Verkleidete Tiere, rohe Gewalt und vermeintliche Rettungen

Tierleid in Social Media: Wie erkenne ich es und gehe richtig damit um?

Vermeintlich witzige Tiervideos sind für die darin zu sehenden Katzen oder Hunde oft gar nicht so unterhaltsam (Symbolbild).

Vermeintlich witzige Tiervideos sind für die darin zu sehenden Katzen oder Hunde oft gar nicht so unterhaltsam (Symbolbild).

Jemand legt eine Gurke hinter eine Katze. Als das Tier das Gemüse erblickt, springt es vor Schreck senkrecht und mit buschigem Schwanz in die Höhe. Ein anderer Clip zeigt einen Mann, der einen Welpen vor einer Schlange beschützt – vermeintlich. Denn bei solchen Rettervideos kann es sich um Fakes handeln. Die Menschen haben die Tiere dann mit Absicht in die gefährliche Situation gebracht, um die Rettung zu filmen und online Likes abzugreifen.

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Social-Media-Plattformen sind voll von Tiervideos, die Menschen zum Lachen bringen oder Anteilnahme erzeugen sollen. Für die darin zu sehenden Hunde, Katzen, Kleintiere und Exoten war die gefilmte Situation oft aber gar nicht lustig. Wie Sie Tierleid in Social Media erkennen und mit solchen Bildern und Videos am besten umgehen.

Was ist Tierleid?

Die Welttierschutzgesellschaft (WTG) liefert zwei Definitionen, eine zu „eindeutigem Tierleid“ und eine zum „Tierleidverdacht“.

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Bilder und Videos enthielten eindeutiges Tierleid, wenn es den gezeigten Tieren in der Situation ganz offensichtlich körperlich oder psychisch schlecht geht. Beispiele dafür seien:

  • Rohe Gewalt: zum Beispiel das absichtliche Verletzen von Tieren, die Schnauze mit Klebeband zubinden, Tiere piercen oder tätowieren
  • Vermeidbarer Kontakt mit dem Menschen: etwa das Halten von Wildtieren in privaten Haushalten oder Selfies mit Wildtieren
  • Inszenierte Tierrettungen: Menschen bringen Tiere mit Absicht in gefährliche Situationen, um sie anschließend zu „retten“ und sich dabei zu filmen
  • Vermeintlich lustig aussehende Tiere: beispielsweise das starke Einschränken der Bewegungsfreiheit durch das Tragen von Verkleidungen, mit Absicht erschreckte Tiere
  • Zeigen von Qualzuchten: „Durch die meist unkritische Darstellung der überzüchteten Tiere wird Tierleid maßgeblich normalisiert und ein gefährlicher Trend befördert“, erklärt die WTG. Ein Beispiel für eine Folge von Qualzuchten sei die „Brachyzephalie“. Das ist der Fachbegriff für eine Kurzköpfigkeit, wie sie Hunde der Rasse Mops und Perserkatzen häufig haben. Sie kann gesundheitliche Probleme verursachen.

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Manche Bilder und Videos in Social Media zeigen Situationen, in denen Tiere Leid empfinden könnten – vielleicht aber auch nicht. Genau festzustellen ist das nur, wenn man den Kontext kennt. In solchen Fällen spricht die WTG von „Tierleidverdacht“. Einige Beispiele:

  • Enger Kontakt zu Wildtieren: Es könnte sich auch um Wildtiere handeln, die Fachkräfte gerade in Auffangstationen aufpäppeln
  • Verkleidete Tiere: Um Tierleid handele sich sich nur dann, wenn das Tier stark und über längere Zeit in seinen Bewegungen eingeschränkt und offensichtlich gestresst ist
  • Fixierte, aggressive Hunde: Aus Notwehr kann es nötig sein, denn Hund zu fixieren oder rabiat zu behandeln.
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Zudem gebe es eine Vorstufe: fehlender Respekt im Umgang mit Tieren. Katzen, Hunde oder Kleintiere sehen irritiert oder ängstlich aus – vielleicht sogar infolge des Verhaltens eines Menschen. Statt ihnen zu helfen, halten Besitzerinnen und Besitzer die Kamera darauf.

Wieso ist es manchmal schwierig Tierleid auf Social-Media zu erkennen?

Die Definitionen der WTG helfen dabei, einzuordnen, ob es dem auf einem Foto oder in einem Video gezeigten Tier schlecht geht. Doch das Einschätzen ist schwierig. „Dafür muss man ein umfassendes Wissen über die meist körperlichen Ausdrucksformen verschiedener Tierarten haben“, erklärt Kathrin Strehle, Journalistin und Hundetrainerin, bei einem Kongress der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Bellt der Hund vor Freude oder Angst? Zuckt der Schwanz der Katze, weil sie freudig-aufgeregt oder ärgerlich ist?

Auch ein umfassendes Wissen über die Physiologie verschiedener Tierarten brauche man. Denn nur so können Menschen erkennen, ob ein Tier zu unnatürlichen Bewegungen gezwungen wird oder überzüchtet ist. Es sei zudem nötig, ein Video sehr aufmerksam und manchmal mehrmals anzuschauen, um beispielsweise eine gestellte Situation zu erkennen.

Strehle spricht hierbei von einem „Dilemma“. Je länger und öfter Nutzende ein Video anschauen, als desto interessanter ordnen die Algorithmen von Social-Media-Plattformen es ein. „Man unterstützt so also das vermehrte Ausspielen und Verbreiten von Videos, die Tierleid zeigen“, erklärt die Expertin.

Wie ist die rechtliche Lage in Deutschland?

In Deutschland gilt das Tierschutzgesetz. „Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen“, heißt es im ersten Paragrafen. Außerdem müssen Halterinnen und Halter „das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen“ (§2, Abs. 1).

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Zudem nennt das Tierschutzgesetz eine Reihe von Verboten. Dazu zählen zum Beispiel:

  • Tiere aussetzen
  • Tiere unter Schmerzen trainieren
  • Zwangsfüttern ohne medizinische Notwendigkeit
  • Tiere für sexuelle Handlungen benutzen

Wer gegen das Tierschutzgesetz verstößt, muss mit Konsequenzen rechnen. Als Ordnungswidrigkeit gilt es zum Beispiel, „einem Tier ohne vernünftigen Grund erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden“ zuzufügen. In solchen Fällen kann ein Bußgeld von mehreren Tausend Euro fällig werden. Als Straftat zählt es, ein Wirbeltier „ohne vernünftigen Grund“ zu töten oder ihm „aus Rohheit erhebliche Schmerzen“ zuzufügen. Es drohen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe.

Doch bezüglich des Tierleids in Social Media gibt es Anwendungsschwierigkeiten des Tierschutzgesetzes, sagt Richterin Anna Kröner. Es sei schwierig, aus nur wenigen Sekunden langen Videos einen Rückschluss auf die Dauer und den Umfang zu schließen, die und dem das Tier in der Situation ausgesetzt war und dabei Leid empfunden haben könnte. Die Urheberinnen und Urheber von Videos ließen sich selten ermitteln. „Außerdem sind nur in Deutschland gedrehte Videos überhaupt von den Normen erfasst“, erklärt Kröner.

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Wie verhalten sich Nutzerinnen und Nutzer richtig, wenn sie online Tierleid sehen?

„Bitte nicht dazu beitragen, dass der Inhalt vom Algorithmus höher eingestuft wird!“, sagt Strehle. Bleiben lassen sollte man: Inhalte zu teilen, zu speichern, wiederholt abzuspielen, zu liken oder zu kommentieren. Am besten sei es, jegliche Interaktion zu vermeiden. Dazu rät auch die Welttierschutzgemeinschaft (WTG). Denn jegliches Verbreiten von Tierleidinhalten – außer solchen, die der Aufklärung über Missstände dienen – mache das Misshandeln von Tieren gesellschaftsfähiger und stelle damit eine Gefahr für Tiere weltweit dar.

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Als einzige Reaktion empfiehlt Strehle, Fotos und Videos, die Tierleid zeigen, den Betreibern der Social-Media-Plattformen zu melden. Dabei gilt laut WTG der Grundsatz: „Im Zweifel für das Tier.“ Lässt sich anhand eines Fotos oder eines kurzen Videos nicht eindeutig erkennen, ob das Tier leidet, könne man über die Kommentarfunktion nach den Hintergründen der Aufnahme fragen. „Weisen Sie darauf hin, dass der Kontext fehlt und Sie Tierleid vermuten“, rät die WTG. Folge keine Reaktion, solle man den Inhalt melden.

Darüber hinaus rät Strehle, über das Thema Tierleid in sozialen Netzwerken aufzuklären. Man könne zum Beispiel selbst Informationen posten oder Personen mit großer Reichweite motivieren, das Thema aufzugreifen.

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