dabei keine böse Absichten unterstellen möchte, dann wirkt das Vorgehen des Unternehmens doch in jedem Fall dilettantisch. Ja, Tiktok ist auf dem europäischen Markt ein Newcomer. Ja, die nötigen Strukturen müssen erst geschaffen und besetzt werden. Aber das Thema Moderationsregeln ist nun wirklich nichts Neues. Tiktok hätte von den Fehlern anderer lernen, hätte sehen können, welchen Ärger das Thema beispielsweise Facebook regelmäßig einbringt – und es besser machen müssen.
Wenn es das Vertrauen seiner Nutzer nicht verlieren will, muss Tiktok deshalb jetzt schnell handeln. Es muss glaubwürdig zeigen, dass es schnell dazulernen kann. Zudem muss das Unternehmen mit den chinesischen Wurzeln glaubhaft versichern können, dass es nicht mit der chinesischen Regierung zusammenarbeitet. Transparente, nachgebesserte Moderationsregeln wären dabei ein unerlässlicher, erster Schritt.
RND